Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Ein Stück vom Himmel ...

Samstag, 25. April 2020

Als Seelsorgerin erfahre ich viele persönliche Geschichten. Mir wird in seelsorgerlicher Begleitung oder in Trauergesprächen vieles anvertraut. Manche Schicksale hauen mich fast um. Manchmal denke ich, angesichts dessen, was Menschen verkraften müssen, fast den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Die Verarbeitung dieser Erfahrungen birgt die Gefahr in sich, Leid und Schicksalsschläge zu relativieren.

Gotisches Fenster

Wann kommt er wieder,
der Blick auf ein Stück vom Himmel?

Foto: Sophie-Catherine Schneider

Ist der tragische Tod eines Angehörigen schlimmer als eine Trennung, Arbeitslosigkeit schlimmer als die verpatzte Prüfung?

Gibt es eine Messskala der Leiderfahrung?

Die gibt es sicher. Im Laufe des Lebens kommt es oft dicker. Und die Dinge, die uns vorher schon aus der Bahn geworfen haben, waren gering gegen das, was noch kommt.

Nur, weil es noch schlimmer kommen könnte, ist es in dem Moment, in dem etwas geschieht, was uns in Trauer versetzt, nicht weniger traurig, .

Ich muss an das Lied von Hebert Grönemeyer denken:

"Es sind Geschichten,
Sie einen diese Welt.
Nöte, Legenden, Schicksale, Leben und Tod,
Glückliche Enden, Lust und Trost.
Ein Stück vom Himmel, der Platz von Gott…"

Wenn ich jetzt an die Kommunionkinder denke und mich selbst in die Zeit hineinversetze, als ich neun Jahre alt war, dann weiß ich, es ist sehr, sehr traurig, sich auf ein Fest gefreut zu haben, sich viele Monate vorbereitet zu haben und nun ist alles aufgeschoben.

Wenn ich an die Menschen in meiner Familie, in meinem Freundeskreis denke, die in diesem Jahr runde Geburtstage feiern und bei denen die Feste, die schon lange geplant sind, abgesagt werden müssen, tut das weh.

Auch all die Feiern, die noch dazu länderübergreifend geplant waren, Geburtstage und Hochzeiten, werden nicht zugelassen. Familien können nicht zueinander reisen.

Ich denke an die, die jetzt ihre Prüfungen gemacht haben, den Bachelor oder das Examen bestanden haben. Die Freude über das Bestehen ist getrübt durch die Tatsache, sich danach nicht bei einer Reise, von der man geträumt hat, von den Strapazen erholen zu dürfen.

Und dann ist da noch die Liebe! Haben Sie mal die Bilder vom Zaun am Bodensee, an der Schweizer Grenze gesehen? Wie fühlt es sich an, frisch verliebt und aufgrund von Corona getrennt zu sein?

"Einen" diese Geschichten die Welt, so wie Herbert Grönemeyer es singt? Ja, sie tun es - meines Erachtens - insofern, dass beim Lesen sicher jede und jeder von ihnen eine eigene Geschichte zu erzählen hat.

Es eint uns, dass wohl jede Familie etwas beizutragen hat zu der Geschichte von ausgefallenen Ereignissen, die einen mit großer Vorfreude erfüllt haben.

Wichtig dabei erscheint mir: All diese zerplatzten Träume vom Glück sind tragisch. Egal wie schlimm oder weniger schlimm die einzelnen Dinge von außen betrachtet sein mögen, der Schmerz im Inneren ist groß und existent.

In solchen Momenten wünschen wir uns, dass der Himmel sich wieder ein Stück öffnet, dass sich wieder freudige Ereignisse anbahnen, dass ein Stück vom Himmel erscheint.

Marieluise Gallinat-Schneider"

Und ich sah einen Neuen Himmel [...] Gott hat sein Zelt aufgeschlagen unter den Menschen. Und er wird mit ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst ist bei ihnen und wird abtrocknen die Tränen in ihren Augen, und Tod wird nicht mehr sein und auch kein Weinen, keine Trauer, keine Mühsal mehr: denn die alte Zeit ist vergangen.

Offenbarung des Johannes 21,1. 3b-4
(Übertragung von Walter Jens)