Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Zurück-ButtonZurück-Button Vita des Heiligen Antonius nach der "Legenda Aurea"

"Vom heiligen Antonius (17. Januar)

Antonius kommt von ana, oben, und tenens, haltend und heißt: der das Obere hält und die Welt verachtet. Denn er verschmähte diese Welt, die unrein, ohne Reue, vergänglich, voller Täuschung und oft bitter ist. Davon spricht Augustinus "O Welt so unrein, was tobst du? Warum willst du uns verführen? Du willst uns halten, wenn du fliehst; was tätest du, wenn du verharrest? