Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Botschaft vom alleinzigen Gott ⋅1⋅

Wenn wir dies im folgenden nun tun möchten, dann müssen wir auch ein Stück weit in das hebräische Denken abtauchen. Ich kann daher keine systematische Gotteslehre bieten, wie sie in unseren Dogmatiken wohl zu finden ist. Wir müssen uns vor Augen halten, dass der Hebräer, so wie wir das auch schon beim Menschenbild gesehen haben, Gott mit seinen Bildern und Begriffen gleichsam auslotet.

Wir werden also mit immer neuen Umschreibungen versuchen, das Phänomen Gott in den Blick zu bekommen. Dabei werden immer wieder neue Seiten dieses einen Gottes sichtbar werden. Wir umkreisen Gott also ganz im Sinne des hebräischen Kreisdenkens.

Das mag auf den ersten Blick für unser Empfinden gar keinen Fortschritt bringen. Und manchesmal mag da auch der Eindruck entstehen: "Das hatten wir doch schon!" Aber genau das ist ja auch ein biblischer Eindruck. Viele Bücher der Bibel lesen sich scheinbar ohne irgendeine inhaltliche Fortentwicklung.

Aber das Gesamtbild entsteht dann durch die Zusammenschau der einzelnen Aspekte. So wie man einen unbekannten, dunklen Raum auch erst erahnen kann, wenn man die einzelnen Ergebnisse der Untersuchungen mit dem Echo-Lot zusammennimmt.

Loten wir also diesen Glauben an Gott, wie er uns im Alten Testament begegnet, miteinander aus.

Und dieser Glaube beginnt nun mit dem Sprechen vom alleinzigen Gott. Das ist gleichsam die Mittelachse der alttestamentlichen Offenbarung.

Damit wir das, was wir die Botschaft vom alleinzigen Gott nennen, aber wirklich näher erfassen können, müssen wir zunächst etwas zurückblenden. Wir müssen bei dem ansetzen, was in der Bibel von der Zeit der Väter gesagt wird.

1. Der Vätergott und der Gott Kanaans

Die Väter verehrten einen Gott, den sie den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nannten. Er war anders, als die anderen Götter. Sie verstanden ihn als einen Gott, der mit ihnen mitwanderte. Er war also kein Ortsnumen, kein Gott, der an einem bestimmten Ort wohnte und dort verehrt wurde, sondern ein Gott, der den Menschen auf seiner Wanderschaft begleitete.

Der biblische Gott tat sich also zunächst als Sippengott kund, der mit der jeweiligen Sippe zog und sie begleitete.

Beim Übertritt nach Kanaan, wohin die Vätersippen durch ihre Gotteserfahrung verwiesen wurden, begegneten sie zwar der Vorstellung und Verehrung eines ganzen himmlischen Götterstaates, aber dieser Götterstaat der Kanaanäer hatte an seiner monarchischen Spitze einen Hochgott, den Gott El. Das belegen Funde aus Ugarit (= Ras Schamra).

Die einwandernden Sippen identifizierten den Gott, den sie verehrten, nun mit diesem Hochgott El - und mit ihm allein. 'Wir verehren den Gott, den ihr auch als euren höchsten Gott glaubt'. So lässt sich dieser Gedankengang in etwa skizzieren.

Förderlich für diesen Identifikationsprozess der Einwanderer waren wohl einschlägige religiöse Erfahrungen an den El-Heiligtümern, die sich in der Bibel niedergeschlagen haben.

Gen 12,8 etwa bietet uns solch eine Erinnerung bezüglich des alten El-Heiligums in Bet-El: ⋅2⋅

"Da erschien Jahwe dem Abram und sprach: "Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben." Da baute er dort Jahwe, der ihm erschienen war, einen Altar. Von da zog er weiter in das Gebirge östlich von Bet-El und schlug sein Zelt auf, Bet-El im Westen und Ai im Osten. Da baute er Jahwe einen Altar und rief den Namen Jahwes an." (Gen 12,7-8.)

Abraham betete demnach an den Städten, die bereits vor ihm Orte der Gottesverehrung waren und zwar der Verehrung des kanaanäischen Hochgottes El.

