Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die jahwistisch/elohistische Bearbeitungsschicht bzw. Redaktion (JE.)

Wenn wir davon ausgehen, dass das Werk des Jahwisten und des Elohisten in der Folge zu einem einzigen großen Geschichtswerk zusammengefasst wurden. Dann müssen wir nun als nächstes dieses Werk als ein Ganzes betrachten.

Ändert sich etwas an der generellen Aussage dieses Geschichtswerkes, dadurch, dass nun beide Quellenschichten zusammengefasst worden waren? Und wie müssen wir den Beitrag des Redaktors JE bezeichnen?

Das führt uns zunächst zur Frage nach der Herkunft dieses Redaktors.

1. Name, Herkunft und vorläufige Einschätzung des Redaktors JE

Wir können heute noch feststellen, dass J und E zu einem großen Geschichtswerk vereinigt wurden, in dem J meist die Grundlage der Redaktion bildet. ⋅1⋅

Dies ist schon einmal ein wichtiges Indiz für seine Herkunft. Der Umstand, dass das jahwistische Werk als Hauptquelle diente, lässt uns den Redaktor JE schon einmal im Südreich suchen.

Auch fällt auf, dass - vor allem im Material, das der Redaktor selbst hinzufügt - sein spezielles Interesse auf den Süden gerichtet zu sein scheint. Die ausführliche Schilderung

  • der Abstammung und des Schicksals der Keniter (Gen 4,2. 16ff)
  • und des Schicksals Jafets, des Stammvaters der Philister (Gen 9,20-29)

sind hier aufschlussreiche Beispiele.

Gerade der letztgenannte Umstand weist aber auch schon daraufhin, dass der Redaktor JE auch eigenständig Material zugefügt hat, möglicherweise auch in den überkommenen Textbestand eingriff.

Er ist also nicht nur als jemand zu denken, der Sätze umstellte und einordnete, sondern muss selbst wohl ebenfalls als schöpferischer Verfasser angesehen werden. Anders wäre der geschlossene Duktus, den das jahwistisch/elohistische Werk aufweist, nicht zu erklären.

Vielleicht kann man abschließend sagen, dass wir es beim Redaktor JE wohl mit einem in Jerusalem lebenden Judäer zu tun haben.

2. Umfang des jahwistisch/elohistischen Werkes

Schauen wir zunächst noch einmal hin, welches Material nun durch die Zusammenstellung des jahwistischen und elohistischen Werkes, sowie die Hinzufügungen des Redaktors in diesem neu entstandenen Geschichtswerk vereinigt wurde.

  • Das jahwistisch/elohistische Werk setzt mit der Erschaffung des Menschen ein (Gen 2,4b-25), und schildert nun auch die Erschaffung der Frau,
  • es bietet dann eine erweiterte Urgeschichte, mit den neu aufgenommenen Berichten
    • von der Ermordung des Abel durch Kain,
    • vom Turmbau zu Babel,
    • und vom Frevel Chams,
  • dann folgt eine ebenso umfassendere Vätergeschichte,
  • gefolgt von der erst durch den Redaktor JE voll entfalteten Josefserzählung.
  • Auch die Sammlung alter Sprüche über die 12 Stämme Israels, also der sogenannte Jakobssegen (Gen 49), scheint jetzt erst durch den Redaktor JE angefügt worden zu sein.
  • Der Redaktor JE berichtet dann
    • von der Einbalsamierung Josefs in Ägypten (Gen 50,26),
    • der Mitnahme seiner Gebeine beim Exodus (Ex 13,15)
    • und ihrer Beisetzung in Sichem (Jos 24,32)
  • Er erzählt ausführlich von den (nun auf 10 erweiterten) ägyptischen Plagen (Ex 7,1-11,10),
  • der Rettung Israels am Schilfmeer (Ex 14),
  • vom Wüstenzug und der Landnahme (Jos, Ri 1),
  • und vom Sinaigeschehen, das ausdrücklich als eine בְּרִית ["berit"] Jahwes mit Mose und Israel verstanden wird. In diesem Zusammenhang nimmt er das Privilegrecht Jahwes als "Bundes"-Charta neu in den Text auf (Ex 34,10-27, bes. 34,10b. 11. 27).

3. Der Abfall des Volkes am Sinai und seine Folgen in der Sicht des Redaktors JE

Wir gingen bei der Betrachtung des elohistischen Werkes ja davon aus, dass der Elohist bereits den Abfall des Volkes von Jahwe geschildert hat (Ex 32* E?). Dem Redaktor JE lag also demnach dieser Bericht vom Abfall bereits vor.

