Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


7. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr C (Offb 22,12-14. 16-17. 20)

Ich, Johannes, hörte eine Stimme, die zu mir sprach: Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können. Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens. Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. Amen. Komm, Herr Jesus! (Offb 22,12-14. 16-17. 20)

"Maranatha" beteten die Christen der ersten Generationen: "Unser Herr, komm!" Komm, Herr Jesus, heißt der Zielsatz der heutigen Lesung.

Will ich darum bitten?

"Liebe Schwestern und Brüder", sage ich an dieser Stelle normalerweise. Heute will ich lieber Dich selbst ansprechen, Herr Jesus Christus.

Will ich Dich wirklich darum bitten? Darum bitten, dass Du kommst?

Für die Christen damals war dies die Bitte um das Ende dieser Welt, um den Beginn des Reiches Gottes in seiner ganzen Fülle.

Will ich jetzt wirklich darum bitten? Soll es das jetzt gewesen sein? Sollst Du die Welt so vorfinden, wenn Du wiederkommst? In diesem Zustand?

Willst Du Dir diese Christenheit wirklich anschauen, die zusammen Kirchentag feiern will und nicht einmal in der Lage ist, gemeinsam zu Deinem Gedächtnis das Brot miteinander zu brechen? Willst Du es Dir wirklich antun, diese Vertreter von Kirche zu erleben? Einer Kirche, die mehr vom Scheinheiligsein als vom Heiligenschein geprägt ist. In der man immer noch meint, dass allein schon rückhaltlose Aufklärung dessen, was in der Vergangenheit passiert ist, irgend etwas in der Gegenwart verändern würde, wo doch nur wirkliche Reform und Erneuerung neues Vertrauen und Glaubwürdigkeit schaffen. In der man wortreich begründet, warum rein kirchliche Vorschriften, wie etwa der Zölibat, unbedingt bleiben müssen, während die sakramentale Struktur von Kirche durch die fehlenden Priester immer mehr verloren geht.

Willst Du es wirklich erleben?

Willst Du wirklich Gemeinden erleben, die an der Wand einschlafen und nicht begreifen, was die Stunde geschlagen hat? Die sich erheben müssten, wie ein Mann oder eine Frau und für Ihr Überleben als Gemeinde am Ort kämpfen müssten, die aber nur dasitzen und wie unbeteiligt zusehen, wie es nur noch um die Sicherstellung flächendeckender Sakramentenspendung geht.

Zu was sind wir verkommen nach 2000 Jahren Christentum? Zu kulturellen Einrichtungen mit viel beachteten Kunstwerken, großartiger Musik und einem Erbe, das man sich gerne wie ein Bild übers Sofa hängt, das aber ansonsten kaum noch eine Bedeutung für das Handeln der Menschen und ihre Ausrichtung und Ziele hat?

Was haben wir erreicht in diesen 2000 Jahren? Wie sieht dieses sogenannte christliche Abendland aus?

Was haben wir verstanden von der Botschaft, dass erfolgreich dann gewirtschaftet wurde, wenn alle versorgt sind? Warum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der einzige Satz den unser Wirtschaften von der Bibel verstanden hat, der ist, dass dem, der hat, gegeben wird und dem, der nichts hat auch noch das genommen wird, was er hat. Früher sprach man von Kriegsgewinnlern. Es sind im Grunde die gleichen Typen, die auch heute noch aus jeder Krise ihren Gewinn ziehen, die Gewinne machen, wenn es aufwärts geht, und noch mehr, wenn die Tendenz nach unten zeigt, die selbst noch davon profitieren, wenn Menschen das Ersparte für die Altersversorgung flöten geht.

Willst Du es Dir wirklich antun, eine Politik zu erleben, deren Vertreter sogar behaupten in Dir und Deiner Botschaft ihre Wurzeln zu haben, aber immer noch so tun als sei Kriege zu führen die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, die uns weismachen möchten, dass man mit der Waffe in der Hand aufbauen und als Besatzungsmacht Frieden schaffen könne. Willst Du erleben, wie man Menschen für dumm verkauft? Als die Sowjetunion in Afghanistan eingefallen ist, hat man uns Bilder von Mudschahidin, von Freiheitskämpfern gezeigt. Heute nennt man genau die gleichen Menschen Terroristen und bildet sich ein, wir würden es nicht merken, dass entweder das eine oder das andere einfach nicht stimmen kann.

Soll das jetzt der Zustand sein in dem wir Dir diese Welt, die Du uns anvertraut hast, wieder übergeben sollen? Will ich wirklich darum bitten, dass Du jetzt kommst?

Aber warum sollte ich es nicht tun. Warum sollte ich Dich aus der Verantwortung entlassen? Hattest Du nicht zugesagt, dass Du in unserer Mitte sein wirst, wo zwei oder drei in Deinem Namen versammelt sind? Hast Du nicht zugesagt, dass Du uns Deinen Beistand senden wirst, um uns nicht im Stich zu lassen? Willst Du einfach zusehen, wie sich alles immer weiter von Dir weg entwickelt?

Nein, ich will darum bitten: Komm, Herr Jesus! Mach endlich wahr damit, dass die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Niedrigen erhöht werden, schau auf die Niedrigkeit Deiner Mägde und Knechte und nimm die Zügel endlich in die Hand. Wirf sie wieder hinaus, die Geldwechsler und Händler, die Dein Haus zu einer Räuberhöhle machen und öffne uns den Blick für "den Menschen", für den Du Dein Leben gelassen hast.

Komm, Herr Jesus, zeige uns nicht nur den Weg, führe uns den Weg und lass uns Deine Stimme hören. Lass Dein Wort kraftvoll in dieser Welt erschallen. Und lass nicht zu, dass Machtbesoffenheit, dass Falschheit und Trug, Geiz und Gier immer größere Kreise ziehn. Zerschlage alle Bigotterie und falsche Frömmigkeit und nenne das Unrecht Unrecht und die Ungerechtigkeit Ungerechtigkeit.

Komm, Herr Jesus, und pack es an - oder gib mir wenigstens die Kraft dazu.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 15./16. Mai 2010
in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)