Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Sonntag der Fastenzeit - Lesejahr C (Jos 5,9a. 10-12)

In jenen Tagen sagte der Herr zu Josua: Heute habe ich die ägyptische Schande von euch abgewälzt. Als die Israeliten in Gilgal ihr Lager hatten, feierten sie am Abend des vierzehnten Tages jenes Monats in den Steppen von Jericho das Pascha. Am Tag nach dem Pascha, genau an diesem Tag, aßen sie ungesäuerte Brote und geröstetes Getreide aus den Erträgen des Landes. Vom folgenden Tag an, nachdem sie von den Erträgen des Landes gegessen hatten, blieb das Manna aus; von da an hatten die Israeliten kein Manna mehr, denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan. (Jos 5,9a. 10-12)

Klar, sagt sich der moderne Mensch, die Israeliten waren in Kanaan angelangt, hatten nun ihre Ernten und deshalb blieb das Manna aus. Sie brauchten es ja nicht mehr. In der Wüste hatte Gott für Israel gesorgt, jetzt konnte das Volk für sich selber sorgen.

Liebe Schwestern und Brüder,

so denkt der moderne Mensch. Gott sorgt für sein Volk bis es diese Fürsorge nicht mehr braucht - und dann muss sich Gott ja auch nicht mehr um die Menschen kümmern.

Und nicht selten denken wir dabei, dass wir Gott dann ja auch nicht mehr brauchen - den braucht es erst wieder, wenn etwas nicht mehr funktioniert.

Wir haben uns seit wir meinen, dass die Natur einfach nach klaren Gesetzmäßigkeiten funktioniert, mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass es Gott und sein Eingreifen nur braucht, wenn wir mit den gesetzmäßigen Abläufen der Natur nicht zurechtkommen.

Und deshalb haben wir uns weithin auch daran gewöhnt, dass wir, je mehr wir die Natur beherrschen, umso weniger auf diesen Gott angewiesen sind. Als Israel im Land angekommen war, betrieb es Ackerbau und deshalb bewältigte es den Alltag auch alleine. Das Manna war nicht mehr notwendig und damit war Gottes Eingreifen, war Gott letztlich auch nicht mehr von Nöten.

Aber das ist nur modernes Denken, auf diese Idee wäre Israel zur Zeit der Bibel nie gekommen. Und auch wenn man es selbst in Kommentaren so lesen kann, auch wenn man die heutige Lesung auf diese Weise so wunderschön missdeuten kann -, dass Gott eben Israel nur so lange unterstützte als es sich nicht selbst helfen konnte, dass Gott nur so etwas wie Hilfe zur Selbsthilfe leisten würde - man wird dem Text aus dem Josuabuch auf diese Art wirklich nicht gerecht. Denn so hätten die Menschen damals nie gedacht.

Natürlich wusste man, wann man auszusäen hatte und dass man bewässern musste, wenn nicht genügend Regen fiel. Natürlich wusste man um die Abfolge der Jahreszeiten und man beobachtete die entsprechenden Zusammenhänge und wusste wahrscheinlich noch sehr viel genauer darüber Bescheid, als wir Menschen das heute tun. Aber diese Gesetzmäßigkeiten in der Natur waren für die Menschen damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Dass die Welt nach solchen Gesetzen funktionierte, dass die Jahreszeiten in schöner Regelmäßigkeit wiederkehrten und dass morgen die Sonne wieder aufgeht, das war für Menschen damals nie die Folge irgendwelcher feststehenden Naturgesetze. Dass es in der Welt so etwas wie Verlässlichkeit gibt, dass nicht einfach das Chaos herrscht, das war für die Menschen der beste Hinweis darauf, dass es jemanden geben musste, der diese Ordnung garantiert.

Naturgesetze waren für die Menschen der Bibel kein Grund dafür, dass man Gott eigentlich gar nicht brauche. Sie waren der stärkste Beleg dafür, dass es einen Gott gibt, der genau diese Gesetzmäßigkeiten garantiert.

Erinnern sie sich daran, was nach Auskunft der Bibel, dieser Gott bei der Schöpfung als aller erstes getan hat? Gott brachte Ordnung in das Chaos. Und ohne ihn würde nach biblischer Vorstellung alles auch wieder ins Chaos zurückfallen.

Wer der Meinung ist, dass Gott nur da am Werk sei, wo wir die Dinge mit unseren Naturgesetzen nicht mehr erklären können, der hat vom Gott der Bibel nicht viel begriffen, denn dass es diese Naturgesetze überhaupt gibt, das liegt nach Auskunft der Bibel einzig und allein daran, dass es einen Gott gibt, der diese Ordnung garantiert - und zwar jeden Tag aufs Neue garantiert.

Gott hörte nicht auf, für sein Volk zu sorgen, als es im Land angekommen war. Jetzt sorgte er lediglich anders für die Menschen. Das Manna in der Wüste war die Hilfe Gottes, die die Menschen in jener Zeit benötigten. Dass die Erde nun ihren Ertrag zur rechten Zeit brachte, das war genau das, was die Menschen, die sich in Kanaan nun hatten niederlassen können, jetzt brauchten. Und das empfingen sie, und sie erhielten es - davon waren sie ganz fest überzeugt - durch das Walten dieses Gottes, der für seine Geschöpfe da ist, wann, wo und wie es auch sei.

Genau das will uns dieser alte Text aus dem Josuabuch bis auf den heutigen Tag sagen. Nein, nicht Gott zieht sich zurück, weil Menschen es jetzt ja alleine schaffen können. Vielmehr: Gott steht den Menschen bei, so wie sie es in der jeweiligen Situation eben brauchen. Gott steht mir zur Seite, wie es jetzt sinnvoll und angemessen ist. Er überlässt mich nicht irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten. Er garantiert erst diese Ordnung, er schenkt meinem Leben Sicherheit und Verlässlichkeit und er greift dabei so in mein Leben ein, wie ich es eben genau jetzt brauche - genau so, wie es jetzt recht ist.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 9./10 März 2013 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)