Wenn das so stimmt, dann ist recht interessant, dass der Redaktor JE das nicht einfach so stehen lässt. Er fügt hinter den elohistischen Bericht von der Verehrung des goldenen Jungstieres nämlich eine neue, bisher anscheinend noch nicht im Textverlauf vorhandene Einheit an.

a. Die Einfügung des "Privilegrecht Jahwes"

Es handelt sich hierbei um die Texteinheit Ex 34,11-27, die man auch mit den Worten "Privilegrecht Jahwes" oder "kultischer Dekalog" ⋅2⋅ bezeichnet.

Dieser Text baut auf den Geboten der ersten Tafel des eigentlichen Dekaloges auf. So heißt es beispielsweise in Ex 34,14:

"... du darfst keinen anderen Gott anbeten; 'Eifersüchtiger' ist ja der Name Jahwes, und ein eifersüchtiger Gott ist er." (Ex 34,14.)

Es geht also ganz stark um eine Ausfaltung der ersten Gebote des Dekalogs in Ex 20.

b. Die Position des jahwistischen Bundesschlussberichtes

Diesem Text stellt er nun den Bericht vom Bundesschluss mit dem Volk voran, so wie er ihn in seiner jahwistischen Quelle vorfand. Ex 34,10 heißt es also:

"Er (Jahwe) antwortete: "Ich will einen Bund mit dir schließen: Vor deinem ganzen Volk will ich Wundertaten vollbringen, wie sie auf der ganzen Erde und unter allen Völkern nicht geschehen sind,..."" (Ex 34,10a J.)

Dadurch ergibt sich nun aber eine hochinteressante Komposition, die den Sinn der einzelnen Texte nicht unwesentlich verändert. Der Redaktor JE beginnt seinen Bericht vom Bund am Sinai mit dem elohistischen Text. Dieser führt zum Abfall des Volkes von Jahwe in der Verehrung des Jungstieres.

Jetzt aber, also ausdrücklich nach der Schilderung vom Abfall des Volkes, fügt er den jahwistischen Bundesschlussbericht an und erweitert ihn um den sogenannten "kultischen Dekalog" bzw. das "Privilegrecht Jahwes".

c. Der Sinnzusammenhang der dadurch entstandenen Komposition

Wenn man den Text heute liest, dann kann man also den Eindruck gewinnen, als hätte Jahwe nach dem Abfall des Volkes seinen Bund noch einmal erneuert. Und diese Bundeserneuerung, die im jahwistischen Textzusammenhang ja eine reine Selbstverpflichtung Jahwes gewesen ist, bekommt durch die Aufnahme des "Privilegrechts Jahwes" den Charakter eines regelrechten Bundes mit beiderseitiger Bundesverpflichtung.

Durch diese Komposition macht der Redaktor JE also deutlich, dass der Bund zwischen Gott und seinem Volk durch die Verfehlung des Volkes nicht aufgehoben ist. Jahwe entlässt sein schwachgewordenes Volk nicht ohne Hoffnung in Richtung Kanaan, sondern - entgegen der Überlieferung des Elohisten (in Ex 32,30-34) - versehen mit einer förmlichen בְּרִית ["berit"], die der Redaktor JE auf der Grundlage des jahwistischen Bundesschlusses entfaltet. ⋅3⋅

Jahwe gewährt seinem Volk also eine neue Chance. Und worin diese Chance besteht, das macht das "Privilegrecht Jahwes" überdeutlich. Die Chance besteht vor allem darin, dass das Volk die Möglichkeit erhält, in dem von Jahwe geschenkten Land die Gemeinschaft mit seinem Gott in der Treue zu ihm zu bewahren.

4. Die zeitliche Einordnung des Redaktors JE

Durch den Redaktor JE wird nun eine Spannung in den Text hineingebracht, die vorher noch nicht in dieser Form existierte.

Auf der einen Seite finden wir nun den Abfall des Volkes von Jahwe in der Verehrung des Jungstieres und die damit angedrohte, wenn auch suspendierte Gottesstrafe (Ex 32). Auf der anderen Seite steht dagegen die Aufrechterhaltung bzw. der Neuabschluss des Bundes, der im Privilegrecht deutlich gemacht wird.