2. Monotheismus der Praxis

Die anderen Götter der Kanaanäer übernahmen die Vätersippen anscheinend nicht. Sie banden sich ausschließlich an diesen einen Gott.

a. Personale Bindung an einen Gott

Diese personale Bindung an einen Gott macht das Wesen der Väterreligion aus. Sie war also ein "Monotheismus der Praxis". Man rechnete zwar mit den anderen Göttern, hielt sich allerdings an den eigenen Gott. Von ihm allein erhoffte man sich tatsächlich Führung und Heil.

Dies gilt prinzipiell bis weit über die Mosezeit hinaus. An der Formulierung des ersten Gebotes des Dekaloges lässt sich dieser Monotheismus der Praxis sogar heute noch ganz deutlich ablesen.

b. Das Alter des Dekaloges

Diese Formulierung reicht in ihrer ursprünglichen Form sicher in sehr alte Zeit zurück. Und es ist gar nicht einmal so unwahrscheinlich, dass sie tatsächlich in der Mosezeit entstanden ist.

Der Dekalog ist ja der alte Kern der Jahwe-Religion. Und wenn wir davon ausgehen, dass es Mose als Stifterpersönlichkeit tatsächlich gegeben hat, dann ist es auch durchaus wahrscheinlich, dass solch ein alter Kern in seiner Urform auf solch eine Stifterpersönlichkeit zurückgeht. Sprachlich ist das bei einzelnen Sätzen des Dekalogs durchaus möglich.

Wenn sich das jetzt auch nicht mit letzter Gewissheit erheben lässt, so können wir doch mit Sicherheit davon ausgehen, dass Teile des Dekaloges sehr alt sind und zumindest bis in die Nähe der Mosezeit zurückreichen.

Und zu diesen Teilen gehört mit großer Wahrscheinlichkeit auch die erste Weisung des Dekaloges.

c. Der ursprüngliche Ort der ersten Weisung der Bundescharta

Dort heißt es nun, wenn man es wörtlich übersetzt:

"Nicht werden dir andere Götter sein mir ins Angesicht" (Ex 20,3.)

Diese Formulierung des sogenannten ersten Gebotes lässt noch durchschimmern, dass der ursprüngliche Hintergrund dieser Vorschrift wohl der kultische Vollzug gewesen ist.

Das Wort "Angesicht" im Bezug auf Gott ist zunächst nämlich ein kultischer Begriff. Am Kultort redet man vom Angesicht Gottes. Dort soll Gott dem Menschen sein Angesicht zuwenden, hier hofft man die besondere göttliche Zuwendung zu erfahren.

Wenn es im Dekalog demnach heißt...

"Nicht werden dir andere Götter sein mir ins Angesicht" (Ex 20,3.)

... dann will das ursprünglich verhindern, dass am Kultort von anderen Göttern gesprochen wird. Bezüglich des Kultes, des Gottesdienstes, gibt es nur diesen einen Gott. Über die Existenz von anderen Göttern wird dabei nicht gehandelt.

d. Rechnen mit der Existenz anderer Götter

Wir können zu diesem Zeitpunkt also noch nicht von einem richtigen Monotheismus sprechen. Zunächst einmal finden wir in Israel einfach eine Monolatrie, also einfach die ausschließliche Verehrung eines einzigen Gottes.

Diese Verehrung nur eines einzigen Gottes am Kultort wirkt sich dann langsam natürlich auch auf das Bewusstsein des Volkes aus. Es spielt ja nur der eine Gott eine Rolle. Dies führt dann in der Folge selbstverständlich auch zu der Überzeugung, dass es nur diesen einen wirkmächtigen Gott gibt.

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Erst die Propheten werden deutlich aussprechen, dass die anderen Götter überhaupt nicht existieren. Vorerst aber rechnet man - zumindest in weiten Teilen der Bevölkerung - durchaus mit der Existenz anderer Götter.

So kann Jiphtach etwa mit den Ammonitern verhandeln und dabei ohne weiteres von deren Göttern sprechen:

"Nicht wahr, alles, was Kemosch, dein Gott, von den Besitzenden wegnimmt, das nimmst du in Besitz? Ebenso nehmen wir alles in Besitz, was Jahwe, unser Gott, von den Besitzenden wegnimmt." (Ri 11,24⋅3⋅

3. Die Auseinandersetzung mit dem Gott Baal

Stärker reflektiert hat mAn die Frage nach der Bedeutung der anderen Götter erst, als Israels Religion immer stärker in den Konflikt mit dem Fruchtbarkeitskult Kanaans geriet.

a. Die wachsende Bedeutung der Baal-Verehrung

Baal mit der Keule und dem Blitzsspeer.

