Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Weihnachten - Am Tag (Jes 52,7-10)

Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr hat sein Volk getröstet, er hat Jerusalem erlöst. Der Herr hat seinen heiligen Arm vor den Augen aller Nationen entblößt und alle Enden der Erde werden das Heil unseres Gottes sehen. (Jes 52,7-10)

Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach...

Liebe Schwestern und Brüder,

Sie wissen genau, wie es weitergeht. Und nachher, vor der Kommunion, werden wir es alle sprechen. Und ich wette mit Ihnen, die allermeisten werden voller Inbrunst sagen: aber sprich nur ein Wort!

Und da muss ich jedes Mal schmunzeln. Als ob es dem Hauptmann von Karphanum, von dem dieser Satz ja stammt, als ob es ihm darum gegangen wäre, dass Jesus genau ein Wort gesprochen hätte. Die Anzahl war ihm doch völlig egal.

Ein Wort sollte dieser Jesus sprechen, ein Machtwort. Deshalb hat er gesagt: "Sprich nur ein Wort!" Denn davon war der Hauptmann überzeugt. solch ein Machtwort bewirkt etwas, es ist ein wirkmächtiges Wort. Die Anzahl spielt keine Rolle, auf das Wort kommt es an.

An diese schöpferische Kraft des Wortes erinnert uns das Weihnachtsevangelium. Im Anfang war das Wort und durch das Wort ist alles geworden. Das Evangelium erinnert daran, dass Gott die Welt allein durch sein Wort geschaffen hat. "Es werde Licht" hat Gott gesagt. Und dieses Wort hat die Finsternis vertrieben.

Das Weihnachtsevangelium erinnert uns an Gottes schöpferisches Wort, ein Machtwort. Und dieses Wort ist Mensch geworden. Gottes Wort ist in der Welt, sein schöpferisches, wegweisendes, wirkmächtiges Wort ist in der Welt.

Merken Sie etwas davon?

Viel zu spüren ist davon ja nicht. Was ist mit diesem Machtwort Gottes? Läuft denn etwa irgendetwas in den Bahnen, die dieser Gott da vorgezeichnet hat? Geschieht denn irgendwo tatsächlich sein Wille? Was ist von diesem mächtigen Wort denn zu spüren?

Schon damals, am ersten Weihnachten, schon damals war das doch eher ein Witz. Da lag ein Baby in der Krippe - was für ein Machtwort!

Von wegen Reich Gottes. Es hat sich durch Weihnachten doch kaum etwas verändert. Die Starken triumphieren, die Schwachen werden unterdrückt. Wer hat, dem wird gegeben. Und wer nichts hat, dem wird auch das noch genommen. Wer darauf gehofft hatte, dass mit der Menschwerdung Gottes sich auch nur irgendetwas ändern würde, der wird bis heute jeden Tag aufs Neue enttäuscht.

Sollte das tatsächlich so sein? Hatte Gott etwa nie vor die Herrschaft der Welt zu übernehmen und mit eisernen Besen zu kehren. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass das wohl nie seine Absicht gewesen ist. Gott hatte nie vor, das Leben für uns zu leben. Leben müssen wir es letztlich selber.

Gott nimmt die Dinge nicht in die Hand. Er zeigt uns lediglich, wie wir selbst es bewerkstelligen können. Er zeigt uns, was wir selbst tun können, damit Leben mit anderen Menschen zusammen zu einem geglückten Leben werden kann.

Er gab diese Anleitung in Form der Gebote seinem Volk von Anfang an mit auf den Weg, präzisierte sie durch die Propheten und kam letztlich sogar selbst in die Welt, um es schlicht und ergreifend vorzuleben, um uns ein Beispiel zu geben. Folgen müssen wir diesem Beispiel selbst. Wir müssen versuchen, es in unser Leben zu übersetzen - und zwar in Taten, Werken und - ja ganz besonders - in und durch Worte.

Wir wirken nämlich nicht nur durch unsere Taten. Die nächste Welt des Menschen ist die Welt der Worte. Keine Kreatur auf dieser Welt ist so auf Worte verwiesen und angewiesen wie gerade der Mensch.

Nicht umsonst bedeutet das lateinische Wort für Segnen - wenn wir es wörtlich übersetzen - Gutes sagen, jemandem etwas Gutes zusagen.

Worte bauen auf, Worte geben Kraft und Worte können sogar heilen. Aber genauso können Worte verletzen, niederreißen und sogar vernichten.

Deshalb ist es auch so schlimm, wenn man Worte einfach mal so mir nichts dir nichts heraushaut, ohne groß zu überlegen, was das anrichten kann. Das geht einfach nicht. Und ganz besonders geht das nicht, wenn man an verantwortlicher Position steht und eigentlich ein Vorbild sein müsste. Worte gilt es immer mit Bedacht zu wählen.

Noch viel schlimmer ist natürlich, wenn Worte mit Bedacht genau so gewählt werden, dass sie Verheerendes bewirken. Und genau dieses Phänomen greift in unseren Tagen ja dermaßen um sich.

Was ist denn unter uns passiert, dass immer häufiger Worte dazu verwendet werden, um andere zu demütigen, zu verletzen und Hass zu schüren. Wie konnte das passieren, dass so viele Worte derzeit wie Brandbeschleuniger wirken, unsere Gesellschaft entzweien, Menschen in Furcht und Angst stürzen und die schweigende Mehrheit steht da und lässt es gewähren.

"Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!" hört man dann allenthalben.

Nein, man darf es nicht. Man kann einfach nicht alles sagen. Wenn Worte verletzen, ausgrenzen, Menschen abqualifizieren und einfach nicht stimmen, dann verbietet es die Wahrhaftigkeit, die Menschlichkeit und meist schon der Anstand, dies oder jenes zu sagen. Häufig ist es schlicht und ergreifend unanständig, ganz einfach unanständig so etwas dennoch zu sagen.

Und was noch viel schlimmer ist: Auf Dauer raubt es uns die Sicherheit und den Frieden und es zerstört ein wirkliches, ein menschliches Miteinander.

Wenn wir das nicht wollen, dann wäre es nicht das verkehrteste, an diesem Kind in der Krippe Maß zu nehmen - nicht nur in Werken, sondern allem voran in Worten.

Dieser Gott hat uns nicht nur die Möglichkeit eröffnet Worte zu hören. Wir können diese Worte sogar selbst sprechen. Wo sie aber so gesprochen werden, dass sie niederreißen und spalten, dort wird gedeihliches Leben auf Dauer nicht funktionieren. Das ist nämlich das genaue Gegenteil zu dem Beispiel, das uns dieser Gott gegeben hat.

Aufbauen und gestalten sollen wir mit unseren Worten, Gräben überwinden helfen. Denn wenn Worte heilen und versöhnen, kann Leben gelingen und zu wirklich geglücktem Leben werden.

Und auch wenn das manche offenbar nicht so sehen, auch wenn diejenigen, die mit ihren Worten andere klein machen und ihnen Angst einflößen, auch wenn die, die stets die große Lippe riskieren, augenblicklich immer zahlreicher zu werden scheinen: Lassen Sie sich nicht täuschen!

Auch wenn es so scheint, dass die sich alles erlauben können und am Ende auch noch triumphieren, lassen Sie sich nicht täuschen - denn auch das verspricht uns dieses nur scheinbar ohnmächtige Kind in der Krippe -, sie alle werden am Ende nicht das letzte Wort haben.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 25. Dezember 2025 in den Kirchen St. Marien, Ettenheimweiler, und St. Batholomäus, Ettenheim)