Diese Spannung lässt nun aber einen Rückschluss auf die Zeit der Entstehung der jahwistisch/elohistischen Redaktion zu.

a. Geschichtlicher Hintergrund für die Verfehlung des Volkes und das Gottesgericht

Die Überlieferung des Elohisten über die Verfehlung des Volkes am Gottesberg und die Ankündigung des Gottesgerichtes kann für den Redaktor JE kaum etwas anderes gewesen sein, als die Ankündigung des wirklich eingetretenen Gerichtes über das Nordreich, das schließlich im Jahre 722 v. Chr. von den Assyrern vernichtet wurde.

Für den Redaktor JE war der Abfall des Nordreiches mit Sicherheit ein aktuelles Beispiel für den erneuten Bundesbruch des Volkes und vor allem für die Folgen, die dieses bundesbrüchige Verhalten mit sich bringt.

Damit war klar, dass Jahwe die, die gesündigt haben, bestraft.

b. Ein Beispiel für einen Akt königlichen Gehorsams

Skulptur

Die eherne Schlange am Berg Nebo.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz,
Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Es gab aber nicht nur die Verfehlung im Volk. Es gab genauso das Beispiel des königlichen Gehorsams gegenüber der "Bundes"-Charta. So ein Beispiel finden wir in 2 Kön 18,1-4 geschildert:

"Es geschah im dritten Jahre des Hoschea, des Sohnes Elas, des Königs von Israel, dass Hiskija der Sohn des Ahas, König von Juda wurde. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, als er König wurde, und regierte neunundzwanzig Jahre zu Jerusalem. Seine Mutter hieß Abija, (sie war) die Tochter des Sacharja. Er tat, was recht ist in den Augen Jahwes, ganz wie sein Ahnherr David getan hatte. Er war es, der die Höhen abschaffte, die Malsteine zertrümmerte, die Ascheren umhieb und die eherne Schlange zerschlug, die Mose hatte aufrichten lassen; denn bis zu jener Zeit hatten die Israeliten ihr Rauchopfer dargebracht; man nannte sie Nehuschtan." (2 Kön 18,1-4.) ⋅4⋅

Hier werden also die Maßnahmen genannt, die Hiskija unternommen hatte, um die Jahwe-Verehrung zu sichern.

  • Er schaffte die Kulthöhen ab,
  • zerbrach die Steinmale,
  • zerstörte den Kultpfahl, der für die Göttin Aschera stand,
  • und zerschlug die Kupferschlange.

Gerade die Schlange scheint einmal eine durchaus legitime Möglichkeit der Verehrung gewesen zu sein. In Num 21,4-9 wird sie sogar als heilsgeschichtliches Symbol gewertet und auf Mose zurückgeführt. Auch im oben genannten Text hat sich die Erinnerung daran ja noch erhalten. Im Laufe der Zeit ist sie aber anscheinend eine immer stärkere Konkurrenz zum Jahwe-Kult geworden zu sein. Dies ist sicher der Grund dafür, warum Hiskija sie radikal entfernen ließ.

c. Zusammenhänge zwischen Hiskijas Reform und dem "Privilegrecht Jahwes"

Diese Maßnahmen folgen interessanterweise genau dem, was im Privilegrecht Jahwes (Ex 34,12-26) angeordnet wird. Dort wird beispielsweise genau das Gießen von Göttern aus Metall verboten (Ex 34,17).

Hiskija scheint also dieses alte, vom Redaktor JE in den Text aufgenommene Privilegrecht Jahwes (Ex 34,12-26) exakt befolgt zu haben.

Die Spannung in Ex 34 zwischen Abfall und Gerichtsdrohung auf der einen und dem trotz allem durchgehaltenen Gottesbund auf der anderen Seite wird also erst durch den Redaktor JE und seine Textzusammenstellung hergestellt. Wenn jetzt aber der Inhalt dieses erneuerten Bundes durch die Verwendung des Privilegrechtes quasi als Bundes-Charta genau auf die Reformen Hiskija hinweist, dann könnte dies ein Hinweis dafür sein, dass wir den Redaktor JE in der Zeit Hiskijas (716-687 v. Chr.) zu suchen haben.

d. Weitere Hinweise auf eine Nähe zu Hiskija

Wenn der Redaktor JE aber tatsächlich in die Zeit Hiskijas gehört, dann müsste es in seiner Textzusammenstellung noch weitere Hinweise auf Hiskija und seine Zeit geben.

Klopfen wir den Text, so wie wir ihn oben als jahwistisch/elohistisch bezeichnet haben, daraufhin noch einmal ab. Gibt es weitere Gründe, die eine Datierung in die Zeit Hiskijas nahe legen?

