Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 5,1-12a mit Zef 2,3; 3,12-13)

Sucht den Herrn, all ihr Gedemütigten im Land, die ihr nach dem Recht des Herrn lebt! Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut! Vielleicht bleibt ihr geborgen am Tag des Zorns des Herrn. Und ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk. Sie werden Zuflucht suchen beim Namen des Herrn als der Rest von Israel. Sie werden kein Unrecht mehr tun und nicht mehr lügen, in ihrem Mund findet man keine trügerische Rede mehr. Ja, sie gehen friedlich auf die Weide und niemand schreckt sie auf, wenn sie ruhen. (Zef 2,3; 3,12-13)

In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. (Mt 5,1-12a)

Bin ich froh, dass wir heute diesen Text aus dem Alten Testament gehört haben.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich weiß zwar, dass den meisten das Neue Testament näher zu sein scheint. Die Texte sind vertrauter und die Sprache manchmal auch vermeintlich einfacher. Für sich allein genommen führen neutestamentliche Texte aber nicht selten in die Irre.

Das heutige Evangelium, die sogenannten Seligpreisungen, die können da ein Lied davon singen. Wie oft wurde und wird dieser Text immer noch missverstanden.

Da schaut man einseitig auf das Wort "selig" und auf den Lohn im Himmel und dann hat man als Ergebnis ganz schnell, dass alle, die in diesem Leben unter die Räder kommen, sich freuen können, weil sie ja im Jenseits getröstet werden.

Was für eine wunderschöne Jenseitsvertröstung. Aber solch eine Jenseitsvertröstung ist nicht nur falsch, sie lähmt sogar. Und am Ende ist sie auch noch perfide.

Dem Betroffenen suggeriert sie ja, dass er nur aushalten muss. Der Trost im Jenseits wird ihn schließlich entschädigen. Jenseitsvertröstung erzieht zum Stillhalten und erstickt alle Anstrengungen zur Gegenwehr und zum Aufbegehren letztlich im Keim.

Und perfide ist sie, weil sie die Verantwortlichen für all die Schieflagen in der Sicherheit wiegt, an den Zuständen gar nichts ändern zu müssen. Der Notleidende bekommt ja seinen Ausgleich für all das, worauf er jetzt gezwungenermaßen hatte verzichten müssen.

Diese unsägliche Jenseitsvertröstung war Jahrhunderte lang dafür verantwortlich, dass sich an den sozialen Verhältnissen in unseren Breiten substantiell nichts, aber auch gar nichts geändert hat.

Da sind die Texte des Alten Testamentes ausgesprochen hilfreich. Sie erinnern sich noch an die Lesung aus dem Buch des Propheten Zefanja, die wir gerade gehört haben? Da geht es auch um Bedrängnis und Not, um Menschen, die auf Gott vertrauen und sich in ihrem Elend an ihn wenden.

Die Botschaft dieser Texte ist aber ein ganz andere: Sucht Gerechtigkeit! Der Herr steht auf Eurer Seite! Der Tag des Zorns des Herrn kommt und er kommt im Hier und Jetzt und er sorgt dafür, dass die ungerechten Verhältnisse beseitigt werden.

Das ist der Hintergrund, auf dem auch dieser Jesus von Nazareth gepredigt und verkündigt hat. Eine Vertröstung auf ein irgendwie geartetes Jenseits lag ihm fern. Er sprach vom Reich Gottes. Und dieses Reich Gottes war für ihn ganz real, es bricht unter uns an und nicht irgendwo anders.

Und wenn man das im Hinterkopf behält, dann stehen die Seligpreisungen plötzlich in einem ganz anderen Licht. Da geht es um Gerechtigkeit nach der Menschen dürsten, um Frieden zwischen den Kriegsparteien, der gestiftet werden muss, es geht um diejenigen, die sich der anderen Erbarmen, der Fremden, die nicht wissen, wo sie hinsollen oder der Kranken, die der Pflege und manchmal auch nur eines Besuches bedürfen. Es geht um sehr diesseitige Dinge. Und diejenigen, die sich dafür einsetzen, die werden von diesem Jesus seliggepriesen, denn um diesen Einsatz geht es ihm.

Wer dem Mann aus Galiläa folgen möchte, der kann Menschen nie auf ein wie auch immer geartetes Jenseits vertrösten. Nachfolge Christi bedeutet immer und zuallererst, sich hier für die Gerechtigkeit einzusetzen. Denn nur dann, wenn wir uns auf die Seite der Armen und Unterdrückten stellen, der Ausgegrenzten und Angefeindeten, nur dann stehen wir auf seiner Seite - auf der Seite auf die sich Gott selbst gestellt hat.

Sicher, wir werden keine paradiesischen Zustände herstellen können, das haben Menschen nicht in der Hand. Aber wir können den Anfang machen und unseren Teil dazu beitragen. Wir müssen sogar den Anfang machen, denn wenn wir es nicht tun, dann tut es niemand anders.

Der Gott der Bibel hat nirgendwo verheißen, dass wir uns getrost hinsetzen können, weil er es schon für uns richtet. Er hat vielmehr zugesagt, dass er dort an unserer Seite steht, wo wir uns für seine Sache einsetzen.

Das Reich Gottes, das dieser Jesus von Nazareth verkündet hat, das ist keine jenseitige Veranstaltung. Sicher, es findet seine Vollendung in diesem Jenseits, aber es hat bereits hier und jetzt begonnen, mit dem ersten Eingriff Gottes in seine Schöpfung, mit der Botschaft der Propheten und spätestens mit diesem Jesus Christus hat das Reich Gottes, hat Gottes Gerechtigkeit auf Erden schon lange begonnen.

Helfen wir mit, tragen wir mit dazu bei, dass dieses Reich Gottes immer mehr Raum gewinnt, sich unter uns ausbreiten kann.

Der Prophet hat das in ein wunderschönes Bild gekleidet: "Sie gehen friedlich auf die Weide und niemand schreckt sie auf, wenn sie ruhen."

So hat der Prophet Zefanja den Menschen seiner Zeit verheißen. Sorgen wir mit dafür, dass diese Verheißung für immer mehr Menschen wirklich Realität wird.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 29.Januar 2023 in der Heilig-Kreuz-Kirche, Ettenheim-Münchweier)