Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Virtuelle Kirche

Freitag, 17. April 2020

"Die heutigen Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten zum weiteren Vorgehen gegen die Corona-Pandemie haben wir zur Kenntnis genommen. Wir sind den politisch Verantwortlichen dankbar für ihren Einsatz.

Die Ostertage haben gezeigt: Gottesdienste geben vielen Millionen Menschen Orientierung und Halt unter den schwierigen Lebensbedingungen der Krise. Mit Enttäuschung nehme ich allerdings zur Kenntnis, dass das Verbot von öffentlichen Gottesdiensten aller Religionsgemeinschaften derzeit erhalten bleiben soll. Angesichts von ersten Lockerungsmaßnahmen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens kann ich das nicht nachvollziehen, erst recht nicht nach der sehr deutlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vergangenen Woche zu den schwerwiegenden Eingriffen in die Religionsfreiheit. Als katholische Kirche werden wir in das für kommenden Freitag im Bundesministerium des Innern geplante Gespräch einen Lösungsvorschlag einbringen, wie wir Religionsausübung und Infektionsschutz gleichermaßen gewährleisten können. Für die katholische Kirche kann ich sagen, dass wir uns selbstverständlich an die für alle Versammlungen in geschlossenen Räumen geltenden Kriterien und Bestimmungen gebunden wissen und die Einhaltung von Abstandserfordernissen kontrollieren werden.

Wir haben das Verbot von Versammlungen zur Religionsausübung bisher hingenommen, weil wir dieses Verbot vorübergehend für angemessen hielten und damit unseren möglichen Beitrag zur Eindämmung der Corona-Virus-Pandemie leisten wollten. Das Verbot öffentlicher gemeinsamer Gottesdienste greift allerdings tief in das Recht der freien Religionsausübung ein und war insbesondere während der Kar- und Ostergottesdienste für viele Gläubige nur schwer zu ertragen." ⋅1⋅

Soweit die Presseerklärung von Bischof Georg Bätzing, dem Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, vom 15. April.

Ich zitiere sie hier komplett, weil Sie - meines Erachtens - kaum Wiederhall in den Medien gefunden hat. Dass die Kirchen weiter geschlossen bleiben sollen, wurde öfters erwähnt. Von Reaktionen habe ich kaum etwas gehört. Gestern Abend im ARD-Extra wurde ein Münchner Pfarrer interviewt. Stellungnahmen von Bischöfen habe ich keine mitbekommen. Mir ist bisher noch in keiner Talk-Show und keiner der unzähligen Sondersendungen auch nur ein hochrangiger Kirchenvertreter begegnet. Werden sie nicht eingeladen? Sind sie zu keinen Stellungnahmen bereit?

Die Evangelische Landeskirche Baden informiert die Gläubigen darüber, dass

"vorerst bis zum 15. Juni 2020 keine Zusammenkünfte in Kirchen bzw. kirchlichen Räumen mehr stattfinden. Dies ist auch für uns bindend. Gottesdienste, in denen Menschen in geschlossenen Räumen oder im Freien zusammenkommen, können nicht mehr stattfinden." ⋅2⋅

Darüber wird einfach informiert. Und das Datum, an dem die Verordnung der Landesregierung von selbst außer Kraft tritt, wird schon fast schicksalsergeben übernommen.

In den letzten Wochen wurde oft über die Kreativität berichtet, mit der Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort versucht haben, ein irgendwie geartetes kirchliches Betreuungsangebot aufrecht zu erhalten. Wenn man mit derselben Kreativität an Schutzkonzepte und Hygienemaßnahmen heranginge, müsste es in den meist riesigen Kirchenräumen doch möglich sein, auch in Zeiten einer Epidemie Gottesdienste zu feiern. Ich kenne kaum eine Kirche, in der selbst in "normalen Zeiten" nicht Platz zum Liegen wäre. Abstände einzuhalten sollte das kleinste Problem sein.

Heute sollen die Gespräche der Landesregierungen mit den Kirchen starten. Ich wünsche unseren Bischöfen und Kirchenvertretern Geschick und Überzeugungskraft.

Virtuelle Angebote sind auf Dauer keine Lösung. Sie sind es nicht einmal für den Moment. Der Duden listet zwei Bedeutungen des Wortes "virtuell" auf:

"a. entsprechend seiner Anlage als Möglichkeit vorhanden, die Möglichkeit zu etwas in sich begreifend" ⋅3⋅

und

"b. nicht echt, nicht in Wirklichkeit vorhanden, aber echt erscheinend". ⋅4⋅

Wenn es so weitergeht, wird auch unsere Kirche über kurz oder lang sehr virtuell sein: nur noch echt erscheinend, aber nicht echt, nicht mehr in Wirklichkeit vorhanden ...

Jörg Sieger

... durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die glaubten, waren an demselben Ort und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens. Sie lobten Gott und fanden Gunst beim ganzen Volk. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten.

Apostelgeschichte 2,43b-47

Anmerkungen

1 Bischof Dr. Georg Bätzing zu den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung = https://www.dbk.de/nc/presse/aktuel­les/meldung/bischof-dr-georg-baetzing-zu-den-corona-massnahmen-der-bundesregierung/detail/ (abgerufen am 17. April 2020). Zur Anmerkung Button

2 Informationen zum Coronavirus die evangelische Landeskirche in Baden antwortet auf die wichtigsten Fragen (stand: 16.04.2020) = https://www.ekiba.de/html/media/dl.html?i=239296 (abgerufen am 17. April 2020). Zur Anmerkung Button

3 Duden, Stichwort: virtuell = https://www.duden.de/rechtschrei­bung/virtuell (abgerufen am 17. April 2020). Zur Anmerkung Button

4 Duden, Stichwort: virtuell = https://www.duden.de/rechtschrei­bung/virtuell (abgerufen am 17. April 2020). Zur Anmerkung Button