Der kanaanäische Gott Baal hatte nämlich im Kult Kanaans zwischenzeitlich den einstigen Hochgott El immer stärker in den Hintergrund gedrängt. Der Gott Baal war der Fruchtbarkeitsgott und sein Kult wurde für die Kulturlandbewohner, die auf regelmäßige Niederschläge angewiesen waren, immer bedeutender.

In der Vergangenheit konnte Israel in der El-Verehrung durchaus eine Parallele zu seiner Religion und seinen kultischen Vollzügen sehen. Nachdem nun aber die Baal-Verehrung mit der El-Verehrung konkurrierte, ja den Kult des einstigen Hochgottes immer mehr verdrängte, verstand man diesen Baals-Kult natürlich gleichzeitig auch als Konkurrenz zur Jahwe-Verehrung, Konkurrenz also zur religiösen Praxis Israels.

b. Israel und der Gott Baal

Dass dies ein langsamer Prozess war, können wir deutlich erkennen.

Am Anfang scheint Israel auch mit dem Gott Baal weniger Probleme gehabt zu haben. Zumindest mit dem Namen בַּעַל ["ba<al"] ging man recht großzügig um.

Anscheinend hatte man anfangs nicht einmal Schwierigkeiten damit, auch Jahwe als "Baal" zu bezeichnen. Das Wort בַּעַל ["ba<al"] bedeutet ja zunächst einmal nichts anderes als "Herr".

Und nachdem auch in der Vorstellung Kanaans hinter den örtlichen Vegetationsgottheiten eigentlich der eine "Himmelsbaal" stand, hatte Israel wohl zunächst kaum Probleme, Jahwe mit diesem Himmelsbaal in Verbindung bringen.

Dies mag wohl auch der Grund dafür sein, weshalb uns bis in die Königszeit hinein in Israel eine ganze Reihe von Namen begegnen, die mit בַּעַל ["ba<al"] gebildet sind, in denen das Wort Baal also ausdrücklich auftaucht.

  • So heißt unter anderem der Sohn Sauls "Ischbaal" (2 Sam 2), was zu Deutsch so viel wie "Mann Baals" bedeutet.
  • und ein Enkels Sauls heißt "Meribaal" (2 Sam 4,4).
  • Ein Sohn Davids wiederum heißt "Beeljada" (1 Chr 14,7).

Erst als die kanaanäischen Vorstellungen und Riten immer stärker in Israels Religion eindrangen, wurden die Baale anscheinend zu wirklichen Konkurrenten Jahwes. Das war wohl der eigentliche Auslöser für die prophetische Bewegung. Sie rief nun Israel in die klare Entscheidung für Jahwe und gegen Baal.

4. Das Zeugnis der Propheten ⋅4⋅

a. Elija (um 850 v. Chr.)

Der erste dieser Propheten, der deutliche Spuren hinterlassen hat, war Elija. Er trat um 850 v. Chr. auf und führte nach der Überlieferung im Nordreich den Kampf gegen die Baals-Verehrung, die immer stärker in Israel Einzug hielt.

Bekannt ist in diesem Zusammenhang vor allem sein Auftreten am Berg Karmel, wo er einer großen Gruppe - die Bibel spricht von vierhundertfünfzig - Baalspropheten gegenübergetreten ist (1 Kön 18,20-40). Die Auseinandersetzung endete damit, dass er die Baalspropheten zum Bach Kischon hinabschaffen und dort abschlachten ließ (1 Kön 18,40). Eine Szene, die die Schärfe des Konflikts verdeutlicht.

Elija ist anscheinend der erste, der ganz offen unter der Parole...

"Jahwe ist der Gott (schlechthin)!" (1 Kön 18,39.)

... angetreten ist.

Nicht zuletzt sein Name macht dies ja schon deutlich. Elija bedeutet nichts anderes als:

"Mein Gott ist Jahwe"

b. Amos (um 760 v. Chr.)

Um 760 v. Chr. verkündet Amos dann, dass Jahwe nicht nur Gott Israels ist. Er ist der alleinige Herr und Richter auch über die anderen Völker.

Sein Buch beginnt mit den sogenannten Völkersprüchen. Amos schleudert den Völkern um Israel herum Drohsprüche entgegen, die er ausdrücklich als Jahwe-Worte kennzeichnet. Damit kündigt er den anderen Völkern das Gericht Jahwes an (Am 1-2).

