Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Ostersonntag

 

Ein Traum - ein Ostertraum.

Da träumte jemand, er fände sich vor dem Grab wieder, dem leeren Grab, und Jesus, der Herr, stand davor. Der Auferstandene legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach: 'Siehe, der Himmel steht Dir offen. Er steht nun allen Menschen offen. Das hab' ich für Dich getan.'

Und gleich darauf fand er sich wieder, mitten im Paradiesgarten, auf einer großen Wiese, auf einer Decke, die ausgebreitet lag, wie zu einem großen Picknick. Und all die Menschen, die ihm wichtig waren, saßen um ihn herum und hießen ihn willkommen. Sie feierten.

Doch plötzlich kamen welche und errichteten ein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft. Sie bauten ein Heim für Asylbewerber.

Und dann kamen andere und bauten eine Herberge, direkt auf der anderen Seite - eine Herberge für Obdachlose.

Und Türken kamen und bauten eine Moschee und Juden eine Synagoge.

Und dann gesellten sich Spätaussiedler aus Russland dazu und Menschen aus dem Banat, und Flüchtlinge, die nach dem Krieg aus Schlesien und Rumänien und woher auch immer vertrieben worden waren.

Und dann wollten diejenigen, die in Bruchsal beim Angriff am 1. März ihr Haus im Bombenhagel verloren, die nur ihr nacktes Leben gerettet hatten, auch noch einen Platz.

Und da wachte er auf und wusste nicht mehr, ob es ein Traum gewesen war oder nicht doch viel eher ein Alptraum, den er gerade hatte.

Liebe Schwestern und Brüder,

wie ist der Himmel? Und wer ist dort? Und kennen Sie das auch, dass Menschen sagen, wenn der oder die dort sind, dann will ich unter keinen Umständen im Himmel sein? Wen ertragen wir in unserer Gesellschaft, in unserer Nachbarschaft - und wen nicht?

Manchmal denke ich, es müsste schon fast mehrere Himmel geben, so dass alle am Ende schön fein unter sich sind: einen Himmel für die Türken, einen für die Intellektuellen, einen für die evangelischen - und die Katholiken meinen ja sowieso, dass sie im Himmel alleine seien.

Dass einmal alle Menschen, egal woher sie stammen, egal was sie können und ganz egal, was sie gemacht haben, selbst was sie verbrochen haben, dass einmal alle beieinander sein sollen, eigentlich ist das doch unvorstellbar.

Können wir denn damit leben, dass Gott alle Menschen liebt? Können wir damit, dass er im Ernstfall sogar jedem vergibt, er jeden und jede einzelne so nimmt wie sie ist?

Klar, dass er das bei mir so tut, darauf hoffe ich und darauf baue ich ganz stark. Aber jenen Haderlumpen, der mir da immer wieder doch so zusetzt, den wird er doch hoffentlich zur Rechenschaft ziehen.

Gerechtigkeit fordern wir von Gott. Können wir mit seiner Barmherzigkeit leben?

Gott will, dass wir das Leben haben, dass alle Menschen das Leben in Fülle haben. Er will und sorgt sich darum, dass keines seiner Kinder verloren geht. Eine Hölle will er nicht. Hoffentlich sind am Ende nicht wir es, die sie fordern - aber natürlich nur für die anderen.

Manchmal könnte man meinen, dass es eine Hölle eigentlich gar nicht braucht. Manchmal könnte man versucht sein zu glauben, die schaffen wir uns schon selber. So, wie das der Philosoph Jean-Paul Sartre der Menschheit ins Stammbuch geschrieben hat, dass wir uns nämlich selbst das Leben zur Hölle machen, indem die anderen für uns gleichsam zur Hölle werden.

Oder stellen Sie sich einmal vor, wie das wäre: Da könnte Gott den schönsten Himmel zaubern, zur Hölle würde er werden für den, der sich eine Ewigkeit darüber ärgern würde, dass der und die es auch dorthin geschafft haben.

Und wenn es dabei nur um Menschen ginge, die uns verletzt und uns Leid zugefügt haben. Häufig geht es ja lediglich darum, dass uns Menschen unsympathisch sind oder einfach nur fremd, wir ihnen gar nicht näher kommen wollen, weil wir sie nicht verstehen oder vor lauter Vorurteilen gar nicht erst verstehen können. So wie wir momentan in unserer Stadt erleben müssen, wie da schon Stimmung gemacht wird gegen Menschen, die uns um Hilfe, um Asyl, gebeten haben - Stimmung gegen Menschen, die noch nicht einmal hier sind.

Vielleicht ist genau das ja das eigentlich Entscheidende, was wir Menschen in diesem Leben zu lernen haben, vielleicht ist das ja die eigentliche Herausforderung unseres Lebens: die engherzigen Grenzen nämlich, die Menschen untereinander aufbauen, endlich zu überwinden, im anderen Menschen - und zwar im ganz anderen: in dem, der nicht in unser Milieu passt, der nicht so aussieht wie wir, der anders lebt und andere Schwerpunkte setzt, dem anderes wichtig ist als mir und meiner Familie -, in diesem Anderen keine Bedrohung zu sehen, sondern den Menschen, der von diesem Gott, als meine Schwester und mein Bruder, genauso geliebt wird wie ich selbst.

Vielleicht müssen wir ja genau dies in unserem Leben lernen, uns nicht vor anderen abzuschotten, sondern neugierig auf sie zu werden, und nicht schon Urteile über sie gefällt zu haben, bevor sie überhaupt bei uns angekommen sind.

Vielleicht ist das ja die eigentliche Herausforderung, um den Himmel, den Gott uns verheißen hat, den er uns allen an Ostern geöffnet hat, um diesen Himmel wirklich als das Paradies zu erfahren, und nicht als den Alptraum, den wir uns im Letzten in unserer Engherzigkeit am Ende selber bereiten würden.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 31. März 2013 in der Antonius- und Peterskirche, Bruchsal)