Interkulturelle Kompetenz

Herausforderung für unsere Gesellschaft


Weiter-Button Zurück-ButtonKritische Ereignisse

Eigentlich entstand die Methode, mit sogenannten "kritischen Ereignissen" zu arbeiten, im Rahmen der flugpsychologischen Eignungsforschung während des Zweiten Weltkrieges. Sie diente ursprünglich der Auswahl von geeignetem Flugpersonal. ⋅1⋅ Das Besondere an dieser Methode ist, dass sie sich nur mit Ereignissen befasst, die man als Ausnahmesituationen beschreiben kann, Situationen, die irgendwie von der Norm abweichen. Diese sogenannte "Methode kritischer Ereignisse" wurde verschiedentlich weiterentwickelt, auch für den Bereich der "Interkulturellen Trainings".

Die Methode der "Analyse kritischer Ereignisse"

Beim Einsatz der Methode in diesem Zusammenhang geht man davon aus, dass jeder und jede bereits Erfahrungen mit fremden Kulturen gemacht haben. Auslandsaufenthalte, Ferienreisen, Begegnungen mit Fremden im Inland und angeeignetes Wissen durch Literatur und Dokumentationen haben einen kleinen oder größeren Erfahrungsschatz entstehen lassen.

Markusplatz in Venedig

Begegnung mit einer anderen Kultur,
Urlaubsreisende in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts

Foto: Jörg Sieger

Dabei haben die meisten auch schon kritische Ereignisse erlebt, Konflikte etwa oder Situationen, die von Missverständnissen geprägt waren. Solche Ereignisse werden bei einem interkulturellen Training gesammelt und aufgeschrieben. Dabei ist eine wichtige Voraussetzung, dass die Teilnehmer auf interpretierende oder bewertende Aussagen verzichten. Es geht darum, einfach zu beschreiben. Die Aussage "Er war wütend", hätte in einer solchen Beschreibung beispielsweise keinen Platz. Ich könnte lediglich davon sprechen, dass ich den Eindruck hatte, dass jemand wütend war.

Solche Beschreibungen "kritischer Ereignisse" werden dann vom Trainer bzw. Moderator vorgelesen, ohne dass der betreffende Teilnehmer, dem die Geschichte passiert ist, als solcher bekannt ist. Er kann sich im Verlauf der Analyse zwar zu erkennen geben, wenn er das möchte, um etwa weitere Informationen über das Ereignis hinzuzufügen, muss dies aber nicht.

In einem weiteren Schritt versuchen dann die jeweils anderen Mitglieder der Gruppe die Hintergründe des Ereignisses zu erschließen. Sie suchen nach Erklärungen, warum es zu jener Situation gekommen sein könnte, und versuchen ihre Hypothesen natürlich auch mit entsprechenden Gründen zu untermauern. Innerhalb der Gruppe werden diese Gründe dann diskutiert und in eine Art Rangordnung gebracht. So wird letztlich abzuschätzen versucht, welche der Interpretationen mehr oder weniger wahrscheinlich ist. ⋅2⋅

"Kritische Ereignisse" in der Praxis der Helferkreise

Mit dieser Methode lässt sich - etwas modifiziert - ganz gut auch in ehrenamtlichen Helferkreisen für Geflüchtete arbeiten - selbst wenn diese Kreise keine "fachliche" Begleitung haben. In jedem Kreis der Ehrenamtlichen verbirgt sich mittlerweile so viel an interkultureller Kompetenz, dass viele Fragen gemeinsam einer meist ganz guten Lösung nahegebracht werden können.

Dabei geht man im Grunde genommen genauso vor, wie oben ausgeführt: Ein reales Ereignis wird ohne Wertung einfach beschrieben. Danach versuchen sich alle in die beteiligten Personen hineinzuversetzen und der Frage nachzuspüren, was die einzelnen Menschen jeweils empfunden haben mögen, warum sie so und nicht anders gehandelt haben und weshalb es zu der geschilderten Begebenheit und den jeweiligen Reaktionen gekommen sein könnte.

Außer der- oder demjenigen, die jenes kritische Ereignis erlebt haben, war niemand dabei. Niemand der übrigen Beteiligten kann im Nachhinein gefragt werden. Es gilt aufgrund der eigenen Intuition und Empfindsamkeit für andere Menschen den etwaigen Gründen einfach nachzuspüren.

Im Anschluss daran sammelt man die möglichen Gründe und bewertet sie in der Gruppe - als hilfreich hat sich hier eine Skala von 1-10 erwiesen, wobei 1 "nahezu unwahrscheinlich" und 10 "sehr wahrscheinlich" bedeuten.

Es ist immer wieder verblüffend zu erleben, wie viele mögliche Gründe in solchen Gruppen am Ende gefunden wurden. Und häufig dürfte man dabei durchaus den tatsächlichen Gegebenheiten sehr nahe gekommen sein, die in der Vergangenheit zu jenem kritischen Ereignis geführt haben.

Sie können auf diesen Seiten selbst die Probe aufs Exempel machen. Auf den nächsten Seiten werden Ihnen einige solcher "kritischen Ereignisse" vorgestellt. Suchen Sie mögliche Gründe. Und wenn Sie weiteren Input brauchen oder einfach nur neugierig sind, was alles noch eine Rolle gespielt haben könnte (sofern Sie nicht alle Möglichkeiten selbst schon gefunden haben), öffnen Sie die nächste Teilseite mit einigen vorgegebenen Möglichkeiten. Wenn Sie die entsprechenden Thesen durchdiskutiert bzw. durchdacht haben, finden Sie auf einem weiteren Abschnitt der jeweiligen Seite einige Information zum Fall und ein paar - hoffentlich - hilfreiche Hinweise.

Probieren Sie es einfach selbst aus.

Weiter-Button Zurück-Button Anmerkungen

1 J. C. Flanagan, The critical incident technique, in: Psychological Bulletin 51/4 (Berkley 1954) 327-58. Vgl.: http://www.apa.org/pubs/databa­ses/psycinfo/cit-article.pdf (abgerufen am 27.7.2016). Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Methoden interkulturellen Trainings, http://wwwuser.gwdg.de/~kflechs/iik­diaps1-98.htm (abgerufen am 27.7.2016). Zur Anmerkung Button