Unser Gottesdienst

Verstehen, deuten, neue Wege beschreiten


Weiter-Button Zurück-Button "Durch meine große Schuld..." - Lasst euch mit Gott versöhnen

Schuld und Versöhnung, Bußakt und Kyrie der Messfeier. Von der Bußpraxis der Kirche; zu Ablass und Beichte. Wie geschieht Vergebung?

Vor kurzem wurde ich bei einem eigentlich privaten Anlass wieder von jemandem gleichsam überfallen, der mich unbedingt davon überzeugen wollte, dass die Kirche in ihrer heutigen Gestalt ein Verrat an der überkommenen Religion sei. Und das Ganze gipfelte dann gleichsam in der Behauptung:

"Sogar den Beichtstuhl und die Ohrenbeichte haben sie abgeschafft."

Und früher hat man sogar noch weniger gebeichtet...

Ganz abgesehen davon, dass fast überall Beichtstühle stehen und die sogenannte Ohrenbeichte, zu der bei uns im Pfarrbrief jeden Dienstag, Donnerstag und Freitag nach der Abendmesse eingeladen wird, nur dadurch außer Übung gerät, dass eben kaum noch jemand Beichten kommt, regt mich solche theologische Dünnbrettbohrerei leider Gottes immer noch auf.

Ich könnte wahrscheinlich stundenlang argumentieren - mein Gegenüber würde gar nicht zur Kenntnis nehmen, geschweige denn mir abnehmen, dass vielleicht in seiner Kindheit so viel gebeichtet wurde, dass es aber Zeiten in der Geschichte unserer Kirche gab, in denen man weit weniger zur Beichte ging als heute, in denen so etwas wie Beichte nicht einmal erlaubt, ja überhaupt nicht möglich war.

Sündenvergebung in der Taufe

Was auch Christen immer wieder übersehen: der eigentliche Ort der Sündenvergebung war nämlich immer schon die Taufe. Mit der persönlichen Bekehrung begann der Mensch ein neues Leben als Christ und durch die Taufe - so sagt es die alte Glaubensüberzeugung - schenkt Gott ihm einen Neuanfang in der Gemeinschaft der Glaubenden.

Eine zweite Chance

Nun ging man - wohl etwas blauäugig - davon aus, dass, einmal bekehrt, die Menschen auch durchgängig als Christen leben würden. Eine zweite Vergebung von Schuld war demnach gar nicht vorgesehen.

Das große Entsetzen kam erst, als um das Jahr 250 nach Christus in einer der ersten großen Verfolgungswellen Christen in Scharen ihrem Glauben abschworen, um etwaigen Repressalien zu entgehen. Nachdem die Verfolgungen aufgehört hatten und der erste Schock überwunden war, stand man ratlos, vor den Vielen, die reumütig zurückkehren wollten, aber doch ganz offensichtlich, dadurch dass sie ihrem Glauben abgeschworen hatten, aus der Gemeinschaft der Glaubenden herausgefallen waren.

Nach langen Auseinandersetzungen über die Frage, was mit diesen Menschen geschehen sollte, kristallisierte sich eine Praxis der "zweiten Chance" heraus. Nach der Taufe noch ein einziges Mal - nur noch ein Mal - sollte der Mensch die Möglichkeit der Buße haben. Und sie war darüber hinaus von einer Fülle von Auflagen begleitet: Es brauchte das öffentliche Bekenntnis, eine Zeit des Ausschlusses aus der Gemeinschaft, die Wiederaufnahme durch die ganze Gemeinde und, und, und.

Häufiges Beichten als abscheuliche Neuheit

Als dann, Jahrhunderte später die Praxis der Privatbeichte vermittelt durch iro-schottische Mönche Einzug hielt, sah sich 589 die Synode von Toledo gemüßigt über diese Praxis zu urteilen:

"Weil wir gehört haben, dass in einigen Kirchen Spaniens nicht nach den früheren Vorschriften Buße getan wird, sondern so, das jedes Mal, wenn jemand gesündigt hat, er einen Priester um Verzeihung bittet, deshalb wird zur Ausrottung dieser schändlichen, abscheulichen und übermütigen Neuheit vom Konzil auferlegt, dass die Busse nach der früheren kanonischen Form gegeben werden soll."

Gerade mal wenige Jahrzehnte

Die von manchen so vermisste, aus der Kindheit gewohnte Praxis der regelmäßigen Ohrenbeichte ist aber nicht nur keine Einrichtung von Urzeiten her, sie ist darüber hinaus sogar ein recht kurzlebige Erscheinung in diesem ganzen Prozess.

