Interkulturelle Kompetenz

Herausforderung für unsere Gesellschaft


Weiter-Button Zurück-Button Er schickt einfach die Kinder

Dies ist ein Beispiel für die Arbeit mit einem sogenannten "kritischen Ereignis". Auf diese Art und Weise kann man gut mit solchen und ähnlichen Vorfällen - auch aus der eigenen Arbeit vor Ort - zum Beispiel in einem Helferkreis in der Flüchtlingsarbeit arbeiten.

Zur Arbeit mit diesem Formular:

  1. Lesen Sie das "kritische Ereignis" und machen Sie sich ihre eigenen Gedanken über die möglichen Gründe.
  2. Blenden Sie die vorgegebenen Möglichkeiten ein und bewerten Sie dieselben mit 1-10.
  3. Blenden Sie die Bemerkungen zu den Möglichkeiten ein und vergleichen Sie die dort angegebene Bewertung mit Ihrem Ergebnis.

Wenn Sie das Formular mehrfach ausfüllen möchten und mit dem "Firefox"-Browser arbeiten, beachten Sie bitte, dass hier die Formulareinträge gespeichert werden. Sie müssen gegebenenfalls "Steuerung-Umschalt-R" ("Control-Shift-R") drücken, um die vorherigen Einträge zu löschen.

Zunächst das "kritische Ereignis":

An einer Gemeinschaftsunterkunft hat sich ein "Patenschaftsprojekt" entwickelt. Ehrenamtliche haben sich bereiterklärt, für einen Flüchtling oder eine Flüchtlingsfamilie als Bezugsperson zu fungieren. So hat Frau S. jetzt auch seit mehreren Monaten eine syrische Familie, die sie als "Patin" betreut. Leider hat sich die Beziehung nicht so entwickelt, wie Frau S. das erwartet hatte. Das hängt schon damit zusammen, dass "ihre" syrische Familie kein Wort Deutsch oder Englisch spricht. Zusätzlich bemängelt sie den in ihren Augen fehlenden Einsatz des Familienvaters. Häufig, wenn sie in die Unterkunft kommt, liegt er einfach im Bett. Am meisten aber stört sie, dass er sich um nichts kümmere. Wenn Post kommt, gibt er die Briefe einfach an Frau S. weiter. Worum es sich bei den Schreiben handelt, interessiert ihn ihrer Meinung nach nicht. Er scheint wohl zu erwarten, dass sie sich um die Angelegenheit kümmert. Und am meisten regt sie auf, dass er ihr mittlerweile Post einfach nach Hause vorbeibringt. Sie hat ihm versucht klar zu machen, dass er dann wenigstens einen Dolmetscher mitbringen solle, damit sie ihm genau erklären könne, was er jetzt tun muss. Aber darauf sei er gar nicht eingegangen. Ganz im Gegenteil! Mittlerweile schickt er einfach seine Kinder mit der Post. Und die drücken dieselbe Frau S. mit einem strahlenden Lächeln in die Hand.

Versuchen Sie sich in den Mann hineinzudenken. Warum unternimmt er so wenig? Warum kommt er selbst nicht mit einem Dolmetscher, wie es seine "Patin" erwartet und schickt anstelle dessen seine Kinder? Diskutieren Sie die möglichen Gründe - am besten in einer Gruppe - und halten Sie die Ergebnisse fest.

Einige mögliche Gründe finden Sie, wenn Sie auf untenstehendes Icon klicken. Haben Sie andere gefunden? Finden sich hier Möglichkeiten, auf die Sie nicht gekommen sind? Klicken Sie erneut, um die Einblendung wieder zu schließen.

Untersuchen Sie die folgenden möglichen Gründe für das Verhalten des Mannes. Stimmen Sie mit Ihren Ergebnissen überein?


Frau S. hatte Pech. Sie ist an jemanden geraten, der sich auch in Syrien um nichts gekümmert hat und einfach mit allem überfordert ist.

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Dass die syrische Familie nicht zu Frau S. passt ist natürlich möglich. Nicht alle Flüchtlinge müssen mir sympathisch sein. Und gerade bei Patenschaftsprojekten hängt natürlich sehr viel davon ab, ob die "Chemie" zwischen den Partnern wirklich stimmt. Dass dieser Syrer die Dinge aber einfach schleifen lässt, von sich aus nichts unternimmt und dies gleichsam in seiner Natur läge, ist nicht wirklich wahrscheinlich. Immerhin handelt es sich um eine Familie, die die Strapazen der Flucht hinter sich gebracht hat. Hier haben Menschen ein hohes Maß an Initiative ergriffen. Das passt nicht zur Vermutung, dass es sich hier um eher phlegmatische Leute handeln würde.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 1-2.


Von Anfang an ist hier etwas schief gelaufen. Die Absprache zwischen Frau S. und der syrischen Familie war nicht ausreichend und hat falsche Erwartungen geweckt.

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Da könnte durchaus etwas dran sein. Gerade wenn die sprachliche Barriere so hoch ist, kann durchaus von Anfang an eine gewisse Schieflage die Beziehung belastet haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Familienvater manches falsch verstanden und deshalb auch falsche Erwartungen hat.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 3-5.


