Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Pfingstsonntag (Röm 8,8-17)

Brüder! Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt. Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder, so dass wir nach dem Fleisch leben müssten. Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. (Röm 8,8-17)

Schreiben Sie Stängel eigentlich noch mit "e" oder schon nach den neuen Regeln mit "ä"?

Sieht doch irgendwie komisch aus, oder? Und "Delfin" erst! Den soll ich jetzt mit "f" schreiben?

Liebe Schwestern und Brüder,

da kennt sich doch keiner mehr wirklich aus.

Alles sollte sehr viel einfacher werden, aber am Ende weiß doch eigentlich keiner mehr wie jetzt, nach der Rechtschreibreform wirklich geschrieben werden soll. Wen'ns in die Feinheiten geht, dann sagt ja beinahe jeder etwas anderes.

Und das Endergebnis ist, dass die meisten mittlerweile schreiben, wie sie wollen.

Wenn man dafür keine Noten bekommt, dann ist das ja auch nicht weiter schlimm. Was soll's, wenn ich in einem Brief "dass" immer noch mit "ß" schreibe. Ob ich das jetzt so oder anders mache, stört ja eigentlich niemanden. Zu wissen, was genau richtig und was falsch ist, ist beim Schreiben so wichtig auch wieder nicht.

Bei anderen Dingen, ist es da schon bedeutender, ob man sie nun so oder anders macht. Bei manchen Sachen sollte man schon wissen, wie es jetzt richtig geht, woran man sich halten kann und was genau Sache ist.

Manchmal wäre es sogar fatal, wenn man Dinge einfach so machen würde, wie man selbst es will. Man könnte ja am Ende erfahren, dass man es genau falsch gemacht hat, dass das Ziel eben verfehlt ist und man am Schluss ganz dumm aus der Wäsche schaut.

Und ganz besonders schlimm ist es, wenn man so etwas dann erst am Ende des Lebens erfährt. Dann hat man ja nicht einmal mehr die Chance etwas anders zu machen, einen Fehler zu korrigieren.

Bei unserem Glauben ist das so. Ob wir den Weg des Glaubens richtig gegangen sind, ob wir auf diesem Weg das Ziel erreicht haben oder nicht, das zeigt sich ja erst, wenn dieser Weg zu seinem Ende gekommen ist. Wenn man dann nicht alles falsch gemacht haben will, dann sollte man eigentlich schon wissen, wie man diesen Weg sinnvollerweise zu gehen hat, was richtig und was eben falsch ist.

Aber kennt sich da noch einer aus? Wie glaubt man heute denn richtig? Und was ist falsch?

Egal wo ich hinschaue, beinahe jeder erzählt mir heute doch etwas anderes. Was beim einen ungeheuer wichtig und unverzichtbar ist, darüber lächelt ein anderer nur. Wenn für den einen heute alles viel zu lasch ist, dann klagt der andere schon darüber, dass momentan die Zügel ach so stark angezogen und alles reglementiert würde. Der eine spricht davon, wie schlimm es ist, am klassischen Ablauf der Messe auch nur ein Wort zu ändern, und dem anderen kann die Gestaltung nicht frei genug sein. Die einen behaupten, dass man heutzutage nur noch von der Liebe Gottes reden würde, aber Gott sei doch der gerechte Richter und die anderen betonen umso mehr, dass die Hölle doch sowieso leer sei.

Wie soll sich da noch einer auskennen!? Wie ist es denn jetzt wirklich? Was muss ich wirklich tun, um am Ende des Lebens nicht etwa festzustellen, dass ich den falschen Ratschlägen gefolgt bin und mein Leben demnach in den Sand gesetzt habe? Wem soll man folgen? Was ist richtig?

Ich kann's Ihnen auch nicht sagen. Ich kann Ihnen zumindest nicht in allen Einzelheiten aufzählen, was falsch und was richtig ist.

Aber ich habe einen Grundsatz gefunden, eine Richtlinie, die hilfreich sein kann - hilfreich dafür, die Geister zu unterscheiden. Und - ganz anders als bei der Rechtschreibreform - ist das wirklich eine Regel, die man eigentlich ganz einfach anwenden kann.

Sie haben diese Regel heute alle in der Lesung gehört. Sie findet sich im Römerbrief.

"Ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht",  schreibt Paulus da.

"Ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen, zu Kindern macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!"

Das ist der Maßstab, den uns Paulus mit auf den Weg gibt. Es gilt einen Geist, der versklavt, und einen Geist, der frei macht, zu unterscheiden. An dieser Richtschnur muss sich alle Religiosität messen lassen.

Das ist der Grundsatz, der uns helfen kann, die richtigen Auffassungen über Religion und Glaube von den falschen zu unterscheiden. Wo Religion und Glaube Angst machen, dort ist demnach der Ungeist am Werk: der Geist, von dem Paulus spricht, dass er uns zu Sklaven macht, so dass wir uns immer noch fürchten müssten. Ein Glaube, der uns von einem Gott berichtet, der Menschen erzittern lässt, der uns voller Angst vor ewiger Verdammnis und mit Zittern und Zagen, mit hängenden Köpfen durch die Welt gehen lässt, das ist ein falscher Glaube - das ist nicht der, den Jesus verkündet hat. Denn Gott hat uns den Geist geschenkt, der uns zu Kindern macht, der uns in der Gewissheit bestärkt, dass Gott unser guter Vater ist. Das ist ein Geist, der uns zur Fülle des Lebens führen will, der Leben mehren und mit Glück erfüllen möchte.

Glaube, der Leben einengt, der Menschen in Ängste und Zwänge führt, kann sich deshalb nicht auf Jesus Christus berufen. Glaube, der nur mit Furcht und Angst daherkommt, folgt nicht den Spuren Jesu. Denn Paulus zeigt uns unmissverständlich, dass Gottes Geist den Menschen befreit, ihn aufrichtet, aufrecht vor Gott stehen lässt, als ein Kind vor seinem liebenden Vater.

Das ist noch nicht die Antwort auf all die Fragen, die sich stellen, wenn es darum geht, wie man denn nun seinen Glauben leben soll. Aber viele Fragen lassen sich vor diesem Hintergrund tatsächlich beantworten. Denn der Glaube, von dem die Bibel spricht, der will das Leben der Menschen erleichtern und nicht beschweren. Und das ist eine Richtschnur, an der ich so manche Auffassung von Glaube, so manche Meinung, die heute vertreten wird, ganz gut messen kann.

Dort, wo Glaube Leben mehrt, befreit, zur Fülle des Lebens führt, dort ist der Geist, den uns Christus hinterlassen hat, wirklich am Werk, dort verläuft der Weg, der zu Gott hinführt, zu dem Gott, den die Bibel verkündet, zu dem Gott, der die Liebe ist.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 29./30. Mai 2004 in den Kirchen der Seelsorgeeinheit St. Peter, Bruchsal)