Die Privatbeichte hat sich schließlich, trotz des anfänglichen Protestes durchgesetzt - nicht zuletzt, weil sie den Menschen sehr viel mehr entgegenkam, als das öffentliche Bekenntnis vor der Gemeinde. Lange Jahrhunderte hindurch, ging man aber lediglich zur Beichte, bevor man das Sakrament der Eucharistie empfing. Und die Kommunion empfing man lange Zeit nur wenige Male im Jahr. Mein Vater hat noch den Grundsatz gelernt: einmal im Jahr zur Österlichen Zeit.

Erst als vor allem im 20. Jahrhundert der regelmäßige Kommunionempfang - möglichst in jedem Gottesdienst - zur Praxis wurde, man andererseits jedoch die Übung beibehielt, vor dem Kommunionempfang die Beichte abzulegen, wurde die häufige, manchmal gar wöchentliche Beichte Brauch. Gerade mal wenige Jahrzehnte war dies bei uns üblich. Und ob es eine glückliche Entwicklung war, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

Viele verschiedene Formen der Vergebung

Zumal der Vollständigkeitswahn beim Bekenntnis, also die Vorstellung auch wirklich alle Sünden peinlich genau gebeichtet haben zu müssen, den Menschen suggerierte, dass nur das - und auch wirklich nur das - von Gott vergeben würde, was in der Beichte auch bekannt worden sei.

Wir sähen arm aus, wenn das wirklich der Fall wäre.

Gott vergibt uns vermutlich sehr viel mehr, als uns an Schuld überhaupt bewusst ist, denn wir sind in Schuldzusammenhänge verstrickt, die wir im Letzen überhaupt nicht zu durchschauen vermögen.

Darüber hinaus hat die Betonung der sakramentalen Vergebung die Menschen immer mehr vergessen lassen, dass es eine Fülle von Formen gibt, in denen Vergebung erlangt wird.

Eine der wichtigsten - und die muss man gerade Katholiken besonders in Erinnerung rufen - ist die, denjenigen, gegen den ich mich versündigt habe, um Verzeihung zu bitten. Es macht keinen Sinn, eine Schuld zu beichten, aber dem Bruder oder der Schwester, gegen die ich schuldig geworden bin, nie zu sagen, dass mir mein Verhalten leid tut. Gott hat an nichts größere Freude, als wenn wir Menschen uns wieder miteinander versöhnen!

Darüber hinaus sind persönliches Gebet, Werke der Nächstenliebe, und das gemeinsame Bitten um Vergebung, wie es bei uns in der sogenannten Bußandacht wiederbelebt wurde, wichtige Formen der Vergebung und Versöhnung mit Gott.

Die Feier der Eucharistie als Weg der Vergebung

Was dabei häufig übersehen wird, das ist die alte Glaubensüberzeugung, dass der ordentliche, selbstverständliche und wohl entscheidendste Weg der Versöhnung und der Sündenvergebung die Feier der Eucharistie ist. Denn hier denken wir nicht nur an die Versöhnungstat Gottes in Jesus Christus, hier begegnen wir dem Sakrament, seinem Leib und seinem Blut, das vergossen wurde zur Vergebung der Sünden.

Das allgemeine Schuldbekenntnis

So beginnt jede Messfeier auch ausdrücklich mit einem sogenannten Bußakt. Am Anfang der Feier schauen wir uns ehrlich an, ohne vor dem anderen irgendeine Fassade aufzubauen.

Im allgemeinen Schuldbekenntnis wird dies ganz deutlich: Jeder, der jetzt mitfeiert - egal wer er auch sei - bekennt, dass er keinen Grund hat, auf andere herabzuschauen oder sich besser zu dünken. Wir bekennen vor Gott aber auch allen anderen, die jetzt hier sind, Gutes unterlassen und Böses getan zu haben, und zwar in Gedanken, Worten und Werken.

Dies bringt wunderschön zum Ausdruck, dass der kleinste Teil an Schuld, den wir mit uns tragen, wirklich unserem Tun entspringt. Die meisten Sünden sind die Wortsünden, die vor allem dem Sprechen über andere entspringen. Und hinzu kommt der Berg an Schuld, um den kein anderer Mensch weiß, weil er lediglich in unseren Gedanken, und nicht zuletzt in unserer eigenen Überheblichkeit wurzelt.

Dass dabei vorgesehen ist, bei den Worten "durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld", sich drei Mal an die Brust zu klopfen, ist alter Brauch, und sehr eindringliches Zeichen, das zugegebener Maßen immer mehr auf Schwierigkeiten stößt und nicht mehr dem Empfinden aller Mitfeiernden entspricht.