In den Ohren Israels musste es dabei ungeheuerlich klingen, dass er diese Völker am Ende sogar auf die gleiche Stufe stellt wie Israel. Jahwe ist Herr über alle Völker und es gibt daher für Israel auch kein Vorrecht. Darauf, dass Gott sein Volk aus Ägypten herausgeführt habe, darauf dürfe Israel sich nichts einbilden. An anderen Völkern hat Jahwe nämlich ähnlich gehandelt.

So heißt es:

"Seid ihr mir nicht gleich den Kuschiten, ihr Söhne Israels?, spricht Jahwe. Habe ich nicht Israel aus dem Lande Ägypten herausgeführt und die Philister aus Kaphtor und die Aramäer aus Kir? Siehe, meine Augen sind gerichtet auf das sündige Reich, ich will es vom Erdboden vertilgen." (Am 9,7.)

Israel steht also genauso wie die anderen Völker unter Gottes Gericht.

Umgekehrt bringt Amos damit natürlich zum Ausdruck - und das geschieht hier in dieser Deutlichkeit zum erstenmal -, dass Gott der Herr aller Menschen ist.

c. Hosea (um 750 v. Chr.)

Etwa zehn Jahre später (um 750 v. Chr.) trat dann Hosea auf. Sein großes Anliegen war es, die Jahwe-Verehrung von allen synkretistischen Verirrungen zu reinigen.

Ganz ausdrücklich hat er in diesem Zusammenhang die Baals-Verehrung im Blick. Im 2. Kapitel des Hosea-Buches heißt es etwa:

"An jenem Tag wird's geschehen, spricht Jahwe, da wird sie [Jahwes treulose Frau = Israel] mich nennen: "Mein Mann", und nicht mehr: "Mein Baal". Da werde ich aus ihrem Munde nehmen die Namen der Baale, ihre Namen sollen nicht mehr erwähnt werden. Ich schließe für sie an jenem Tage einen Bund mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln der Himmel und mit dem Gewürm der Erde, verbanne Bogen und Schwert und Krieg aus dem Lande und lasse sie wohnen in Sicherheit. Dann wirst du mir angetraut auf immer, angetraut in Gerechtigkeit und Recht, in Liebe und Erbarmen. Du wirst mir angetraut in Treue, auf dass du erkennst, dass ich Jahwe bin." (Hos 2,18-22).

d. Jesaja (um 730 v. Chr.)

(1) Gott lenkt die Völker

Wieder zwanzig Jahre später, um 730 v. Chr., betont Jesaja ganz ausdrücklich, dass Jahwe auch der Herr der großen Imperien ist. Er lenkt und benutzt diese Imperien sogar:
"Ein Panier pflanzt er auf für ein Volk aus der Ferne [gemeint ist Assur] und pfeift es herbei von den Enden der Erde. Und siehe, in Eilmärschen kommt es heran." (Jes 5,26)
Der Ansturm der Assyrer ist nach der Verkündigung Jesajas also Gottes Strafgericht. Und die Assyrer selbst sind Werkzeuge Gottes in diesem Gericht.

Und als Israel bei Ägypten Zuflucht suchen will, sagt Jesaja:

"Die Ägypter sind nur Menschen und nicht Gott, ihre Rosse sind Fleisch und nicht Geist. Wenn Jahwe seine Hand ausstreckt, so stürzt der Helfer und [es] fällt, dem er helfen will; so kommen alle miteinander um." (Jes 31,3.)

Eindeutiger kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass Gott auch Herr über die ach so mächtig erscheinenden Imperien ist.

(2) Die anderen Götter sind אֱלִילִים [">ælilim"]

Dabei macht Jesaja auch deutlich, dass die Götter, die die anderen Völker verehren, keinerlei Bedeutung haben.

Er verwendet hier ein hebräisches Wortspiel, um die Nichtigkeit der fremden Götter zum Ausdruck zu bringen. Sie sind nicht אֱלֺהִים [">ælohim"], also Gott. Sie sind אֱלִילִים [">ælilim"], und das bedeutet wörtlich: "Nichtse".

