Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (1 Petr 2,20b-25)

Liebe Brüder, wenn ihr recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes. Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Er hat keine Sünde begangen, und in seinem Mund war kein trügerisches Wort. Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt. Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen. (1 Petr 2,20b-25)

So ist das halt: "Der Gerechte muss viel leiden!" Da kann man nichts machen, das ist schon immer so gewesen.

Liebe Schwestern und Brüder,

das wäre so etwas wie die fatalistische Konsequenz aus der Lesung, die wir eben gehört haben: Recht handeln und trotzdem Leiden erdulden - eine Gnade in den Augen des Herrn.

Wer sich an das Recht hält, wer niemanden übervorteilt, wer versucht Güte und Menschlichkeit zu leben, wurde schon immer von andern ausgenutzt und übers Ohr gehauen. Und jetzt erfahren wir darüber hinaus, dass das auch noch eine Gnade in den Augen des Herrn sein soll.

Der Gerechte muss eben leiden und da kann man nichts machen. Und dagegen sagen kann man auch nichts, wenn das Ganze sogar noch mit dem Vorbild Jesu belegt wird: denn auch er hat schließlich gelitten und er hat uns damit ein Beispiel gegeben.

Also Unrecht ertragen, Demut üben und ohne Widerspruch alles erdulden - Und das soll Frohbotschaft sein? Das soll der Gott sein, den Jesus Christus uns nahebringen wollte - ein Gott, für den das Leiden seiner Frommen eine Gnade bedeutet?

Mich erschaudert schon fast bei diesem Gedanken. Denn, wenn das stimmen würde, dann lande ich überall, nur nicht bei einem Gott, der uns Menschen über alles liebt. Dann lande ich am Ende viel eher bei einem Bild von einem Gott, der fernab von den Menschen auf seinem Thron sitzt und mit der Welt spielt - wie mit Ijob etwa -, oder einem Abraham mal schnell abverlangt, dass er zur Probe seinen Sohn opfern soll, und der seinen eigenen Sohn nur deshalb in die Welt schickt, um ihn am Kreuz sterben zu lassen, weil er solch grausame Opfer schließlich verlangt.

Schaut dieser Gott etwa auch noch zu? Ergötzt er sich dann vielleicht sogar an unserem Leid? Denn das wäre ja die letzte Konsequenz aus dem so verstandenen Satz, dass das Leiden des Gerechten in Gottes Augen auch noch eine Gnade bedeutet.

Aber genau das zeigt mir, dass das mit der "Gnade in Gottes Augen" so ganz sicher nicht gemeint sein kann. Und es gibt sogar noch einen Satz in dieser Lesung aus dem 1. Petrusbrief, der mir andeutet, dass ich da mit dieser Überlegung gar nicht so ganz falsch liege. Es heißt nämlich von Jesus, der gelitten hat ohne irgendetwas dafür zu können: "Er überließ seine Sache dem gerechten Richter!" Und dieser Satz lässt mich aufhorchen, denn von ihm her erschließt sich letztlich, was das Neue Testament mit den Worten von der "Gnade in den Augen des Herrn" genauer meint.

Der, der unschuldig leidet, überlässt seine Sache dem gerechten Richter. Da war jemand, dem Jesus seine Sache überlassen konnte. Und dieser "Jemand" war Richter!

Einen Richter in der Bibel darf man nun allerdings nicht mit einem Winkeladvokaten verwechseln. Ein Richter im biblischen Sinne ist nicht einmal einer, der dasitzt und wartet, bis etwas passiert ist, bis die Parteien dann vor ihm erscheinen um dann irgendwann einmal am Sankt-Nimmerleins-Tag irgendein Urteil zu sprechen. Ein Richter im Sinne der Bibel, das ist einer, der's richtet! So, wie die Menschen es auch bei uns früher gesagt haben: "Gott wird's richten!"

Dem, der's richtet, dem hat Jesus seine Sache anvertraut - und das ist das Beispiel, das er uns gegeben hat.

Dass das Leiden eine Gnade in den Augen des Herrn ist, das heißt alles andere, als dass Gott sich am Leiden der Menschen ergötzen würde. Für den, der unter Unrecht leiden muss, für den, der unschuldig verfolgt wird, für den wird Gott es richten, dem schenkt Gott seine Gnade, der ist derjenige, auf dessen Seite sich Gott stellt, dem er sein ganzes Erbarmen und seine ganze Zuwendung zukommen lässt.

Das heißt es, dass das Leiden der Gerechten in Gottes Augen Gnade findet. Gott nämlich ist Richter, er wird's richten - und nicht erst amJüngsten Tag! Das Geschrei seines Volkes in der Sklaverei hat er gehört. Dem Treiben der gottwidrigen Mächte bei Ijob hat er nur kurze Zeit zugeschaut. Und dem Abraham hat er selbst das Messer aus der Hand genommen.

Jesus Christus hat uns ein Beispiel gegeben: Der Gerechte ist vor Leiden nicht gefeit. Ungerechtigkeit und Schlechtigkeit prasseln auf ihn hernieder und er kann sich in aller Regel alleine nicht retten. Wer nicht selbst zu ungerechten Mitteln greifen will, kommt in dieser Welt nur allzu schnell unter die Räder. Aber er hat jemanden, der auf seiner Seite steht, einen machtvollen Verbündeten. Gott selbst tritt für ihn ein. Gott selbst wird's richten. Nicht erst am Jüngsten Tag. Schon in dieser Zeit - und manchmal sehr, sehr rasch.

Bei Jesus hat's keine drei Tage gedauert, da hat sich Gott selbst der Sache schon angenommen, da ist Gott aufgestanden und hat's gerichtet. Schon nach drei Tagen hat er das Blatt gewendet - und er hat es machtvoll gewendet.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 20./21 April 2002 in der Peterskirche, Bruchsal)