Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


1. Adventssonntag - Lesejahr C (Jer 33,14-16)

Seht, es werden Tage kommen - Spruch des Herrn -, da erfülle ich das Heilswort, das ich über das Haus Israel und über das Haus Juda gesprochen habe. In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen lassen. Er wird für Recht und Gerechtigkeit sorgen im Land. In jenen Tagen wird Juda gerettet werden, Jerusalem kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: Jahwe ist unsere Gerechtigkeit. (Jer 33,14-16)

Zu übersehen ist die Krise nicht mehr. Wer als Gottesdienstteilnehmer noch keine 60 Jahre alt ist, der fällt regelrecht auf. Und wer sich noch in Kirche engagiert, der ist eigentlich schon lange so etwas wie ein Exot. Wer dann gar noch nach Regeln der Kirche zu leben versucht, der gilt schon geradezu als verschroben und irgendwie weltfremd.

Liebe Schwestern und Brüder,

da kann man schon verstehen, dass Menschen von anderen Zeiten träumen, davon träumen, dass Gott selbst eingreifen möge, den Glauben erneuern und ein neues Bewusstsein für Gottesdienst und Frömmigkeit in den Menschen erwecken möge. Das wäre es doch! Gott selbst greift ein und sorgt dafür, dass die Gottesdienste wieder voll werden, der Glaube an Bedeutung gewinnt und sich die Menschen wieder auf die ewigen Güter besinnen.

Dieser Traum ist gar nicht so neu. Eigentlich wurde er von den Frommen zu allen Zeiten geträumt, sogar schon in biblischer Zeit. Auch Israel kannte diese Hoffnung, dass Gott eingreifen und sein Volk wieder auf den Weg führen möge, den er ihm doch schon längst gewiesen hat.

Die Propheten greifen diese Hoffnung auf und sie verkünden dem Volk, dass Gott genau dies tun wird. Er selbst wird eingreifen und er wird die Dinge in die Hand nehmen und in seinem Sinne ordnen. Nur das, was die Propheten - und allen voran Jeremia - dem Volk dann künden, das stößt die Frommen geradezu vor den Kopf. Das, worum sich Gott dann kümmern wird, wird nämlich offenbar genau das nicht sein, was die Menschen von ihm erwarten. Er wird sich nicht um den rechten Gottesdienst kümmern, nicht darum, dass die Menschen wieder beten oder zum Tempel kommen. Ihm wird es nicht darum gehen, wirklich durchzusetzen, dass alle Welt allein ihm, dem wahren Gott, huldigt und ihn als Gott verehrt. Der Spross, der dem David erwachsen wird, soll keine Erneuerung des Glaubens bringen. Das ist offenbar nicht seine Aufgabe.

Für Recht und Gerechtigkeit im Land, dafür wird er sorgen, denn genau das ist sein erstes, sein wichtigstes Anliegen.

Das haben die Frommen zur Zeit eines Jeremia genauso wenig verstanden, wie die Priesterschaft zur Zeit Jesu. Sie haben es genauso wenig verstanden wie dieser Gott in unserer Gegenwart nicht verstanden wird. Um Recht und Gerechtigkeit, um das Leben der Menschen geht es diesem Gott, weit mehr, als um rechte Verehrung, rechte Glaubensgesinnung oder gar den rechten Taufschein.

Dass wir Gott dienen, indem wir dem Menschen dienen, indem wir uns für unseren Nächsten einsetzen, und dass der Menschendienst in Wahrheit Gottesdienst, dass Menschendienst der wahre Gottesdienst ist, wie schwer ist das doch in die Köpfe der Menschen zu bekommen.

Wenn in unserer Kirche jetzt ein Jahr des Glaubens ausgerufen wird, dann geht es nach dem Zeugnis der heutigen Lesung nicht um irgendwelche geistlichen Übungen, es geht nicht um das Lesen frommer Bücher und schon gar nicht um spirituelle Höchstleistungen.

Eine Erneuerung des Glaubens im Sinne des Propheten Jeremia, ein Jahr des Glaubens im Sinne dieses Jesus von Nazareth, das ist nichts anderes, als Einsatz dafür, dass Menschen in Sicherheit leben und abgesichert alt werden können, ein Ringen um einen wirklichen Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Schichten und ein Eintreten für soziale Gerechtigkeit.

Und in den kirchlichen Einrichtungen, im kirchlichen Arbeitsrecht und bei den Beschäftigungsverhältnissen in unseren Gemeinden, da könnten wir dann gleich den Anfang machen. Es kann ja nicht darum gehen, mit Fingern auf die anderen zu zeigen. Letztlich muss es darum gehen mit bestem Beispiel engagiert und glaubwürdig voranzugehen.

Nichts anderes als das, wäre ein Jahr des Glaubens im Sinne dieses Jesus von Nazareth, nichts anderes als ein echtes Jahr der Barmherzigkeit, ein Jahr der Gerechtigkeit, nichts anderes als wahrhaft und wirklich ein Jahr der Menschlichkeit.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 1./2. Dezember 2012 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)