"Sein Land ist voll von אֱלִילִים [">ælilim"]. Vor dem Werk ihrer Hände fallen sie nieder, vor dem was ihre Finger gebildet." (Jes 2,8)

Aber diese "Nichtse", diese Götzen, werden entlarvt werden:

"Da wird der Stolz der Menschen gebeugt und gedemütigt der Hochmut der Männer. Jahwe allein ist erhaben an jenem Tag. Die אֱלִילִים [">ælilim"] aber werden alle verschwinden." (Jes 2,17-18⋅5⋅

(3) Der Zusammenhang von Wirken und Wirklichkeit

Jesaja macht damit deutlich, dass allein Jahwe wirklich ist, denn Jahwe allein wirkt. Hier ist wichtig, dass beides, Wirken und Wirklichkeit sich im hebräischen gegenseitig bedingen. Selbst wenn die anderen Götter tatsächlich existieren würden. Die Propheten sind gewiss, dass sie keine Wirkmacht haben, sie wirken nicht. Was aber nicht wirkt, das hat auch keine Wirklichkeit.

Auch bei uns im Deutschen hängt beides ja noch eng miteinander zusammen. Unser Ausdruck "Wirklichkeit" enthält ja das Wort "wirken". Wirklichkeit bedeutet vom Wort her, dass etwas wirkt, dass etwas eine Wirkmächtigkeit hat.

Im hebräischen Denken ist dies noch viel stärker zu spüren. Bloße Existenz ist für den Hebräer noch keine Form der Wirklichkeit. Wirklich ist letztlich allein das, was wirkt. Und Jahwe allein wirkt. Er ist wirkender Gott und damit wirklicher Gott.

e. Jeremia (um 600 v. Chr.)

Jeremia, der um 600 v. Chr. auftritt, geht hier sogar noch einen Schritt weiter. Er bezeichnet die fremden Götter als הֶבֶל ["hæbæl"]. Das bedeutet soviel wie "nichtiger Hauch".

"So spricht Jahwe: Was haben eure Väter an mir Unrechtes gefunden, dass sie von mir weggingen? Dass sie hinter dem הֶבֶל ["hæbæl"] herliefen und selbst zu nichts wurden?" (Jer 2,5⋅6⋅

Und Jer 2,11 sagt ausdrücklich, dass Israel seinen Gott durch "Nicht-Götter", לֺא אֱלֺהִים ["lo> >ælohiM"], vertauscht habe:

"Hat je ein Volk seine Götter vertauscht? Und das sind nicht einmal Götter!" - לֺא אֱלֺהִים ["lo> >ælohiM"] (Jer 2,11⋅7⋅

f. Deutero-Jesaja (um 550 v. Chr.)

Deutero-Jesaja (um 550 v. Chr.) feiert dann schließlich die Alleinzigkeit Jahwes in geradezu hymnischen Bekenntnissen. Ein Beispiel dafür ist etwa Jes 45,21:

"Es ist kein Gott außer mir! Einen rechtwaltenden und rettenden Gott gibt es nicht neben mir." (Jes 45,21⋅8⋅

Freilich scheint nach abendländischer Logik der zweite Satz den ersten in seiner Absolutheit abzuschwächen. Wenn es keinen rechtwaltenden und rettenden Gott neben Jahwe gibt, gibt es dann doch etwa nicht rechtwaltende und nicht rettende Götter neben ihm?

So zu denken entspricht aber nicht der hebräischen Gedankenwelt. Für den Hebräer ist der zweite Teil dieser Jesajastelle geradezu noch einmal eine Verstärkung des ersten. Ich möchte hier noch einmal daran erinnern, dass "Sein" im hebräischen Denken in erster Linie "Akt" ist, und zwar im Sinne der Effizienz. Ein Gott, der nicht recht waltet, der wirkt demnach nicht. Und ein Gott der nicht wirkt, der ist demnach auch nicht wirklich. ⋅9⋅

Statue

Pharao Echn-Aton (um 1350) -
Statue im ägyptischen
Museum, Kairo.

Foto-ButtonLizenz: Jean-Pierre Dalbéra
from Paris, France,
La salle dAkhenaton (1356-1340 av J.C.)
(Musée du Caire) (2076962048)
,
CC BY 2.0

5. Der Weg zum Monotheismus Israels

Damit sind wir beim ausdrücklichen Monotheismus in Israel angelangt. Der Weg zum Glauben an den einen Gott führte dabei - wie wir gesehen haben - nicht zuerst über dogmatische Festlegungen oder eine bewusste Reflexion. Zum Glauben an den einen Gott kam Israel zunächst einmal durch das ganz konkrete Tun, durch die Verehrung nur dieses einen Gottes. Diese personale Bindung an diesen Gott, diese ganz praktische Monolatrie, führte dann erst in einem langen Prozess zur wirklichen Überzeugung, dass es nur diesen einen Gott gebe.