Hier gilt es zu betonen, dass solche äußeren Zeichen keine Notwendigkeit sind. Manchem mögen sie hilfreich sein: er soll sie dann auch verwenden. Manchen mögen sie stören: er soll sie dementsprechend lassen. Was keiner tun sollte, das ist, andere wegen ihrer Praxis schief anzuschauen. Es handelt sich hier nicht um einen Ritus, der genau so und nicht anders zu absolvieren ist. Es gibt hier auch kein richtig oder falsch. Es geht um das Bekenntnis meiner Schuld. Und dies soll so erfolgen, dass es mir auch wirklich entspricht.

Weit wesentlicher als dieses äußere Zeichen ist die sich nun anschließende Bitte um das gegenseitige Gebet.

"Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, alle Engel und Heiligen und euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn."

Wir wenden uns zunächst an alle, die uns vorausgegangen sind und nun bei Gott leben, mit der Bitte um ihr solidarisches Gebet mit uns und dann in genau dem gleichen Anliegen an alle, die jetzt mit uns feiern. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass keiner alleine vor Gott steht, sondern wir alle in einer großen, solidarischen Gemeinschaft aufeinander verwiesen sind.

Von wegen: "Rette deine Seele!"

Wer jetzt zum Gottesdienst gekommen ist, ohne dass ihn diejenigen, die mit ihm feiern überhaupt interessieren, wem es nur um sich und seine Beziehung zu Gott geht, wer jetzt im Sinne des alten Mottos "Rette deine Seele!" nur auf sein sogenanntes Seelenheil bedacht ist, ohne den anderen Menschen neben ihm zu beachten, kann an dieser Stelle eigentlich bereits wieder gehen. Hier bitten wir jeden anderen, für mich zu beten. Und auch ich bin nun von allen anderen darum gebeten worden, sie in mein fürbittendes Gedenken einzuschließen.

Klarer kann man nicht zum Ausdruck bringen, was solidarische Gebetsgemeinschaft bedeutet.

Die sogenannte "Form B" des Schuldbekenntnisses

Neben diesem allgemeinen und sehr ausführlichen Bekenntnis gibt es auch die kürzere Form eines Wechselgebetes. Vielerorts ist es ganz in Vergessenheit geraten, dabei macht doch gerade seine dialogische Struktur seine Bedeutung aus. Es beginnt damit, dass der Priester Gott um sein Erbarmen bittet:

"Erbarme dich, Herr, unser Gott, erbarme dich."

Die Gemeinde antwortet dann mit der Begründung:

"Denn wir haben vor dir gesündigt."

Der Priester fährt fort mit den Worten:

"Erweise, Herr, uns deine Huld."

Was die Gemeinde mit

"Und schenke uns dein Heil."

ergänzt.

Die Kyrie-Litanei

Von ganz eigener Art ist die sogenannte "Kyrie-Litanei".

Sie entstammt der römischen Kaiserliturgie. Wenn der Kaiser nämlich in die große Audienzhalle einzog, dann pries man seine Großtaten und die Versammlung antwortete darauf mit dem Ruf "Kyrie eleison" - "Herr, erbarme Dich!"

Dieses Element hat man ganz einfach in den christlichen Gottesdienst übernommen. Der Ruf gilt jetzt nicht mehr dem Kaiser, sondern Christus, der nun als Herr der Welt unter den Menschen Einzug hält und der mit diesem alten Ruf, wie einst der Kaiser, gepriesen und geehrt wird.

Wichtig für die Gestaltung einer solchen "Kyrie-Litanei" ist, dass es hier noch nicht um Fürbitten geht. Diese haben an einer späteren Stelle im Gottesdienst Platz. Es geht bei der Kyrie-Litanei auch nicht um eine Aufzählung von Schuld, derer sich der Herr nun erbarmen soll. Der Charakter dieses Wechselgebetes ist von anderer Art.

Bei den einzelnen Anrufungen soll wirklich Jesus Christus selbst in den Blick kommen. Es geht dabei nicht um uns, sondern um die Erinnerung daran, was der Herr bereits alles für uns getan hat.

Beim Beispieltext, der im Messbuch abgedruckt ist, wird dies recht deutlich. Es heißt dort:

"Herr Jesus Christus, du bist vom Vater gesandt, zu heilen, was verwundet ist: Herr, erbarme dich.
Du bist gekommen, die Sünder zu berufen: Christus, erbarme dich.
Du bist zum Vater heimgekehrt, um für uns einzutreten: Herr, erbarme dich."

