Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


2. Adventssonntag - Lesejahr C (Lk 3,1-6)

Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene; Hohepriester waren Hannas und Kaijaphas. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias. Und er zog in die Gegend am Jordan und verkündigte dort überall Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. So erfüllte sich, was im Buch der Reden des Propheten Jesaja steht: Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt. (Lk 3,1-6)

Das würden Sie doch ganz sicher nicht machen! Wenn Sie unterwegs sind, wenn Sie festgestellt haben, dass Sie sich verfahren haben, wenn die Anzeichen immer deutlicher werden und es ganz sicher ist: 'Das ist die falsche Richtung!' Sie würden doch ganz sicher nicht weiterfahren, nicht einfach 'halt ein bisschen vorsichtiger' fahren oder einfach langsamer. Und Sie würden erst recht nicht sogar noch einen Zahn zulegen - es geht schließlich in die falsche Richtung!

Da hilft dann schließlich wirklich nur eines: Ganz schnell eine Möglichkeit zum Wenden finden, umkehren, zurückfahren und bei der nächsten Gelegenheit die richtige Abzweigung nehmen!

Liebe Schwestern und Brüder,

machen wirs doch. Halten wir an, machen wir kehrt und nehmen einen anderen Weg. Dieser Weg ist doch der falsche - das wissen Sie genauso gut wie ich!

Mit Advent und mit Weihnachten hat das, was hier vor sich geht, doch schon lange kaum mehr etwas zu tun.

Jener Weihnachtsmann mit seiner Säufernase und seinem Wohlstandsranzen, wie er augenblicklich durch alle Medien geistert, verkündet keinen einzigen Satz der Weihnachtsbotschaft. Von "Kaufen, kaufen, kaufen..." steht im Evangelium nichts drin.

Und das Christkind, das - wenn überhaupt, dann noch als junge Frau mit Flügeln daherkommt - ist schon längst zur schlechteren wenn auch charmanten Hilfskraft für eben jenen Weihnachtsmann missraten. Mit Jesus Christus hat das alles schon lange absolut nichts mehr zu tun.

Recht und Gerechtigkeit, die sich der Messias auf die Fahnen geschrieben hat, sind kein Thema des landläufigen Advent. Sie ersaufen in den Glühweinbrühen der Weihnachtsmärkte.

Das Zerrbild von Liebe, das in unseren Familien in diesen Wochen einzieht, ist kaum noch zu ertragen. Man möge mir die Übertreibung verzeihen - aber kaum einmal gibt es doch mehr Streit, mehr Enttäuschung und mehr Einsamkeit, als in diesen Tagen.

Und Ruhe und Besinnung... ich traue mich die Worte ja kaum noch in den Mund zu nehmen.

Das kann nicht unser Advent sein! Da ist auch kaum noch etwas zu korrigieren! Glaubt denn jemand allen Ernstes es würde helfen, wenn wir jetzt statt dem Weihnachtsmann einen Nikolaus durch die Werbung hetzen? Oder Weihnachtsartikel nicht schon im September sondern erst im Oktober zu kaufen beginnen? Sollen wir etwa noch eine Adventsfeier, noch ein besinnliches Konzert und noch ein Adventsliedersingen auf den Terminkalender setzen, um ein Gegengewicht gegen all den Konsum und die falsche Adventsduselei zu setzen - oder gar mit dem Geschenke einpacken noch ein paar Wochen früher beginnen, nur um an Weihnachten dann nicht mehr ganz so in Druck zu geraten?

Meint denn jemand allen Ernstes, wir könnten diesen Adventsrummel mit ein paar Korrekturen wieder gerade rücken?

Wenn man auf dem falschen Weg ist, dann hilft nur noch eines: Anhalten, umkehren, zurückfahren und einen anderen Weg beschreiten! Auf dem Weg, auf dem der Karren jetzt läuft, werden wird weder in der Stille, noch in der Besinnung und erst recht nicht beim eigentlichen Kind in der Krippe ankommen.

Kehrt um! Diese Botschaft Johannes des Täufers ist aktueller denn je.