So sagt Alfons Deissler:

"Aus der klaren Sachlage, dass die biblische Offenbarung auf ihrer mosaischen Frühstufe nur den praktischen Monotheismus, den aber mit aller Macht als Haltung und Tat des Gottesvolkes erheischt, folgt wiederum die Erkenntnis, dass Gott in der Offenbarung nicht in erster Linie die Enthüllung theoretischer Wahrheiten im Sinne dogmatischer Lehrsätze, sondern zuerst und zutiefst die existentielle Bindung an ihn intendiert." ⋅10⋅

6. Eine einzigartige Erscheinung

Der dadurch letztlich entstandene Monotheismus Israels, ist nun in seiner eindrucksvollen, alle polytheistischen Vorstellungen abweisenden Mächtigkeit eine einzigartige Erscheinung im Alten Orient.

Natürlich gab es auch in anderen Religionen der damaligen Zeit monolatrische Tendenzen, vorab in der Privatfrömmigkeit. Der einzelne hielt sich in aller Regel an einen einzelnen Gott.

Unter Pharao Echn-Aton (um 1350 v. Chr.) gab es für kurze Zeit in Ägypten sogar einen formellen Monotheismus. In Echn-Atons Sonnenlied heißt es unter anderem:

"Du einziger Gott, außer dem es keinen andern gibt." ⋅11 ⋅

Diese monotheistische Aton-Reform wurde aber bald wieder von der traditionellen polytheistischen ägyptischen Religion abgelöst.

Gerade an ihr ist aber auch ganz deutlich zu sehen, welch qualitativer Unterschied Jahwe von Aton trennt: Aton ist als Gott der Sonnenscheibe weltimmanent, Jahwe dagegen in seinem Sein und Selbst welttranszendent.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Einleitung in das Alte Testament - Zusammenschrift entsprechend einer autorisierten Vorlesungsmitschrift des WS 1969/70 bzw. einer nicht autorisierten Mitschrift anhand von Bandaufnahmen des WS 1976/77 mit teilweisen Ergänzungen für das WS 1979/80 (Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br.) 163-165. Zur Anmerkung Button

2 Vgl. weiter zu Beth-El: Gen 13,3-4; 28,10-22 u. a. Zur Anmerkung Button

3 Vgl. auch: 1 Sam 26,19; 2 Kön 3,27. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Alfons Deissler, Einleitung in das Alte Testament - Zusammenschrift entsprechend einer autorisierten Vorlesungsmitschrift des WS 1969/70 bzw. einer nicht autorisierten Mitschrift anhand von Bandaufnahmen des WS 1976/77 mit teilweisen Ergänzungen für das WS 1979/80 (Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br.) 164. Zur Anmerkung Button

5 Vgl. auch: Jes 10,10; 19. 3 u. a. Zur Anmerkung Button

6 Vgl. auch: Jer 2,10. 15; 16,19 u. a. Zur Anmerkung Button

7 Vgl. auch: Jer 5,7. Zur Anmerkung Button

8 Vgl.: Jes 41,28; 43,10. Zur Anmerkung Button

9 Die alttestamentliche Botschaft von Gott wird auch nicht verdunkelt oder auch nur getrübt dadurch, dass Jahwe an einzelnen Stellen inmitten himmlischer Wesen - wie in einem Hofstaat - thront, welche wie in den Mythen als "Gottessöhne" (in Ps 29,1 sogar als "Göttersöhne") bezeichnet werden (vgl. 1 Kön 22,19; Ijob 1,6; 2,1; 38,7; Ps 89,7) Sie haben - anders als in den Mythen - keinen göttlichen Rang, sondern eine reine Dienstfunktion. Wie sehr sie gegenüber dem mythischen Pantheon entmächtigt sind, zeigen die Serafim in der Berufungsvision des Jesaja an (Jes 6,2-3): sie müssen vor dem niederschmetternden Glanz des Gottkönigs ihr Antlitz und ihre Gestalt verhüllen.
(Vgl. Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 29.) Zur Anmerkung Button

10 Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 27. Zur Anmerkung Button

11 H. Gressmann, Altorientalische Texte zum AT (Berlin 2. Auflage 1926) 17, zitiert nach Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 29. Zur Anmerkung Button