Die Erinnerung an all das, was Gott bereits für uns gewirkt hat, nährt die Zuversicht, dass er sich unser auch zukünftig erbarmen wird.

Vergebungsbitte

Alle drei Formen münden nun in einer ausgesprochene Vergebungsbitte, damit wir uns auch wirklich auf die nun endgültig beginnende Feier einlassen können.

Die Bitte, die nach einer "Kyrie-Litanei" vorgesehen ist, macht dies ganz besonders deutlich:

"Der Herr erbarme sich unser, er nehme von uns Sünde und Schuld, damit wir mit reinem Herzen diese Feier begehen."

Und "würdiger" für die Feier der Eucharistie werde wir nie werden, als wenn Gott selbst uns für diese Feier bereitet.

Kyrie

Bleibt nur noch anzumerken, dass nach der Vergebungsbitte - so sie noch nicht in der sogenannten Form C vorausgegangen sind - die Kyrie-Rufe, das sogenannte "Herr, erbarme dich", angefügt werden. Dies geschieht dann in der kurzen Form, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte aus der ausführlicheren Kyrielitanei, die wir ja bereits betrachtet haben, entwickelt hat.

Taufgedächtnis

An Sonntagen kann im übrigen alles, was wir bisher als Bußakt betrachtet haben, durch das Taufgedächtnis ersetzt werden. Dies ist im Blick auf das, was wir zur Taufe als eigentlichem Ort der Sündenvergebung gesagt haben, auch durchaus sinnvoll.

Bei solch einem Taufgedächtnis wird Weihwasser über die Anwesenden ausgesprengt, was daran erinnern soll, dass wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wurden - deshalb bekreuzigt man sich übrigens während der Besprengung. Und wir erinnern uns daran, dass wir in diesem Neubeginn mit Gott, wofür die Taufe steht, von Gott als bundgerechte Partner angenommen wurden. Dies soll die Gewissheit nähren, dass er uns immer wieder, so wie wir sind, mit allem was uns ausmacht, auch mit unserem Versagen annimmt und zu neuen Menschen werden lässt.

Keine billige Vergebung

All die unterschiedlichen Formen, die allein schon zu Beginn der Messfeier vorgesehen sind, weisen auf die Fülle der Weisen hin, in denen sich Vergebung zwischen Gott und den Menschen ereignet.

Die Vorstellung, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Köpfen vieler gewachsen ist, dass nämlich Vergebung von Gott nur in der sakramentalen Beichte vermittelt würde, ist eine bedauerliche Engführung und theologisch betrachtet schlichtweg falsch.

Darüber hinaus hat sie auch einen recht mechanischen Vergebungsbegriff geprägt, der uns manchen Spott und die Unterstellung mangelnder Ernsthaftigkeit im Blick auf Versöhnung und Vergebung eingetragen hat.

So heißt es ja immer noch, dass Katholiken es eigentlich gut hätten. Die könnten Sündigen wie sie wollten, sie müssten nur wieder zu Beichte gehen und alles ist vergeben und vergessen.

Solch eine Vorstellung aber ist absurd und völlig falsch. Sie übersieht, dass die Beichte allein nichts bewirkt. Ohne wirkliche Reue und Umkehr, ohne den Vorsatz auch wirklich etwas im Leben zu ändern, kann ich tausendmal zur Beichte gehen und es passiert absolut nichts.

Wiedergutmachung

Auch ist es ein weit verbreiteter Irrtum, als reiche die Beichte aus, um alles wieder in Ordnung zu bringen. So nach dem Motto: Ich unterschlage 1000 Euro, dann beichte ich es, Gott ist zufrieden, und ich auch, denn ich habe ja immer noch das Geld!

So einfach ist es nicht. Selbstverständlich gehört die Wiedergutmachung zu jeder Umkehr dazu.

Wer einem anderen weh getan oder einen Schaden zugefügt hat, hat zuallererst diesen Schaden wieder in Ordnung zu bringen, und er hat auch denjenigen, dem er Leid zufügte, zuallererst um Verzeihung zu bitten.

Die kirchliche Praxis hat dies im Grunde nie aus dem Blick verloren, auch wenn genau dieser Punkt Ursache für eine ganz leidige Entwicklung geworden ist.

Vom Ablass und Ablasshandel

Wiedergutmachung ist nämlich der eigentliche Hintergrund für das Sprechen vom Ablass. Im Grunde geht es in diesem Zusammenhang nämlich um nichts anderes.

