Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Abwehr der Vorstellungen anderer Religionen ⋅1⋅

Die zuvor skizzierte Vorstellung vom Tod hält sich in den Texten der Schrift über Jahrhunderte hinweg durch. Und das, obwohl Israel die Vorstellungen, die sich die Religionen der Umwelt vom Jenseits machten, natürlich sehr gut kannte.

1. Der persische bzw. kanaanäische Vegetationsglaube

Anemonen

Anemonen.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

So war Israel selbst­verständlich etwa der persische oder kanaa­näische Vege­tationsg­laube bekannt. Die "große Jesaja-Apo­ka­lypse", die wir oben ja bereits betrachtet ha­ben, nimmt bei­spiels­weise ein Motiv aus diesem Vege­tations­glau­bens auf. Ich erinnere noch einmal an Jes 26,19. Dort haben wir ja übersetzt:

"Deine Toten werden le­ben, meine Leichen (?) werden auferstehen. Auf­wa­chen und jubeln werden die Bewohner des Staubes. Denn Tau der Lichter ist der Tau auf dir, und die Erde wird die Schatten (= Toten) gebären (= herausgeben?)." (Jes 26,19⋅2⋅

Der Tau, den die Gottheit sendet, ist in den Vegetationskulten ein beliebtes Bild für die Wiederkehr des Lebens.

Und Hos 6,1-3 vergleicht die totenerweckende Kraft Gottes mit dem Frühlingsregen, der die Erde tränkt. Auch dieses Motiv ist in den Vegetationskulten beliebt. Mit dem Frühlingsregen hängt ja das jährliche Wiederaufleben der Natur zusammen. Und das war ja in diesen Fruchtbarkeitskulten meist der eigentliche Anknüpfungspunkt des Auferweckungsglaubens.

2. Die Totenbefragung

Auch die oben bereits erwähnte Begebenheit mit der Totenbeschwörerin von Endor zeigt, dass es so etwas wie Totenbefragungen im Umkreis Israels durchaus gegeben haben muss. Vermutlich haben viele Israeliten mit solchen Praktiken geliebäugelt.

Die Heftigkeit mit der solche Bräuche von "offizieller" Seite abgelehnt und als "Gräuel" verurteilt wurden, zeigt ja schon, dass diese Vorstellungen und auch diese Praxis weit verbreitet gewesen sein dürfte.

3. Die scharfe Ablehnung dieser Vorstellungen

Man meint nun häufig, dass durch solche Berührungen mit den Jenseitsvorstellungen der Umwelt, der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod sich langsam in Israel ausgebreitet habe. Israel hätte also den Auferstehungsglauben gleichsam von den Kanaanäern oder Ägyptern importiert.

Das ist so nicht richtig. Das Gegenteil ist eher der Fall.

Die Jenseitsvorstellungen der Umwelt und deren Praktiken sind nämlich eher mit verantwortlich dafür, dass sich der Glaube an ein Leben nach dem Tod in Israel erst so spät ausprägen konnte.

Israel hat sich nämlich gegen diese Vorstellungen der Umwelt Jahrhunderte lang zur Wehr gesetzt. Wir können sogar sagen, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod gleichsam bekämpft wurde.

Diese scharfe Ablehnung der Jenseitsvorstellungen der Umwelt hat vor allem folgenden Grund:

a. Eigene Totengötter

In den Religionen der israelitischen Nachbarn gab es schließlich eigene Gottheiten, die sich um die Toten in der Unterwelt annahmen. Baal übernahm etwa die Funktion eines Totengottes.

b. Konkurrenz der Totengötter zu den Hochgöttern

Da die Totenverehrung und die Vorsorge für das eigene Sterben existentiell äußerst belangvoll war, zog sie im Laufe der Zeit immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Die Götter, die für den Tod zuständig waren, traten daher immer mehr in Konkurrenz zu den Hochgöttern. So hat die Baalsverehrung in Kanaan den Kult des Hochgottes El ja immer stärker an den Rand gedrängt und schließlich sogar ganz verdrängt.

c. Der Totenkult als unvereinbar mit dem Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes

Israel identifizierte seinen Gott am Anfang aber mit dem Hochgott Kanaans. Israels Glaube war daher ein Hochgott-Glaube. Der Kult um die Totengottheiten, der in den umliegenden Religionen immer mehr in Konkurrenz zur Hochgott-Verehrung trat, musste daher auch als Konkurrenz für die Jahwe-Verehrung angesehen werden. Er stand von Anfang an dem Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes entgegen.

Jahwe, den Gott des Lebens und der Geschichte, konnte man als Hochgott daher nicht einfach als Gott der Toten und der Scheol verehren.

So drängten die Theologen Israels alle Jenseitslehren und Jenseitsvorstellungen ganz massiv zurück und bekämpften ihr Aufkommen lange Zeit.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl. zu diesem Abschnitt: Medard Kehl, Eschatologie (Würzburg 1986) 127-128. Zur Anmerkung Button

2 Übersetzung nach: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 70. Zur Anmerkung Button