(1) Das Verhältnis zu den Philistern

Es ist auffällig, dass im Werk, das der Redaktor JE hinterlässt das Bild des Stammvaters der Philister, des Jafet, recht positive gezeichnet ist. Diese Darstellung geht sicher auf ihn zurück.

Dies lässt aber wiederum auf ein völlig entspanntes Verhältnis zu den Philistern schließen, ein Zustand, der aber erst um 700 v. Chr. gegeben war.

Der Textzusammenhang im Werk des Redaktors JE lässt sogar auf eine Kooperation zwischen Judäern und Philistern schließen. Dies trifft tatsächlich zur Zeit Hiskijas zu.

(2) Der Turmbau zu Babel

Unter Hiskija wird im übrigen von einem aufständischen babylonischen König ein Bündnisantrag unterbreitet. Babylon suchte zur damaligen Zeit Verbündete gegen das übermächtige Assur. Jesaja kämpfte mit Entschiedenheit dagegen, dass dieser Bündnisantrag von Hiskija angenommen wurde. Der Prophet wertete das Unterfangen, dieses realpolitische Bündnis einzugehen, als Zeichen des Unglaubens und Abfalls von Jahwe.

Es fällt nun auf, dass der Redaktor JE den Bericht vom Turmbau zu Babel neu in den Textzusammenhang aufnimmt. Wenn man seine Redaktion nun in der Zeit des Hiskija festmacht, dann bekommt dieser Umstand eine ganz neue Bedeutungsebene. Eine Stadt wie Babel, die ob ihrer Vermessenheit von Gott derartig gestraft wurde, kann schließlich dann auch kein jahwegerechter politischer Bündnispartner Israels gegen Assur sein. ⋅5⋅

(3) Die Schlange in der Sündenfallerzählung

Ein wichtiger Komplex ist die Zeichnung der Schlange in der Sündenfallerzählung durch den Redaktor JE.

Wir können feststellen, dass die Schilderung der Schlange durch den Redaktor JE ganz eigene Züge annimmt. Es ist ihm anscheinend stark daran gelegen, die Paradiesesschlange nur als ein Tier, als ein Geschöpf Jahwes, und darüber hinaus auch noch als ein ganz und gar verfluchtes Geschöpf, darzustellen (vgl. Gen 3,1. 14).

Schlangen wurden nicht immer so dargestellt. In Num 21,4-9 kann sie - wie wir bereits gesehen haben - schließlich noch als heilsgeschichtliches Symbol gewertet werden. Eine neue Sicht des Schlangensymbols wird in einer Zeit verständlich, in der ein solches Bild offenbar eine Zeitlang im Tempel von Jerusalem abgöttisch verehrt worden ist und von Hiskija im Rahmen einer großen Kultreform zerstört wurde.

All dies macht eine Datierung der Arbeit des Redaktors JE in die Zeit König Hiskijas (716-687 v. Chr.) also durchaus wahrscheinlich.

5. Die Geschichtsschau des jahwistisch/elohistischen Werkes- realistisch und heilsoptimistisch

Was können wir also abschließend über die Theologie des durch den Redaktor JE entstandenen jahwistisch-elohistischen Geschichtswerkes sagen?

Wichtig ist hier, dass der Redaktor JE in seiner Urgeschichte eine kleine Texteinheit neu aufnimmt. Es handelt sich dabei um Gen 3,15, den Kampf der Frau und ihrer Nachkommenschaft gegen die Schlange.

Für diesen Kampf erwartet der Redaktor JE offenbar einen für den bzw. die Menschen günstigen Ausgang.

Gott verflucht nur die Schlange direkt und massiv, den Menschen aber nur indirekt durch die Verfluchung des Ackerbodens als der Lebensgrundlage.

Die Frau erhält beim Redaktor JE zusätzlich den Namen חַוָּה ["chawwah"] [Eva], was als "die Mutter aller Lebendigen" interpretiert wird (Gen 3,20).

Dies scheint den Sieg der Frau und ihrer Nachkommenschaft bereits anzukündigen, und zwar in absehbarer Zeit und nicht erst in der "Endzeit", zumal die Nachkommenschaft der Schlange im entscheidenden zweiten Halbvers (Gen 3,15b) nicht mehr erwähnt wird. Es heißt lediglich:

"Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse." (Gen 3,15.)

a. Heilsoptimismus - Das Halten der Gebote bewahrt im Heil

Das Werk des Redaktors JE ist dementsprechend durchaus von Heilsoptimismus gekennzeichnet. Hierin teilt er die Schau des Jahwisten (vgl. Gen 12,3b).

