Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Der Begriff Kanon ⋅1⋅

Bisher haben wir wie selbstverständlich von der Bibel gesprochen und damit eine Sammlung von Schriften vorausgesetzt.

Aber welche Schriften gehören in diese Reihe? Und vor allem, warum gehören andere Schriften, die in der gleichen Zeit entstanden sind, nicht dazu? Wie kam es überhaupt zu dieser Sammlung religiöser Schriften und welche Autorität bzw. welche Autoritäten haben aufgrund welcher Kriterien festgesetzt, dass eine bestimmte Anzahl von Schriften nicht als profan, sondern als heilige Schriften zu gelten haben?

Bevor wir uns den Fragen, die uns diese Bücher im einzelnen stellen, zuwenden, müssen wir diesen grundsätzlichen Fragen nachgehen. Wir müssen uns also zunächst mit der Geschichte des Kanons der biblischen Schriften befassen.

Dabei taucht zunächst natürlich die Frage nach diesem Begriff auf. Was bedeutet dieses Wort "Kanon"?

In der urchristlichen Literatur begegnet uns das griechische Wort κανών ["kanón"] zuerst bei Paulus und zwar in 2 Kor 10,13 und Gal 6,16. Das Wort bedeutet dort jedoch alles andere als einen Kanon von biblischen Schriften.

Der griechische Begriff κανών ["kanón"] ist das Wort, mit dem die Septuaginta, also die griechische Übersetzung des Alten Testamentes, das hebräische Wort קָנֶה ["qanæh"] überträgt. קָנֶה ["qanæh"] bedeutet dabei soviel wie "Rohr" oder auch "gerader Stab" und dann "Messrute".

Der Kanon ist demnach so etwas wie eine "Meßlatte", eine "Richtschnur". Demnach sind die Bücher, die man mit dem Adjektiv jenes griechischen Wortes als κανονικός ["kanonikós"], also als "kanonisch" bezeichnet, jene Schriften, die die Richtschnur für den Glauben und das Leben der Gläubigen darstellen.

In diesem Sinne wurde das Wort κανονικός ["kanonikós"] im Sprachgebrauch der Theologie nahezu identisch mit dem Wort "biblisch". Der Begriff Kanon erhielt dementsprechend nach und nach die Bedeutung von:

"zu einem Ganzen vereinigte Sammlung von der Kirche anerkannter offenbarter Urkunden." ⋅2⋅

Schon der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus hat in seiner Schrift gegen Apion diesen Ausdruck analog zu dieser Bedeutung verwendet. Er verstand unter dem Begriff "Kanon" die Schriften des Alten Testamentes.

Im Urchristentum hatte der Begriff allerdings zunächst eine andere Bedeutung. Die älteren Kirchenväter verwenden ihn im Sinne der apostolischen Glaubensregel. Kanonisch ist der richtige, der apostolische Glaube im Gegensatz zu den abweichenden Auffassungen der Irrlehrer.

Erst ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. benutzt man das Wort Kanon auch bei den Kirchenvätern dann als "terminus technicus" für die Sammlung jener Schriften, die normativen Charakter für Glaube und Sitte haben.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 22-23. Zur Anmerkung Button

2 Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 23. Zur Anmerkung Button