Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Christi Himmelfahrt - Lesejahr A-C (Apg 1,1-11)

Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft. Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. (Apg 1,1-11)

Warum gibt's im Himmel eigentlich Musik?

Liebe Schwestern und Brüder,

fast alle Bilder vom Himmel, haben irgendetwas mit Musik zu tun: Da sind musizierende Engel, Festmusik, selbst der Münchener Aloysius sitzt auf der Wolke und macht Musik.

Warum aber? Warum gibt es im Himmel immer Musik?

In einem Jahr, in dem es so sehr um Orgeln, Orgelweihen und Konzerte ging wie bei uns in den zurückliegenden Monaten, in solch einem Jahr drängt sich mir diese Frage ganz besonders auf.

Und ich habe auch eine Antwort gefunden. Zumindest eine Antwort, mit der sich die Menschen der Antike dieses Phänomen zu erklären suchten. Sie glaubten nämlich, dass das Himmelsgewölbe aus verschiedenen Schalen bestehen würde. Die einzelnen Sterne wären an solchen Schalen festgemacht und weil sich die Sterne ganz unterschiedlich bewegten, glaubten die Menschen, dass sich auch die Schalen des Himmelsgewölbes in je eigene Richtungen bewegen würden. Und weil diese Schalen dabei aneinander rieben, deshalb sei der Himmel erfüllt von einer sphärischen Musik.

So ein Blödsinn. Haben Sie schon einmal Schalen aneinander reiben hören? Das gibt keine Musik. Da kann man gleich mit einem Fingernagel über eine Tafel fahren! Da friert es mich schon, wenn ich daran denke. Von wegen Musik! Bestenfalls Geräusche, vermutlich aber nur Lärm und Krach würde so etwas erzeugen. Mit Musik hätte das nichts zu tun - schon gar nicht mit schöner, mit sphärischer Musik.

Ich denke, es gibt eine andere Lösung. Und die wird mir, je länger ich darüber nachdenke, immer sympathischer.

Der Himmel ist voller Musik, weil er voller Töne ist.

Und diese Töne sind wir. Jeder von uns ist ein Ton. Sie sind einer, ich bin einer, jeder Einzelne ein anderer. Da gibt es hohe und tiefe, schrille und leise Töne. Jeder für sich ist einfach ein Ton.

Zusammen aber wird es kompliziert. Wenn viele Töne zusammenklingen, dann sind Misstöne meist nicht weit. Ob mehrere Töne gut oder schlecht klingen, das entscheidet sich erst im Zusammenspiel.

Wo es zwischen Tönen Spannungen, Disharmonien und Missklänge gibt, dort gibt es dann keine Musik, dort gibt es einfach nur Geräusch und im schlimmsten Fall Krach - so wie wir es tagtäglich im Zusammenspiel all unserer Töne, im Miteinander der Menschen, erleben.

Unsere Welt ist nur selten von Musik bestimmt. Immer von vielen Tönen, vielen Geräuschen - meist aber von sehr viel Krach und manchmal auch von ohrenbetäubendem und durch Mark und Bein gehendem Lärm.

Im Himmel ist es Musik. Nicht weil Schalen aneinander reiben, sondern weil all die Töne, die wir Menschen darstellen, plötzlich nicht mehr durcheinander klingen und vor allem nicht mehr gegeneinander.

Miteinander geht es, in einer Harmonie.

Was hier so selten gelingt, das geschieht dort: Wir klingen zusammen und erfüllen den ganzen Himmel mit wahrhaft himmlischem Klang. Nicht weil wir es plötzlich alle gelernt hätten, sondern einfach deshalb, weil Gott uns eine Melodie vorgibt, weil er eine Harmonie garantiert und weil wir endlich, weil dann endlich alle auf diese Vorgabe Gottes achten.

So wie in einer Philharmonie, einem großen Orchester, alle auf den Dirigenten schauen und deshalb aus den vielen Tönen eine Sinfonie, ein Wohlklang, eine Harmonie entsteht.

Haben könnten wir es eigentlich schon jetzt. Gezeigt wie es geht, hat uns Gott schon oft: durch sein Wort, seine Propheten, durch all seine Zeichen. In Jesus Christus ist sogar ein Stück vom Himmel unter uns erschienen, um uns die Richtung zu weisen. Wir müssten uns nur daran halten. Wir müssten nur auf den Dirigenten achten - die himmlische Melodie würde umgehend unter uns erklingen.

Mühen wir uns darum. Es lohnt sich nämlich. Ich denke Sie spüren es schon heut' morgen.

Wenn wir nämlich, wie hier heute Morgen, zusammenfinden, dann tönt schon ein wenig von diesem himmlischen Gleichklang, dieser fröhlichen Melodie unter uns auf. Und das ist schön und wichtig und es tut gut.

Manchmal klappt es ja schon. Aber ich verrate Ihnen ja kein Geheimnis wenn ich befürchte, dass solche Augenblicke kaum lange währen. Die Missklänge unter uns Menschen sind offenbar jedes Mal stärker. Kurze Zeit der Melodie - und dann überwiegt schon wieder der Lärm und der Krach.

Es lohnt sich trotzdem, mit ganzem Einsatz daran zu arbeiten. Schon die wenigen Augenblicke lohnen die Mühe. Auch wenn wir den vollen Orchesterklang hier wohl kaum zustande bringen werden, es lohnt sich, um der paar Melodien wegen sich dennoch immer wieder dafür einzusetzen. Sie sind Vorboten jener großen Musik, von der der Himmel erfüllt ist. An Tagen wie heute dürfen wir schon einmal einen Blick darauf werfen, ein Ohr riskieren.

Auf die Fülle der Melodie aber, auf die Vollendung, auf sie werden wir wohl alle, so leid es mir auch tun mag, noch bis in den Himmel warten müssen.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 20. Mai 2004 beim Sancta Maria, Bruchsal)