Der Familienvater kann sich unter "Ehrenamt" nichts vorstellen und meint einfach, dass Frau S. zuständig sei und sich um den Schriftwechsel zu kümmern habe.

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Auch dieser Punkt hat einige Wahrscheinlichkeit für sich. Diese Form des Ehrenamtes ist Menschen aus Syrien so nicht vertraut. Allerdings sind dort unsere Sozialarbeiter auch eher unüblich. Man ist gewohnt in Beziehungen zu denken. Man kennt Menschen, die einem verbunden sind und lebt in Netzwerken, die von Geben und Nehmen geprägt sind, so nach dem Motto: "Du hilfst mir und Du darfst sicher sein, dass ich Dir auch helfe, wenn Du mich brauchst!" Insofern ist dem Syrer die Rolle, die Frau S. übernommen hat - im Prinzip zumindest - nicht ganz unvertraut.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 4-5.


Der Syrer schämt sich, die Dinge nicht selbst regeln zu können, und kommt deshalb nicht mehr selbst zu Frau S.

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Hier haben wir vielleicht den wichtigsten Grund. Das Beziehungsgefüge ist für das Empfinden des Syrers in einer deutlichen Schieflage. Er selbst kann Frau S. kaum etwas bieten. Er ist einfach nur Empfänger und kann nichts geben. Das hat auch etwas mit Stolz und Scham zu tun. Auch ist er von seiner traditionellen Rolle wohl eher so geprägt, dass er die Dinge für seine Familie nach außen zu regeln hat. Dass er das in Deutschland nicht kann, setzt ihm sicher schwer zu.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 8-10.


Die syrische Familie ist es gewohnt, dass Menschen, zu denen man eine persönliche Beziehung hat, sich um entsprechende Anliegen kümmern. Dass sie selbst etwas unternehmen muss, kommt ihr gar nicht in den Sinn.

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Dies hat was für sich. Die Netzwerke, die die syrische Familie gewohnt sein dürfte, zeichnen sich durchaus dadurch aus, dass Menschen, die über entsprechende Beziehungen verfügen oder besondere Kenntnisse haben, Dinge in die Hand nehmen. Etwas für einen anderen zu erledigen, gehört hier durchaus dazu und entspricht auch daraus der daraus erwachsenden Erwartungshaltung. Im Normalfall würde sich der Syrer jetzt bei Frau S. aber revanchieren, indem er Angelegenheiten, in denen er über entsprechende Beziehungen verfügt, für sie erledigen würde. Diese Schieflage der Beziehung belastet hier natürlich das Verhältnis.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 5-8.


Der Familienvater kommt mit den Verhältnissen in Deutschland nicht zurecht und versucht sich den Anforderungen einfach zu entziehen.

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Dies darf man sicher nicht unter den Tisch fallen lassen. Manch einer dürfte mit der Art und Weise, wie Dinge bei uns gehandhabt werden, absolut nicht zurechtkommen und die Zahl derer, die sich resigniert und enttäuscht zurückziehen, ist vermutlich nicht einmal sehr klein. Ob dieser Grund in diesem Fall jetzt eine wirklich hohe Bedeutung hat, scheint aber doch eher weniger wahrscheinlich zu sein.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 1-2.


Er baut Frau S. eine Brücke, indem er die Kinder zu ihr schickt. So entgeht er der Gefahr, von Frau S. abgewiesen zu werden.

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Auch das könnte ein wichtiger Aspekt sein. Der Syrer ist vermutlich gewohnt, dass man einem Bittsteller, zu dem man eine persönliche Beziehung hat, nichts abschlagen kann. Jetzt hat er möglicherweise gespürt, dass Frau S. die Sache mit den Briefen so nicht mehr weiter erledigen möchte. Er läuft Gefahr, bei einem nächsten Versuch gleichsam vor die Tür gesetzt zu werden. Wie stünde er dann da? Mit den Kindern ist das etwas anderes. Wenn Frau S. die Kinder unverrichteter Dinge zurückschicken würde, hätte sie ihm seine Bitte nicht direkt abgeschlagen und beide hätten ihr Gesicht gewahrt.

Wahrscheinlichkeit im Bereich 8-10.


Versuchen Sie die unterschiedlichen Möglichkeiten zu gewichten. Wie wahrscheinlich ist es, dass einer dieser Gründe zu diesem Ereignis geführt hat? Gewichten Sie die einzelnen Möglichkeiten auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 "ganz unwahrscheinlich" und 10 "höchst wahrscheinlich" bedeutet.

Sie können Ihre Ergebnisse in der obenstehenden Tabelle eintragen.

Ein paar Bemerkungen zu diesen Möglichkeiten finden Sie, nach Klick auf den untenstehenden Pfeil-Button. Sie Bemerkungen werden jeweils unter den einzelnen Möglichkeiten angezeigt. Sie finden dort auch eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit für dieses Verhalten. Sind Sie zu einem ähnlichen Schluss gekommen?
Klicken Sie erneut, um die Bemerkungen wieder auszublenden.

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