Der Glaube an den rettenden und bewahrenden Gott realisiert sich in der Sicht des Redaktors JE im Halten der Gottesgebote, in der Orientierung am Privilegrecht Jahwes.

Wenn Israel zu Jahwe steht, sich in ihm festmacht (vgl. Gen 15,6) und an seinen Geboten orientiert, braucht es selbst in aussichtsloser Lage nicht zu verzagen. Jahwe wird mit seinem Volk sein.

Er hat dies bereits gezeigt, als er Josef in dessen Erniedrigung beistand (Gen 39). Und er zeigte es ganz besonders, als er das Volk am Schilfmeer rettete. Dies war in der Sicht des Redaktors JE eine Zeit, in der das Volk sich wirklich in Jahwe festmachte (Ex 14,31). ⋅6⋅

b. Heilsuniversalismus

Neben seinem Heilsoptimismus zeichnet den Redaktor JE aber auch sein Heilsuniversalismus aus.

Wie schon der Jahwist kündet auch der Redaktor JE den anderen Völkern das Heil an, das diesen allerdings auf dem Weg über Abraham, sprich das Volk Israel zukommt (Gen 12,2f J und Je).

c. Der Realismus des Redaktors JE

Die Zeit vor Abraham versteht der Redaktor JE allerdings noch über den Jahwisten hinausgehend als eine Geschichte anwachsenden Unheils. Die immer größer werdende Schuld des Menschen gipfelt in der Hybris von Babel und der daraus resultierenden Zerstreuung (Sprachverwirrung) (Gen 11,1-9).

Der Redaktor JE sieht also ein lawinenartiges Anwachsen der Sünde in der vorabrahamitischen Menschheit, von der sich Abrahams Erwählung durch Jahwe dann um so deutlicher abhebt.

Diese drastische Schilderung des Anwachsens der Schuld des Menschen macht den Realismus des Redaktors JE deutlich. Denn auch er unterstreicht die realistische Sicht des Elohisten, ganz besonders, was dann die Schwäche des Gottesvolkes am Sinai angeht.

So übernimmt der Redaktor JE auch die ethische Sicht des Elohisten.

Für ihn ist die Lage aber nie endgültig aussichtslos.

In seiner Darstellung setzt Jahwe selbst der in der ständig größer werdenden Gottesferne lebenden Menschheit der Urgeschichte immer wieder zumindest kleine Lichter der Hoffnung:

  • die Ankündigung des Sieges über die Schlange (Gen 3,15)
  • das Anfertigen von Röcken aus Fellen für die gefallenen Menschen durch Jahwe selbst (Gen 3,21)
  • und auch das Kainsmal als Schutzzeichen vor irgendwelchen Rächern des Abel (Gen 4,15).

Dies alles sind Stellen, die wohl auf Neuaufnahmen durch den Redaktor JE zurückgehen.

d. Fazit

Der Redaktor JE hat demnach der vorpriesterlichen Überlieferung des Pentateuchs bzw. Hexateuchs seinen eigenen theologischen Grundzug verliehen. Er hat seine beiden schriftlichen Vorlagen J und E nicht nur hervorragend miteinander verbunden, er hat dabei die Theologumena beider vielmehr aufgegriffen und eigenständig weiterentwickelt.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Ausnahmen kommen vor, etwa bei der Josefserzählung. Zur Anmerkung Button

2 Jerusalemer Bibel, Anm. zu Ex 34,10-26; dieser Ausdruck soll den Unterschied zu Ex 20,2-17 deutlich machen, den man dementsprechend "ethischer Dekalog" nennt. Zur Anmerkung Button

3 Von daher erklärt sich die Bezeichnung "jahwistisches Bundesbuch" für das Privilegrecht. Diese Stelle wurde früher J zugeschrieben. Zur Anmerkung Button

4 נְחֻשְׁתָּן ["nechuschtan"]: Der Name enthält eine Anspielung auf das Material des Kultgegenstaandes, נְחֺשֶׁת ["nechoschæt"] (Erz), und auf seine schlangenartige Form, נָחָשׁ ["nachasch"] (Schlange).
(Vgl. Jerusalemer Bibel, Anm. zu 2 Kön 18,4.) Zur Anmerkung Button

5 Vgl. die Deutung des Wortes "Babel" als "Wirrsal" und 2 Kön 20,12-21 // Jes 39,1-8. Zur Anmerkung Button

6 Hiskija wird hier möglicherweise als Parallele zu Mose gesehen. Zur Anmerkung Button