Interkulturelle Kompetenz

Herausforderung für unsere Gesellschaft


Weiter-Button Zurück-Button Betonung von Unterschieden

Ohne Brief und Siegel ...

Eine Kollegin, die längere Zeit für die Deutsche Bahn in Abu Dhabi tätig war, berichtete davon, dass ihre Vorgesetzten in Berlin immer von ihr erwarteten, dass sie Verträge oder entsprechende schriftliche Vereinbarungen beibringe. Sie aber konnte ganz selten mit Unterschriften dienen. Und es war eine große Schwierigkeit, dem deutschen Management zu vermitteln, dass in diesem Kulturraum Verträge völlig nebensächlich sind und eine geleistete Unterschrift noch lange nicht bedeutet, dass die getroffene Vereinbarung auch wirklich bindend ist. Viel wichtiger ist das Vertrauen des Geschäftspartners zu gewinnen. Auf dieser Grundlage ist ein gegebenes Wort dann weitaus gewichtiger als jede Unterschrift.

Erwartet man, dass Verträge buchstabengetreu erfüllt werden oder sind sie eher Richtschnur, und müssen den Gegebenheiten auch schon mal großzügig angepasst werden? Diese Unterscheidung weist uns auf die Koordinaten "Universalismus" und "Partikularismus" hin. Mit ihnen versucht Karl-Heinz Flechsig den Standpunkt eines Menschen im kulturellen Raum weiter zu bestimmen.

Partikularismus und Universalismus

Diese kulturellen Orientierungen sind ganz eng verwandt mit den Kategorien "Individualismus" und "Kollektivismus". Hier geht es darum, welche Rolle etwa allgemeingültige Regeln spielen.

Welche Rolle spielen allgemeingültige Regeln? Erwartet man, dass Verträge buchstabengetreu erfüllt werden? Wird Arbeit nach klar definierten Strategien und Methoden organisiert? Und erfolgen Beförderungen nach gleichen und auch objektiven Kriterien? Haben Angehörige bestimmter Gruppen, Familien, Bekannte besondere Privilegien?

Eine Gesellschaft, in der Arbeit nach klar definierten Strategien und Methoden organisiert wird, Verträge unbedingt eingehalten werden und in der Beförderungen nach gleichen und auch objektiven Kriterien vorgenommen werden, würde man eher als "universalistisch" bezeichnen. In ihr geht es vor allem um Gleichheit und um Gleichbehandlung.

Den Einzelfall betrachtet man eher in einer Gesellschaft, die "partikularistisch" agiert, die also eher die Unterschiede betont. Hier entscheidet man nicht nur nach objektiven Kriterien, hier spielen verstärkt auch die Verpflichtung gegenüber Familie und Freunden eine Rolle. Deswegen lässt man auch schon mal fünf gerade sein und passt Vertragsabsprachen den Umständen an. Und bei Einstellungen und Beförderungen wird natürlich auch die Gruppenzugehörigkeit des jeweiligen Anwärters eine entscheidende Rolle spielen.

Dr. Jörg Sieger

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