Unser Glaube

Ein Versuch zeitgemäßer Antworten


Weiter-Button Zurück-Button "Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!" (Mt 25,21) - Von Himmel und Hölle

Was soll man sich unter Himmel vorstellen? Ist die ewige Seligkeit nicht furchtbar langweilig? Warum soll man nicht auf eine Wiedergeburt hoffen? Wer kommt in die Hölle? Und gibt es die Hölle überhaupt?


Eine Frage: Wollen Sie eigentlich in den Himmel? Nein, ich meine jetzt nicht irgendwann einmal in ein paar Jahren; ich meine jetzt gleich! Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Möglichkeit, jetzt gleich in den Himmel zu kommen - sagen wir: in etwa 10 Minuten. Wollen Sie?

Ich kann mir ganz gut vorstellen, was die meisten auf solch ein Angebot antworten würden. Ich fürchte, groß wäre die Begeisterung nicht.

Genügend Argumente dagegen

Natürlich wollen wir in den Himmel. Aber jetzt gleich? Wir sind jetzt doch absolut nicht darauf vorbereitet. Und außerdem gibt es so viel, was wir unbedingt vorher noch erledigen müssen. Und all die Menschen, die uns jetzt noch brauchen! Da muss man doch verstehen, dass "jetzt gleich" wirklich der unpassendste Zeitpunkt ist!

Ich bin mir ganz sicher: Die meisten würden so oder ähnlich antworten. Und viele der Argumente sind auch wirklich einleuchtend.

Wollen wir wirklich?

Ich fürchte nur, dass sich hinter all den durchaus verständlichen Argumenten doch noch etwas anderes verbirgt: Natürlich wollen wir alle in den Himmel, aber doch nicht jetzt! In den Himmel, da möchte man später, in vielen, vielen Jahren: dann, wenn es absolut nicht mehr anders geht; dann, wenn wir wirklich nicht mehr hier bleiben können; wenn's dann halt wirklich einmal sein muss.

Eigentlich gefällt es uns hier ganz gut. Sehnsucht nach dem Himmel haben die wenigsten. Wenn da nicht die Krankheiten wären, wenn es nicht gar so viel Not in diesem Leben gäbe, wenn etwas weniger Leid auf dieser Welt wäre und am Ende nicht der Tod drohen würde - dann könnten wir es ewig hier "aushalten", dann bräuchten wir eigentlich gar keinen Himmel.

Die Dinge, die uns tagtäglich beschäftigen, unser Haus, die Wohnung, der Beruf und all das, was wir uns aufgebaut haben, wollen wir doch gar nicht missen. Wir haben unser Herz so sehr an dieses Leben hier gehängt, dass wir uns mit dem Gedanken, einmal nicht mehr hier zu sein, meist ganz schön schwertun.

Hoffnung auf Wiedergeburt

Deshalb verstehe ich gut, dass immer mehr Menschen heutzutage von so etwas wie Wiedergeburt sprechen. Sie hoffen darauf, noch einmal geboren zu werden. Sie hoffen, dass im Grunde alles genauso bleibt wie bisher.

Aber wäre das wirklich so erstrebenswert? Will ich wirklich alles in meinem Leben noch einmal durchmachen - auch alles Leid- und Schmerzvolle? Will ich wirklich noch einmal von ganz vorne beginnen? Nur um noch einmal alle Erfahrungen machen zu müssen und dann wieder zu sterben, um dann noch einmal neu anzufangen? Und das dann immer so fort ...

Für mich wäre der Gedanke an solch einen Kreislauf des immer wieder Gleichen ein regelrechter Alptraum. Für mich wäre das wie die Hölle.

Ein oft verkanntes Geschenk

Die gute Nachricht unseres Evangeliums ist ja gerade, dass Leid und Plackerei ein Ende haben, dass all das, was unser Leben beschwerlich macht - Gebrechlichkeit und Ungerechtigkeit, Endlichkeit und Unzulänglichkeit -, durchbrochen wird, dass dies in einer neuen Dimension von Wirklichkeit überwunden wird.

Ich will mich nicht mit der ewigen Wiederkehr dieses ach so unvollkommenen Lebens zufriedengeben. Gott selbst stellt uns ein Ziel vor Augen. Er eröffnet uns eine Zukunft. Er lässt uns auf eine ungeahnte Wirklichkeit zugehen.

Die Botschaft vom Himmel, von Gottes Reich, das kommen wird, die Botschaft von dieser neuen Dimension von Wirklichkeit ist deshalb für mich die großartigste Verheißung, die unser Glaube kennt.

Von der Begrenztheit unserer Vorstellungskraft

Die wenigsten Menschen wissen die Botschaft vom Gottesreich zu schätzen! Vielleicht deshalb, weil wir uns so wenig darunter vorstellen können. Wie soll man sich diesen Himmel auch denken? All unsere Vorstellungskraft versagt, so sehr wir es auch versuchen.

Ich stand zum Beispiel einmal in Florenz in der Kirche Sta. Maria Novella vor dem gewaltigen Gemälde, das auf der einen Seite den Himmel, auf der anderen Seite die Hölle beschreibt. Die Hölle hatte der mittelalterliche Maler so dargestellt, wie man sich damals eben die Hölle vorgestellt hatte: Ein riesiges Gewirr von menschlichen Leibern und Teufeln, die diese Menschen mit allen erdenklichen Mitteln quälen. Und auf der anderen Seite, im Himmel, standen - schön aufgereiht, einer neben dem anderen wie die Zinnsoldaten - mit verklärtem Blick die Heiligen.

