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Tagebuch des Amos-Prozesses

Weiter-Button Zurück-Button Solidarität mit Gewaltüberlebenden – Workshop

27. Juli 2009 - 12:56 Uhr

Impressionen Workshop Solidarität mit Gewaltüberlebenden

In diesem Workshop haben wir uns zunächst einige Mythen rund um Gewalt angeschaut, die der Beschuldigung der Opfer dienen. Zugleich sollen die Mythen helfen, einen großen Abstand zwischen sich selbst und die Gefahr zu legen, selber Opfer von Gewalt werden zu können. Mythen dienen der eigenen inneren Sicherheit, aber sie isolieren Menschen, die im Nahbereich Gewalt erleben.

Wir haben auch einige langfristige Folgen von Gewalt kennengelernt, mit denen Menschen, die Opfer von Menschengewalt wurden, zu kämpfen haben. Zu den gravierendsten Folgen gehören tiefes Misstrauen und Angst vor Nähe. Die Menschen haben erlebt, dass das soziale Netz durch das Trauma der Gewalt ausgeschaltet wurde. Es gab keine Hilfe, oft über Jahre hinweg nicht. Damit haben diese Kinder und Jugendlichen das Gefühl von Kontrolle, Zugehörigkeit zu Menschen und nicht selten auch das Vertrauen zu einem guten Gott verloren.

Um die Zugehörigkeit zu den Menschen (und vielleicht auch zu Gott) wieder aufbauen zu können, braucht es andere Menschen, die solidarisch mit Gewaltopfern sind, die ihnen zuhören, ihnen Glauben schenken und sie in den oft schweren Phasen der Gewaltfolgen solidarisch begleiten.

Nun tragen Gewaltopfer (ebenso wenig wie Täter) ja kein Etikett auf der Stirn, das sie als Opfer kenntlich machen könnte. Und die meisten Menschen denken zunächst: Ich kenne doch gar keine Opfer von Gewalt im Nahbereich. D. i. vermutlich eine Täuschung. Zuverlässige Untersuchungen haben gezeigt, dass 40 % der Frauen zw. 16 und 85 Jahren Gewalt erlebt haben. Hinzu kommt, dass jeder 10. Junge und jedes 7. Mädchen von 0-14 Jahren sexuelle Gewalt erlebt. Die Opfer leben mitten unter uns. Sie sind die Nachbarin, die Tante, die Banknachbarin im Gottesdienst, die Mutter des Kindergartenkindes, die Theologin, der Schüler, die Altenpflegerin... Wir kennen sie also, nur wissen wir meistens nicht um ihre Lebensgeschichte.

Als uns dies klarer wurde, kam bedrückende Ratlosigkeit auf. Was können wir tun? Können wir überhaupt etwas tun?

Ja. Wir können als Einzelne und als christliche Gemeinde Gewaltüberlebenden eine große Hilfe sein. Bereits seit 6 Jahren trifft sich in der Pfarrei St. Peter eine Gruppe Gewaltüberlebender, die von Marieluise als Seelsorgerin begleitet wird. Pfr. Dr. Sieger steht schon lange als Seelsorger für Gewaltopfer zur Verfügung. Darüber hinaus kann jede und jeder von uns sich über Gewalt und Gewaltfolgen informieren. Dann wird es möglich, anderen Menschen zu signalisieren: Ja, wir wissen, dass mitten unter uns Gewalt stattfindet und Betroffene leben. Wir haben ein offenes Ohr für sie. Wir wissen, wie wichtig es ist, das Schweigen zu brechen.

Im Gottesdienst am Samstagabend war es möglich, um Unterschriften unter einen Brief an den Vorsitzenden der DBK zu bitten. Der Brief protestiert gegen das Papstschreiben zum "Jahr des Priesters". Dort werden Opfer pädophiler Priester subtil diskriminiert und es wird der Versuch gemacht, Christen, die der Kirche "am hilfreichsten" sein wollen, davon abzuhalten, Verbrechen aufzudecken. Gegen diesen Versuch der Entsolidarisierung mit Gewaltopfern muss protestieren, wer wie Amos zu seiner Zeit weiß, dass Gott auch heute auf der Seite derer steht, die unter die Räuber gefallen sind. Dass sich so viele Menschen mit ihrer Unterschrift an diesem Protest beteiligt haben, ist außergewöhnlich – und es ist Grund zur Dankbarkeit und zur Hoffnung.

(Erika Kerstner)

P.S.: Wer mehr wissen will über Gewalt im Nahbereich und was ChristInnen tun können, lese hier nach: "gottes-suche.de"

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