Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


14. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Ez 1,28b-2,5)

In jenen Tagen als ich die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn sah, fiel ich nieder auf mein Gesicht. Und ich hörte, wie jemand redete. Er sagte zu mir: Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden. Als er das zu mir sagte, kam der Geist in mich und stellte mich auf die Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete. Er sagte zu mir: Menschensohn, ich sende dich zu den abtrünnigen Söhnen Israels, die sich gegen mich aufgelehnt haben. Sie und ihre Väter sind immer wieder von mir abgefallen, bis zum heutigen Tag. Es sind Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Zu ihnen sende ich dich. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr. Ob sie dann hören oder nicht - denn sie sind ein widerspenstiges Volk -, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war. (Ez 1,28b-2,5)

Wie war das? Gesichter des Trotzes und Herzen von Stein? Zu denen wurde Ezechiel gesandt: zu Menschen mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Oh, manchmal würde ich mir wünschen, es wäre wenigstens Trotz!

Gegen Widerspruch kann man schließlich angehen. Wenn jemand völlig konträrer Meinung ist, dann kann man argumentieren, diskutieren, sich auseinandersetzen. Manchmal würde ich mir wünschen, ich müsste gegen Widerspruch ankämpfen.

Kämpfen aber tue ich gemeinhin gegen Gleichgültigkeit. Und wie soll solch ein Kampf gewonnen werden?

Liebe Schwestern und Brüder,

in den vergangenen Wochen ist es mir wieder ganz neu aufgegangen. Jetzt, wo ich mit schöner Regelmäßigkeit in Gesichter der Gleichgültigkeit blicke. "Was will denn der eigentlich?" scheinen sie zu sagen - jede Woche, wenn das Heer unserer Firmanden vor mir sitzt.

Damit aber von vorneherein keinerlei Missverständnisse aufkommen: Das wird jetzt keine Schelte für unsere Firmanden oder Jugendlichen im Allgemeinen. Dazu gibt es unter ihnen viel zu viele großartige junge Frauen und tolle junge Männer.

Unsere Firmanden stehen eigentlich viel eher symptomatisch für eine ganze Zeit. Keine gottlose Zeit - weshalb auch - die Welt ist Gottes so voll. Aber eine Zeit, die sich kaum für ihn interessiert, die ihn nicht mehr wahrnimmt, den Sensus für ihn verloren zu haben scheint, einfach gleichgültig geworden ist.

Wer Christ sein will, der kann das ja gerne tun, aber das ist eben dann sein Privatvergnügen. Es interessiert einfach nicht mehr, wird allerhöchstens noch belächelt.

Und kann man es den Menschen verdenken? Diejenigen christlichen Gruppen, die augenblicklich noch am meisten von sich reden machen, die erwecken ja geradezu den Eindruck als könnte ein moderner, einigermaßen vernünftig daher kommender Mensch ja bestenfalls noch darüber lächeln, wenn jemand Christ sein will.

Was da alles augenblicklich an sogenannter Religiosität über den großen Teich herüberschwappt - mit offenbar sehr viel Geld und mit noch viel mehr Medienpräsenz, vor allem auf den privaten Kanälen!

Immer häufiger kann man da schon wieder hören, dass die Welt tatsächlich in sechs mal 24 Stunden erschaffen worden sei. Man sucht die Überreste der Arche Noah, versucht zu erklären, wie der Jona in den Bauch des Walfisches gelangt sein mag und meint sogar den genauen Platz für den Paradiesesgarten hier auf der Erde ausfindig machen zu können.

Nicht selten erwecken solche Spielarten des Christentums den Eindruck als müsse man erst seinen Verstand an der Garderobe abgeben, um wirklich glauben zu können.

Sind denn die Zeiten schon wieder vorbei, in denen wir entdeckt haben, dass unser Glaube vom Verstand durchdrungen werden möchte? Verstand und Glaube ergänzen sich und stehen in keinerlei Konkurrenz zueinander. Wie sollten sie auch! Unser Verstand ist schließlich nicht minder ein Gottesgeschenk.

Aber in der Öffentlichkeit entsteht immer mehr das Bild als hätte Religion etwas mit Dummheit zu tun. Religion ist etwas für die Dummen. Wer vernünftig ist, sucht die Lösung des da-Vinci-Codes. Nur wer von einfachem Gemüt und mäßigem Verstand ist, sitzt eben den dümmlichen Verheißungen einer volksverdummenden Religion auf.

Herzen voller Dümmlichkeit und Gesichter der Gleichgültigkeit - damit haben wir heute zu kämpfen.

Ach wären es Gesichter von Trotz und Herzen aus Stein - damit könnte ich umgehen. Mit unvernünftigen Parolen und einfacher Gleichgültigkeit tu ich mich schwer.

Aber genau das ist die Herausforderung unserer Zeit - vor allem in unseren Breiten. Genau in diese Welt sind wir gestellt und in diesem Umfeld steht unsere Verkündigung. Und da sind wir gefordert: Wir alle hier!

Es ist unsere Aufgabe, den Glauben wieder neu zu durchdringen, dafür zu sorgen, dass ein neues Glaubenswisssen unter die Leute kommt. - Und das auch unter unsere Leute! Denn immer häufiger lassen sich weite Teile unserer Gemeinden mit billigen Aufsätzen und aufgebläht daher kommenden Traktaten allzu leicht ins Bockshorn jagen. Wir müssen dafür werben, uns selbst mit unserer Glaubensüberzeugung immer wieder neu auseinanderzusetzen, und sie wirklich vernünftig zu durchdringen, weil Christus nie die Dummheit gepredigt, weil er unseren Verstand herausgefordert hat.

Und wir müssen dies über die Grenzen unseres Kirchturmes hinaus tun. Wir müssen auf die Marktplätze gehen, dürfen die Öffentlichkeit nicht den anderen überlassen. Wir müssen die modernen Medien nutzen und dies nicht als Ferz und Privatvergnügen einiger Freaks und Spinner abtun.

Wir sind gesandt zu den Menschen. Und das heißt heute: zu denen, die uns mit Gesichtern der Gleichgültigkeit begegnen und sich von dümmlichen Parolen anstecken lassen. Und wir sollen sagen: So spricht der Herr!

Ob sie dann hören oder nicht - denn sie sind ein widerspenstiges Volk -, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen Gottes Boten sind und dass Gott mitten unter ihnen ist.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 8./9. Juli 2006 in den Kirchen der Seelsorgeeinheit St. Peter, Bruchsal)