Man hat aber bald erkannt, dass vieles gar nicht wieder gutzumachen ist. Was mache ich, wenn jemand zu Tode gekommen ist? Das lässt sich nicht mehr ungeschehen machen. Oder was kann ich tun, wenn eine Sache lediglich zwischen mir und Gott steht, also gar kein konkret fassbarer Schaden wiedergutgemacht werden könnte?

Hier hat sich recht bald die Praxis von stellvertretenden Werken herausgebildet. Ganz konkret sich etwa um einen alten Menschen zu kümmern, Werke der Nächstenliebe ganz allgemein, für andere zu beten oder auch finanzielle Unterstützung Notleidender kristallisierten sich in diesem Zusammenhang als Alternativen zur ansonsten nicht möglichen Wiedergutmachung heraus.

Gerade im Zusammenhang mit Geldspenden entstand aber der leidige Ablasshandel. Es wurde genau aufgelistet, wie viel an Spenden für welche Vergehen zu entrichten sei.

Und als man dann dazu überging, bereits jetzt für Dinge zu bezahlen, die noch gar nicht verbrochen worden waren, führte sich diese Praxis selbst ad absurdum und wurde zum großen Ärgernis der Kirchengeschichte.

Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang zu betonen, dass es nie um den Kauf von Sündenvergebung ging. In diese Regionen hat man sich auch im Mittelalter nie verstiegen. Es ging - und das ist schon schlimm genug - einzig um die nach der Beichte zu leistenden Bußwerke, für die das Wort Ablass steht.

Gemeinschaftsbezogenheit der Buße

Noch heute aber lastet der Beichte und der Bußpraxis der Kirche diese historische Schuld wie ein furchtbarer Ballast auf den Schultern.

Aber auch hier darf man nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Buße und Beichte und die vielen Formen, in denen Vergebung in den unterschiedlichsten Gottesdiensten erfahrbar wird, sind wichtig und unverzichtbar.

Es kann nämlich nicht darum gehen, dass ich das, was geschehen ist, immer nur mit Gott alleine ausmache.

Gott kennt mich und er vergibt mir mehr, als mir selbst bewusst ist - darauf habe ich eingangs hingewiesen - und demnach braucht es zwischen mir und Gott eigentlich auch keine andere Instanz, um zu vermitteln.

Und dennoch hat meine Schuld und ihre Überwindung einen Bezug zu anderen Menschen und zur Kirche als Gemeinschaft. Wenn ich nämlich schuldig werde, tangiert das nie nur mich allein. Kirche steht deshalb oftmals in so schlechtem Licht da, weil Christen so schlecht sind.

Auch von daher ist es wichtig, vor anderen dazu zu stehen, dass auch ich Mitschuld am allzumenschlichen Erscheinungsbild unserer Kirche habe. Gemeinsame Bekenntnisse haben hier ihren Platz und auch mein Bekennen vor der Kirche in der Beichte. Auch diesen kirchlichen, gemeinschaftlichen Bezug von Schuld und Vergebung hat das Konzil neu ins Bewusstsein gerückt. Denn Kirche ist schließlich nur so gut, wie ihre Mitglieder.


Hier nur zwei - und auch noch - ganz unterschiedliche Thesen.

These 1

Obschon Ablass recht verstanden eine wichtige und auch heute unverzichtbare Sache umschreibt, ist das Wort selbst so belastet, dass man es eigentlich kaum noch verwenden kann.

Auch wenn Kirche als Ganzes hier recht unsensibel ist und unkommentiert von Ablässen spricht und sie propagiert, sollten wir vor Ort sehr viel vorsichtiger sein und dieses irreführende Wort vermeiden.

These 2

Die zweite These hat wohl vor allem lokale Bedeutung und betrifft eigentlich auch nur eine Randerscheinung.

Sie scheint mir aber durchaus der Erwähnung wert:

Überall im deutschen Sprachraum heißt die Antwort auf den Einleitungssatz - "Erbarme dich, Herr, unser Gott, erbarme dich" - der Form B des Schuldbekenntnisses

"Denn wir haben vor dir gesündigt."

Bei uns begegnet immer noch die antiquierte Formulierung:

"Denn wir haben gesündigt vor dir."

Das ist nicht tragisch, führt aber immer wieder zu einem unschönen Kuddelmuddel.

Vielleicht sollten auch wir uns langsam an die seit 1976 im Messbuch stehende und demnach auch vorgesehen Antwort "Denn wir haben vor dir gesündigt." gewöhnen.

(Dr. Jörg Sieger)

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