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Weiter-ButtonZurück-Button Poetische Ausdrucksformen

Wenn wir auf die poetischen Ausdrucksformen schauen, die in diesen Texten Verwendung finden, dann fällt sofort auf, dass kaum Endreime benutzt werden. Den Endreim kannten die Hebräer fast nicht. Das hängt mit der Eigenart der hebräischen Sprache zusammen.

Sie benutzten dafür eine Fülle anderer Ausdrucksformen.

1. Die Alliteration

Zunächst ist hier die Alliteration zu nennen. Hierbei handelt es sich um Wortfolgen, die alle mit dem gleichen Anfangsbuchstaben beginnen.

Das ist etwas, was in der deutschen Übersetzung natürlich kaum wiederzugeben ist.

2. Die Assonanz

Eine weitere Form wäre die Assonanz. Dabei handelt es sich um Worte, deren Vokalfolgen gleich sind.

Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Wortfolge תֺהוּ וָבֺיוּ ["tohu wabohu"] aus Gen 1,2. Manchmal versucht man diese Assonanz im Deutschen durch die Übersetzung "Irrsal und Wirrsal" nachzuahmen. Die Übersetzung "wüst und leer" bleibt dagegen relativ blass und macht bereits deutlich, dass solche Assonanzen nur ganz selten im Deutschen wiederzugeben sind.

3. Die Paronomasie

Etwas, was im Deutschen bei der Übersetzung des hebräischen Textes auch nur selten zum Ausdruck gebracht werden kann, ist die Paronomasie. Hierbei handelt es sich um ein Wortspiel, bei dem ähnlich lautende Wörter mit verschiedenem Sinn zusammengestellt werden. Viele, für uns unverständlich wirkende Bildworte im Alten Testament gehen auf solche Wortspiele zurück.

Ein Beispiel hierfür ist etwa Gen 2,23b:

"Frau soll sie heißen, denn vom Mann ist sie genommen." (Gen 2,23b.)

Für den Hebräer klingt dieser eigenartige Satz ganz einleuchtend. Es heißt dort:

לְזֹאת יִקָּרֵא אִשָּׁ֔ה כִּי מֵאִישׁ לֻֽקֳחָה־זֹּֽאת׃ ["lezot jiqare ischah, ki meisch luqachah zot"]. (Gen 2,23b)

Hier liegt also ein Wortspiel zwischen אִישׁ ["isch"] und אִשָׁה ["ischah"] vor. Manchmal liest man den beinahe schon verzweifelten Versuch dies im Deutschen nachzuahmen. Es heißt dann in der Übersetzung:

"Diese soll Männin heißen, weil sie vom Mann genommen ist." (Gen 2,23b.)

Andererseits haben wir auch im Deutschen Beispiele für solche Paronomasien. Berühmt ist etwa eine Stelle aus Schillers "Wallensteins Lager":

"Der Rheinstrom ist worden zu einem Peinstrom,
Die Klöster sind ausgenommene Nester,
Die Bistümer sind verwandelt in Wüstümer..." ⋅1⋅

4. Das alphabetische Akrostichon

Wichtig ist auch die Form des sogenannten alphabetischen Akrostichons. Sie lebt von der Beziehung der Versanfänge zu den Buchstaben des Alphabetes.

  • Ein Akrostichon liegt dann vor, wenn zum Beispiel die ersten Buchstaben der jeweiligen Versanfänge das Alphabet ergeben. Jeder Vers beginnt dann also mit einem anderen Buchstaben des Alphabetes;
    z. B. Ps 25; 34; 145; Sir 51,15-30; Spr 31,10-31; Klgl 1; 2⋅2⋅
  • Bei einer anderen Form des Akrostichons beginnt jeder zweite Vers mit dem jeweils nächsten Buchstaben des Alphabetes.
    z. B. Ps 9; 10; 37.
  • Es ist auch möglich, dass jeder Buchstabe in der Reihenfolge des Alphabetes an mehreren Versanfängen hintereinander steht, dass also drei Verse mit א ["Aleph"], drei Verse mit ב ["Beth"] und so weiter, beginnen
    z. B. dreimal in Klgl 3; achtmal in Ps 119.

Auch diese Form der Poesie lässt sich im Deutschen kaum wiedergeben.

5. Die Frage nach Strophe und Metrum in der hebräischen Poesie

Der Hebräer kennt im übrigen keine feste Strophik. Die Wortgruppen werden bei ihm zumeist nach Sinneinheiten gruppiert.

Auch ist umstritten, ob die israelitischen Dichter die Metrik kannten. Untersuchungen auf diesem Gebiet sind äußerst kompliziert. Es ist kaum bekannt, wie das Hebräische zu welcher Zeit genau ausgesprochen wurde. Darüber hinaus wurde das Althebräische später aramäisch vokalisiert, so dass ein Rückgriff auf die ursprüngliche Aussprache kaum möglich ist.

Flavius Josephus schreibt allerdings, dass auch die Hebräer Hexameter und Pentameter kannten. Er meint hier aber wohl lediglich Analogien dazu.

Der Hebräer hat wahrscheinlich nur die Hebungen gezählt. Die Senkungen können dann mehre Silben ausmachen. Dies ergibt dann ein sogenanntes akzentuierendes Metrum. Wortakzent und Hebung sind dabei eins.

Aber dieses Gebiet ist noch nahezu unerforscht.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager, vgl. "Das Moderne Lexikon" Bd. XIV, 169. Zur Anmerkung Button

2 In Ps 111 und 112 ergeben die Buchstaben der Halbversanfänge das Alphabet. Zur Anmerkung Button