Und es reicht nicht aus, sich nach mehr Stille zu sehnen, von Advent, wie er sein könnte, zu schwärmen oder einmal ein paar Minuten aus dem Trubel auszubrechen. Es reicht nicht aus, halt ein wenig langsamer in die falsche Richtung zu fahren. Umkehr ist etwas anderes.

Also anhalten und wenden! Und vor allem den Anfang machen!

Und den hab' ich für mich schon lange gemacht. Auch wenn das da und dort vielleicht sauer aufstoßen mag. Aber ich mache nicht mehr mit. Ich mache nicht mehr mit bei den Bergen von Adventskarten und Briefen, die tage- und wochenlang den Schreibtisch blockieren und jeden anderen erneut in Zugzwang setzen auch eine nette Karte zurückzuschreiben. Ich schreibe ganz einfach keine mehr. Ich habe aufgehört, Geschenke in langen Reihen zu sortieren, um ja niemanden zu vergessen. Ich habe die Berieselung mit allzu seichten Liedchen und das Geblinke von Lichterketten und falschem Schein schon längst verbannt. Und ich lade niemanden mehr zu noch einer besinnlichen Feier ein, die dann am Ende das Terminchaos nur hoch einmal vergrößert. Und wo es nur irgend möglich ist verweigere ich mich auch all solchem Ansinnen.

Und ich weiß, dass wir noch viel weiter gehen müssen. Wenn nicht auch noch der letzte Rest von Adventszeit im Strudel des Kommerzes baden gehen soll, dann ist eine gewaltige Umkehr gefordert. Und das fängt schon damit an, dass wir ganz neu beginnen müssen, verantwortungsbewusst an unser Kaufverhalten heranzugehen!

Wenn nicht die letzten Hürden des Sonntagsschutzes aber auch des Verkäuferinnen- und Verkäuferschutzes in den Adventswochen fallen sollen, dann müssen wir gerade hier ein neues Verantwortungsbewusstsein lernen - und das das ganze Jahr hindurch!

Ich werde nach 20.00 Uhr kein Geschäft betreten. Ja und wenn es geht sogar nach 19.00 Uhr nicht mehr - und unter keinen Umständen an einem Sonntag.

Ich werde sonntags auch weiterhin nicht tanken. Denn wer von uns könnte das weiß Gott nicht anders einrichten.

Und ich werde nicht aufhören daran zu erinnern, was das für eine verkorktste Gesellschaft sein muss, die am Sonntagmorgen frische Brötchen braucht, so dass Bäckereien einerseits zu öffnen haben und andererseits genau dadurch erst in Versuchung kommen, es zu tun.

Auch wenn manche darüber den Kopf schütteln, auch wenn das manche noch so sehr belächeln, oder als ewig gestrig und gar fortschrittsfeindlich einstufen. Aber wenn wir den Advent und nicht zuletzt die Adventssonntage retten wollen, dann brauchen wir diese Umkehr. Und wir brauchen Sie jetzt!

Und je mehr Menschen die Notbremse ziehen, desto größere Chancen haben wir, Chancen, nicht am Ende alle genau dort zu landen, wovon dann jeder sagen wird, das haben wir alle nie gewollt.

Wir brauchen klare Richtungsangaben, damit wir falsche Wege als das erkennen, was sie sind: ganz einfach falsch nämlich, und deshalb auch zu meiden. Wenn es um Christus geht, wenn es um seine Nachfolge geht und die Art und Weise wie wir das feiern, dann können wir uns von keiner Industrie und keinen Werbestrategen erklären lassen, wie das zu gehen hat. Maßstab kann nur Christus sein und sein Evangelium.

Und heute mahnt er ganz ausdrücklich die Umkehr an.

Mag sein, dass ich in Vielem echt allein dastehe. Mag sein, dass es keine Massen sein werden, die neue Wege mitgehen.

Eines aber ist ganz sicher - schon jetzt in dieser Adventszeit. Ich bin noch lange nicht in der Stille angekommen, aber allein schon dadurch, dass ich ein paar Dinge nicht mehr mitmache, ist mein Advent schon heute weit ruhiger, sehr viel ruhiger - viel ruhiger als er vor einigen Jahren noch gewesen ist. Und vermutlich auch viel ruhiger als bei den meisten...

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 9./10. Dezember 2006 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)