Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


11. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Ez 17,22-24)

So spricht Gott, der Herr: Ich selbst nehme ein Stück vom hohen Wipfel der Zeder und pflanze es ein. Einen zarten Zweig aus den obersten Ästen breche ich ab, ich pflanze ihn auf einen hoch aufragenden Berg. Auf die Höhe von Israels Bergland pflanze ich ihn. Dort treibt er dann Zweige, er trägt Früchte und wird zur prächtigen Zeder. Allerlei Vögel wohnen darin; alles, was Flügel hat, wohnt im Schatten ihrer Zweige. Dann werden alle Bäume auf den Feldern erkennen, dass ich der Herr bin. Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen mache ich hoch. Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten erblühen. Ich, der Herr, habe gesprochen, und ich führe es aus. (Ez 17,22-24)

Das mit dem Aufbrechen, das ist so eine Sache.

Wenn man im Urlaub ist und wieder aufbrechen muss, weil es zurück nach Hause geht und die schöne Zeit vorüber ist, dann ist der Ruf zum Aufbruch nicht immer ein freudiges Ereignis.

Wenn es morgens los geht, ich es gar nicht mehr recht erwarten kann und ein toller Weg mit der Aussicht auf ein großartiges Ziel bevorsteht, dann fällt der Aufbruch nicht nur leicht, er wird dann oft sogar geradezu herbeigesehnt.

Wenn man mit dem Tross aber vor einem gähnenden Abgrund angelangt ist, man gerade noch rechtzeitig zu halten wusste, bevor es Hunderte von Metern senkrecht in die Tiefe geht, hinten aber schon wieder zum Aufbruch gerufen wird und die letzten zu schieben beginnen, ein solcher Aufbruch im Angesicht des Abgrundes hat dann schon etwas von einem Albtraum.

Liebe Schwestern und Brüder,

durchaus verständlich also, wenn man den unterschiedlichen Aufrufen zum Aufbruch erst mal reserviert gegenübersteht und vorsichtig abklopft wohin es da denn wirklich gehen soll und was nicht nur am Ziel sondern oft ja auch schon auf dem Weg alles für Gefahren lauern.

Wer will es unseren Gemeinden etwa verdenken, dass da keine rechte Begeisterung aufkommen mag, wenn es darum geht die nächsten Schritte auf dem Weg zu all den Umstrukturierungen des Jahres 2015 gehen zu sollen. Wer marschiert auch schon gerne, wenn sich vor einem die Abgründe auftun.

Und wie mutig sollen unsere Kommunen die vor ihnen liegenden Aufgaben angehen, angesichts der drohenden Entwicklungen auf dem Finanzsektor. Ein Aufbruch bei leeren Kassen löst meist keine Jubelstimmung aus.

Und unsere Jugendlichen, die, die jetzt ihren Schulabschluss machen? In welche Zukunft brechen sie wohl auf? Ich gebe zu, ich beneide sie nicht wirklich.

Die Zeichen am Horizont stehen viel eher auf Sturm als dass sie auf eitel Sonnenschein schließen lassen. Und wenn der Himmel so wolkenverhangen ist, dann will man das mit dem Aufbrechen doch wohl schon eher verschieben. Bleibt man da nicht am besten dort, wo man gerade ist?

Der Himmel war nicht nur wolkenverhangen, damals war das Unwetter schon längst angebrochen, man war schon mittendrin, damals, als der Prophet Ezechiel seine Verheißungen zum Besten gab. Israel war von den Feinden eingenommen, Jerusalem samt dem Tempel zerstört und ein guter Teil der Bevölkerung in die Verbannung verschleppt. Selbst wenn man hätte aufbrechen wollen, man hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit dazu.

Die Verheißungen des Ezechiel, die klangen da wie Faust auf Auge. Wenn jemand mitten im Unglück das Glück in den frohesten Farben schildert, dann tut das weh, und es tut gerade dann sogar doppelt weh.

Aber Ezechiel ließ nicht locker. Er trat mit jener Überzeugung auf, die nur einer haben kann, der offenbar genau weiß, wovon er spricht. Ezechiel verkündete, dass Gott einen Baum pflanzen werde, einen, der auf einem hohen Berg von allen Seiten zu sehen sei. Er verkündete, dass Gott selbst einen neuen Anfang machen werde und dass er nicht nur zum Aufbruch rufen, dass er selbst diesen neuen Aufbruch ermöglichen werde. Und er verkündete es immer wieder.

Israel durfte erleben, dass Ezechiels Verheißungen keine leeren Sprüche waren. Es gab den neuen Aufbruch wirklich und Gott führte das Volk heim in sein Land.

Auch wenn die Worte Ezechiels heute bisweilen nicht weniger unwirklich klingen, als zu seiner Zeit, wir dürfen darauf vertrauen, dass die Schrift auch heute genau weiß, wovon sie spricht. Denn ihre Verheißungen sind auch heute kein leeres Gerede.

Gott pflanzt einen neuen Baum, unübersehbar auf einem hohen Berg. Was bisher als groß galt, wird dagegen klein aussehen, was man bisher als wichtig erachtete, wird verblassen und jeder wird sehen, dass ein neuer Aufbruch lohnt.

Das gibt dann keinen Aufbruch im Zusammenbruch, das wird ein wirklicher Aufbruch sein, einer, der die Zeichen der Zeit ernst nimmt, wirkliche Antworten gibt und die eigentlichen Probleme in Angriff nimmt, einer, der uns nicht auf der Stelle treten lässt, sondern wirklich zu neuen Ufern führt.

Wir dürfen darauf warten. Gott selbst wird es richten. Und ich will weiter ganz fest darauf vertrauen, denn Gottes Verheißung ist wahr und sie täuscht uns nicht.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 16./17. Juni 2012 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)