Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Das Gesetz als Gottes Anweisung

Soviel zu den unmittelbaren Aussagen über Gott. Werfen wir nun noch einen Blick auf das Gesetz, das Israel ja als ausdrückliche Anweisung Gottes versteht. Viele dieser Vorschriften erscheinen uns heute nämlich als ungeheuer hart und unmenschlich. Was soll man nun aber von solchen Gesetzeswerken halten?

Zunächst einmal scheint es mir notwendig zu sein, bei den Gesetzen des Alten Testamentes zu unterscheiden. Umgreifende Gebote, wie die Weisungen des Dekalogs bereiten ja kaum größere Probleme. Hier wird die Universalität der göttlichen Wegweisung ja uneingeschränkt deutlich.

1. Zeitbedingte Einzelvorschriften

Schwierigkeiten entstehen in der Regel lediglich bei ganz konkreten Anweisungen und Vorschriften. Hier muss man aber berücksichtigen, dass solche konkreten Gesetze eben einer anderen Zeit entstammen und dass sie vor allem auch einen anderen gesellschaftlichen Hintergrund haben.

Eine Reihe von Vorschriften der Tora reicht ja weit zurück in vorstaatliche Zeit. Hier haben sich Anweisungen und Gebräuche erhalten, wie sie unter den Nomaden üblich waren.

Hier muss man aber auch vor Augen führen, dass gerade in der nomadischen Gesellschaft der Schutz der Herden und vor allem auch der Frauen und Kinder, die diese Herden hüteten, eine Lebensnotwendigkeit war. Dieser Schutz musste anscheinend in der damaligen Zeit hart sein. Nur so stellte er vermutlich ein wirksames Instrument dar.

Solche Vorschriften und Gebote sind dann aber natürlich auch zeitbedingt.

2. Israels Strafrecht im Vergleich zur Umwelt

Dabei ist es interessant, dass das israelitische Strafrecht während der ganzen alttestamentlichen Zeit immer milder war als das der umliegenden Völker. Auch zeigt sich ganz deutlich eine wachsende Tendenz, alte Vorschriften und alte Praxis abzumildern und neu zu regeln.

a. Asylstädte

Man denke hier vor allem an die Anweisungen des Buches Deuteronomium etwa bezüglich der Asylstädte für diejenigen, die unabsichtlich jemanden getötet haben (Dtn 19,1-10). Durch solche Asylstädte wurde jenen Menschen ja erst eine Chance auf ein gerechtes Verfahren ermöglicht. Nur so konnten sie schließlich der Blutrache entgehen.

b. Milderungsformeln

Ein weiteres Beispiel stellt die bekannte und vielfach missverstandene Stelle in Lev 24,20 dar - ich bin auf sie ja bereits ganz am Anfang zu sprechen gekommen:

"Wer seinem Nächsten einen Leibschaden zufügt, dem soll man tun, wie er getan hat: Bruch um Bruch, Aug um Auge, Zahn um Zahn! Derselbe Leibschaden, den er einem andern zugefügt hat, soll ihm zugefügt werden." (Lev 24,19-20.)

Auch diese Stelle ist ja - wie ich damals bereits ausgeführt habe - auf dem Hintergrund der Blutrache zu sehen und entstammt dem Anliegen diese alte Praxis zu mildern.

In einer Umwelt, in der das Strafempfinden der Menschen vor allem durch die Blutrache geprägt war, war es ja durchaus keine Seltenheit, dass jemand, der beispielsweise in betrunkenem Zustand jemandem ein Auge ausgestochen hatte, von den Verwandten des Verwundeten verfolgt und im Sinne der Blutrache getötet wurde.

Genau dagegen aber wendet sich diese Anordnung. Das Buch Levitikus sagt ausdrücklich: Nicht Leben für Auge, nur derselbe Leibschaden, den jemand einem anderen zugefügt hat, soll einem entsprechenden Täter auch zugefügt werden. Es geht hier also nicht um die Anordnung einer grausamen Vergeltung. Wir haben hier vielmehr eine sogenannte "Milderungsformel" vorliegen. Es geht um die Eindämmung und Regelung einer ungeordneten und unkontrollierten Rachevorstellung.

Dass unser Rechtsempfinden und vor allem unser Strafempfinden mittlerweile ein anderes geworden ist, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Die Anordnung von Lev 24,20 - und damit auch die Vorschriften der israelitischen Gesetzessammlungen - kann ich, wenn ich redlich sein möchte, nicht mit den Maßstäben unserer Zeit messen.

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