Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Fest der Heiligen Familie - Lesejahr A-C (Kol 3,12-21)

Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar! Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade. Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater! Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt. Ihr Männer, liebt eure Frauen, und seid nicht aufgebracht gegen sie! Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem; denn so ist es gut und recht im Herrn. Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden. (Kol 3,12-21)

Das sei eines der größten Probleme, heißt es immer wieder: Jetzt kämen so viele Männer zu uns, die ein völlig rückständiges Frauenbild hätten. Das könne ja gar nicht gut gehen. Bei uns sind Frauen schließlich gleichberechtigt.

Liebe Schwestern und Brüder,

verzeihen Sie mir, wenn ich bei solchen Äußerungen immer ein wenig schmunzle, denn eigentlich ist es ja nicht zum Lachen. Eigentlich ist es ja zum Weinen. Und damit meine ich jetzt nicht zuerst die traurige Tatsache, dass weltweit Frauen immer noch diskriminiert werden und vielerorts wirklich nur über eingeschränkte Rechte verfügen. Nein, lachen muss ich, wenn Menschen so mir nichts dir nichts davon sprechen, dass bei uns Frauen doch gleichberechtigt seien. Als ob das wirklich schon so wäre.

Sicher, es mag weit besser sein, als an vielen anderen Orten. Aber kann das denn der Maßstab sein? Nur weil es andernorts schlechter ist, ist es bei uns doch nicht automatisch schon gut. Frauen verdienen in aller Regel immer noch weit weniger als Männer. Und man muss schon Quoten einführen, damit Frauen die gleichen Chancen auf Führungspositionen haben, wie sie sich Männer normalerweise unter sich aufteilen.

Sicher Frauen arbeiten heute genauso selbstverständlich wie Männer; dass dabei aber bei Frauen schon stillschweigend vorausgesetzt wird, dass sie daneben auch noch irgendwie den Haushalt bewältigen und sich wie selbstverständlich um die Kinder kümmern, davon wird wenig gesprochen.

Und Hand aufs Herz: ich höre zwar von den meisten jungen Paaren: "Wir machen das alles gemeinsam und lösen das partnerschaftlich!" Dort aber, wo ich einen Blick hinter die Kulissen werfen konnte oder musste, dort sah es dann meist doch ganz anders aus. Meist waren auch da die Rollen verteilt "wie du warst vor aller Zeit".

Da macht es mir schon ein wenig Sorgen, wenn jetzt so viele auf die Neuankömmlinge schielen und gleichzeitig betonen, dass im Gegensatz zu denen, bei uns doch alles gut sei. Und besondere Sorgen macht mir dabei, dass das dann ganz schnell wieder mit Religion in Verbindung gebracht wird. Die hätten eben ein solch rückständiges Frauenbild, weil der Islam halt ein solches Bild von Frauen zeichnen würde.

Dabei stimmt das doch gar nicht. Und es stimmt erst recht nicht, dass das Frauenbild des Christentums so viel anders wäre. Am Fest der Heiligen Familie wird in unseren Kirchen vorgelesen, dass sich die Frauen ihren Männern unterordnen sollen!

Christentum und Kirche haben zur Gleichberechtigung der Frauen wenig beigetragen. Das haben sich die Frauen schon ganz alleine erkämpfen müssen - und das nicht selten sogar gegen heftigen Gegenwind aus den Räumen der Kirchen. Und gerade katholische Kirche muss hier sehr vorsichtig sein, wenn es darum geht mit Fingern auf andere zu zeigen.

Ich kann die krampfhaften Begründungen dafür, warum nur Männer zu Priestern geweiht werden, schon gar nicht mehr hören. Ach so, Jesus hat als Apostel ja nur Männer berufen! Aber die waren vermutlich alle dunkelhaarig. Wieso kann man dann blonde Männer weihen? Und keiner von den Jüngern Jesu war Europäer! Könnte es denn nicht einfach sein, dass Jesus schlicht und ergreifend einfach Menschen berufen hat und dass allein dieses Kriterium am Ende ausschlaggebend sein sollte?

Ich denke, es liegt so Vieles im Argen. Und es macht mir deshalb Sorge, wenn jetzt ganz einseitig betont wird, dass bei den Flüchtlingen so vieles falsch laufe, was bei uns doch schon lange in Ordnung sei. Es macht mir Sorge, weil wir dann Gefahr laufen, nicht mehr wirklich Fragen zu stellen, uns infrage zu stellen. Und weil wir dann möglicherweise auch bei uns längst überfällige Korrekturen nicht mehr wirklich vorantreiben.

Dabei wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür. Wir müssten den Zustrom von so vielen Menschen in unserem Land nur als Chance begreifen. Die Neuankömmlinge sind doch keine Bedrohung und mit ein wenig Anstrengung schaffen wir das wirklich locker. Was soll denn die ganze Weltuntergangsstimmung der letzten Wochen? Wir stehen doch nicht am Abgrund. Hören wir doch auf immer gleich den Teufel an die Wand zu malen! Hat sich denn irgendjemand von uns im vergangenen Jahr wegen der Flüchtlinge auch nur im Geringsten einschränken müssen? Wir geben doch immer noch nur von unserem Überfluss. Wir haben doch noch nicht einmal damit angefangen, wirklich zu teilen.

Nein, die Neuankömmlinge sind eine Chance, auch für unsere Gesellschaft. Wir müssen nur den Mut haben, die richtigen Fragen zu stellen.

Fragen wir uns doch, warum es so schwer ist in unserem Land, bezahlbare Wohnungen zu finden. Und gehen wir es dann auch beherzt an, das eigentliche Problem. Fragen wir uns, was in unserer Wirtschaft schief läuft, so dass Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr wirklich leben können, schon hier bei uns und noch viel mehr in den Fabriken der ärmsten Länder der Welt, in denen wir für Hungerlöhne die Produkte für unseren Wohlstand fertigen lassen. Fragen wir uns! Es ist gar nicht so schwer, die richtigen Antworten zu finden.

Und es ist möglich, etwas zu ändern. Es ist notwendig, etwas zu ändern. Auch deshalb, weil wir auf Dauer wirkliche Probleme bekommen, wenn wir es nicht tun! Unser Wirtschaften verursacht doch erst, dass Menschen aufbrechen,  weil Sie zuhause keine Perspektive mehr haben.

Und fragen wir uns mit den Neuankömmlingen, was geschehen muss - bei ihnen und bei uns -, damit Frauen wirklich gleichberechtigt leben und in keinem Bereich unsere Lebens Menschen zweiter Klasse sind. Und gehen wir die Dinge dann auch an.

Und vielleicht begreifen wir dann irgendwann einmal auch in unserer Kirche, was uns in der Menschwerdung Gottes wirklich gesagt wird. Vielleicht begreifen auch wir einmal, dass Jesus Christus nicht ein Mann geworden ist. Von Anbeginn der Schöpfung ging es Gott immer um Mann und Frau gemeinsam. Ihm geht es nicht um Männer und nicht um Frauen, ihm geht es um den Menschen.

Die Botschaft dieser Tage lautet nämlich nicht "Und das Wort ist Mann geworden" - es ist auch nicht Frau geworden. Nehmen wir endlich ernst, dass Gott in Jesus Christus einfach Mensch geworden ist.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 27. Dezember 2015 in der Pfarrkirche St. Bartholomäus, Ettenheim)