Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Christkönigssonntag - Lesejahr C (2 Sam 5,1-3)

In jenen Tagen kamen alle Stämme Israels zu David nach Hebron und sagten: Wir sind doch dein Fleisch und Bein. Schon früher, als noch Saul unser König war, bist du es gewesen, der Israel in den Kampf und wieder nach Hause geführt hat. Der Herr hat zu dir gesagt: Du sollst der Hirt meines Volkes Israel sein, du sollst Israels Fürst werden. Alle Ältesten Israels kamen zum König nach Hebron; der König David schloss mit ihnen in Hebron einen Vertrag vor dem Herrn, und sie salbten David zum König von Israel. (2 Sam 5,1-3)

Einen König wie David erwartete sich das Volk, einen, der jene glanzvolle Epoche wiedererstehen ließe. So sehr sehnte man sich im Nachhinein nach dieser Zeit - einer Zeit, die allerdings, nur im Nachhinein einzig licht- und glanzvoll war.

Dass es ungeheuer viel Schatten gab in jenen Jahren, in denen David das Land regierte, das sah man in späteren Jahrhunderten nicht mehr. Denn im Rückblick verklärt sich die Vergangenheit ja fast immer.

Liebe Schwestern und Brüder,

aber die Bibel ist sehr ehrlich.

Es gibt kaum eine Nationalliteratur, die ihre Helden so schonungslos und offen mit all ihren Fehlern und all ihren Schwächen den Menschen vor Augen stellt, wie die Bücher der Bibel. Und das betrifft gerade jenen David.

Sie müssen es selbst mal nachlesen. Noch heute liest sich der biblische Bericht stellenweise wie ein Kriminalroman. Sie erinnern sich sicher:

Nachdem der junge David, sich Verdienste als Berufskrieger erworben hatte, zog er sich ja den Hass des Königs zu, der den jungen Konkurrenten fürchtete. David verließ daraufhin das Heer und sammelte eine Schar zwielichtiger Gesellen um sich. Er führte im Grunde das Leben eines Freibeuters - heute würde man sagen, das eines Räuberhauptmannes. In 1 Samuel 25 wird dabei sogar geschildert, wie er von den Bauern der Gegend gleichsam Schutzgelder erpresste.

Und als ob das alles noch nicht genug wäre, trat er mit seiner Schar am Ende gar noch als Söldnerführer in den Dienst eines Philisterkönigs. David stand damit auf der Seite der Philister, der Todfeinde Israels! Und nur der Umstand, dass die übrigen Philisterkönige ihm als Fremden misstrauten, verhinderte am Ende, dass er in der Entscheidungsschlacht zwischen Saul und den Philistern auf der Seite der Feinde Israels gegen den eigenen König in den Krieg gezogen ist.

Nachdem Saul allerdings in dieser Schlacht unterlegen war, machte sich David zunutze, dass er einzelnen Ältesten der Südstämme regelmäßig aus den Erträgen seiner Beutezüge Geschenke geschickt hatte, diese Stammesältesten gleichsam gekauft hatte. Von ihnen ließ er sich zum König über das Haus Juda salben. Und in Personalunion - ohne die beiden Reiche jemals wirklich zu einen -, wurde er dann auch noch zum König von Israel ausgerufen.

Damit aber begann keine glanzvolle Friedenszeit. Während seiner ganzen Regierung führte er einen Krieg nach dem anderen und eroberte ein riesiges Territorium, so dass viele junge Männer seines Volkes als Besatzungstruppen an den unterschiedlichsten Orten von Ägypten bis zum Zweistromland Dienst tun mussten.

Eine Zeit voller Macht, voller Einfluss und Größe, aber so erstrebenswert?

Und vor allem vorbildhaft?

Was war Großes daran, als der Machtmensch David, den Uriah in die vorderste Schlachtreihe stellen ließ, um nach seinem vorprogrammierten Tod dessen Frau sich selbst unter den Nagel zu reißen, die wiederum nach vielen innerfamiliären Intrigen durchsetzte, dass gegen die Ansprüche der übrigen Söhne ihr eigener Sohn den am Ende alters- und entscheidungsschwachen Vater beerbte.

Die größte Königsgestalt, die Israel aufzuweisen hatte, wird in den biblischen Berichten häufig in ganz düstern Farben gezeichnet.

Auch wenn sie in späteren Jahrhunderten dann zur regelrechten Lichtgestalt erhoben wurde, bestätigt auch sie - von all den anderen Königen in späteren Jahrhunderten ganz zu schweigen - im Grunde nichts anderes, als dass die alte Prophezeiung fortwährende Bedeutung hatte.

Wie hatte Samuel die Menschen gewarnt, die unbedingt auch in Israel einen König haben wollten?

"Das werden die Rechte des Königs sein, der über euch herrschen wird: Er wird eure Söhne holen und sie für sich bei seinen Wagen und seinen Pferden verwenden, ... Eure Töchter wird er holen, damit sie ihm Salben zubereiten und kochen und backen. ... Eure besten Felder, Weinberge und Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben. ... Von euren Schafherden wird er den Zehnten erheben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein."

Und kaum jemand sagt es deutlicher und zeitlos gültiger, als Jahrhunderte später Jesus von Nazareth:

"Ihr wisst", sagt dieser, "dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen." (Mk 10,42)

Ein deutlicheres Urteil über die Herrschenden kann man kaum sprechen.

Deshalb hat sich Jesus ja auch immer dagegen gewehrt, ein neuer David, die Restauration des überkommenen Königtums zu sein. Diesen Träumen nach einer Erneuerung des alten Großreiches hat er immer eine Abfuhr erteilt. Allen, die ihn als Messias priesen, hat er verboten, diese Bezeichnung für ihn zu verwenden.

Er knüpft an eine ganz andere Tradition an; an die viel ältere nämlich, die über Jahrhunderte hinweg prophetisch begabte Menschen dem Gottesvolk vor Augen geführt haben. Er macht wieder deutlich, dass "König" über das Volk, wahrer Hirt Israels, allein Gott ist, dass er die Fäden in der Hand hält und er selbst sein Volk leitet und führt.

Christus erneuert die alte Vorstellung Israels, dass wer auf Gott schaut, sich an ihn und seine Wegweisung - seine Torah - hält, letztlich weit mehr Recht und Ordnung, soziale Absicherung und Menschenwürde garantiert als es irdische Machtapparate je zu leisten vermögen.

Das gilt es zu bedenken, wenn wir heute Christkönig feiern: Gott allein ist es, der in Jesus Christus die Fäden der Welt in der Hand hält. Und in der Verantwortung vor ihm und den Menschen unseren Weg zu gehen, garantiert allein eine Gesellschaft, die auf einem stabilen Fundament steht.

Wo er aber ausgeblendet ist, wo Gott nicht mehr im Blick ist, ist der Weg in soziale Kälte, Ungerechtigkeit und Unterdrückung eigentlich schon vorprogrammiert.

Ja, Jesus Christus ist ein König, aber nie im Sinne der Restauration was für eines irdischen Machtapparates auch immer. Er trat ein für das Königreich der Himmel, das mit ihm bereits auf Erden angebrochen ist, in dem nicht unselige irdische Machtstrukturen, sondern Gottes Recht wirklich zum Durchbruch gelangen wird.

Dieses Königreich ist die große Stadt, die erstehen wird, wie wir es im Lied besingen. Eine Stadt, die nicht den Glanz von Diktatoren, Machthabern oder Sonnenkönigen nötig hat.

Das alles braucht sie nicht, denn Jesus Christus ist ihr Licht, ihre Herrlichkeit.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 24./25. November 2007 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)