Vor mir standen ein junger Mann und eine junge Frau aus Deutschland. Er sagte zu ihr: "Schau, das soll der Himmel sein! Da will ich nicht hin, da kannst du nur in Reih' und Glied stehen und Hosianna singen. So etwas Langweiliges! Dann will ich doch lieber dorthin." Und dabei zeigte er auf das Bild von der Hölle: "Da ist wenigstens was los!"

Wir können uns den Himmel nicht vorstellen. All unsere Bilder und Darstellungen dieses himmlischen Reiches verkommen bestenfalls zu Zerrbildern grenzenloser Langeweile. Das beste Beispiel ist der Münchener Engel Aloysius von Karl Valentin, der auf der Wolke sitzt, und angewidert von Langeweile "Hosianna" singen muss.

Es fällt uns schwer, tatsächlich zu erfassen, was die Botschaft vom Himmel für uns bedeutet. Es fällt uns deshalb so schwer, weil wir uns so wenig unter dieser neuen Wirklichkeit von Leben vorstellen können.

Der Vergleich mit dem Menschen vor seiner Geburt

Vermutlich können wir uns das Leben nach unserem Tod genauso wenig ausmalen wie ein Kind, das noch gar nicht geboren ist, sich unser jetziges Leben vorstellen kann. Wie sollte man einem Kind im Leib seiner Mutter - einem Kind, das noch nie Tiere, den Himmel, einen Baum oder Bach gesehen hat -, vor seiner Geburt beschreiben, wie das Leben auf dieser Welt sein wird? Das geht gar nicht. Dieser Versuch wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Genauso scheitern wir, wenn wir uns ausmalen möchten, was genau hinter der Schwelle des Todes auf uns wartet, noch bevor wir diese überschritten haben.

Wir können es uns nicht konkret ausmalen. Aber vielleicht werden wir, wenn wir dann einmal in diese neue Wirklichkeit hineingeboren sind, genauso wenig, wie wir uns jetzt nach dem Himmel sehnen, in unser altes Leben zurückkehren wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass niemand von den Menschen, die diesen Schritt bereits hinter sich haben, auch nur im Traum daran denkt, noch einmal zurückzukehren.

Die Gemeinschaft der Heiligen

Das einzige, was wir wirklich vermissen würden, das müssen wir gar nicht zurücklassen. Das einzige, was uns wirklich fehlen würde, das sind die Menschen, die uns hier lieb und teuer geworden sind. Aber die werden ja bei uns sein - und das ist für mich eine der großartigsten und wichtigsten Aussagen im Zusammenhang mit der Verheißung vom Leben nach dem Tod.

Diese Verheißung gilt nicht nur Einzelnen; sie gilt für uns als Gemeinschaft. Wir sprechen von einer Gemeinschaft der Heiligen - und dieser Ausdruck meint uns alle. Die noch Lebenden und die schon Verstorbenen, wir alle bilden eine große Gemeinschaft, die untereinander verbunden ist. Wir gehören zusammen und nichts kann uns wirklich trennen.

Auch wenn manche von uns früher und manche eben später durch den Tod hindurch in diese neue Wirklichkeit des Lebens hineingehen, wir werden nur auf kurze Zeit voneinander getrennt sein: eine sehr kurze Zeit, gemessen an der Ewigkeit, die für uns bestimmt ist.

Und was ist mit der Hölle?

Und ich hoffe tatsächlich, dass diese neue Wirklichkeit des Lebens, von der Jesus spricht, für uns alle bestimmt ist. Es gibt zwar das Sprechen von der Hölle. Und es gibt die Erfahrung vom Scheitern, von Schuld und von Sünde. Es gibt Menschen, die sich über weite Strecken ihres Lebens von Gott lossagen. Und nach allem, was uns die Schrift sagt, müssen wir dieses Sprechen von der Hölle sehr ernst nehmen.

Aber ich darf hoffen. Ich darf darauf hoffen, dass Gott am Ende jeden Menschen zu sich führt. Ich darf darauf hoffen, dass er jedem so viel Zeit einräumt, dass er am Ende den Weg zu Gott doch noch findet.

Ich muss von der Existenz einer Hölle wohl ausgehen, aber ich darf darauf hoffen, dass sie am Ende leer sein wird.

Gott kann vergeben. Und Gott möchte vergeben. Er will das Leben, nicht den Tod. Und ich hoffe darauf, dass er am Ende auch den größten Sünder auf dem Weg der Umkehr hindurch zu sich führt. Gott will die Hölle nicht, er braucht sie am wenigsten. Hoffentlich sind nicht wir es, die am Ende nach ihr verlangen! Bei Gott habe ich keine Bedenken, dass er vergeben kann. Können wir es auch?

Wenn wir darauf hoffen, dass die Hölle am Ende leer sein soll, dann müssen wir uns vorstellen können, mit allen Menschen zusammen - selbst mit denen, die uns in diesem Leben unermesslich weh getan haben - in diesen Himmel einzuziehen.

Gott kann vergeben, da habe ich gar keine Bedenken. Wenn wir die Hölle nicht wollen, wenn wir darauf hoffen, dass sie leer sein soll, dann müssen wir es auch können. Vielleicht müssen wir da noch ein ganz großes Stück lernen, denen, die uns weh getan haben, wirklich zu vergeben.

(Dr. Jörg Sieger)

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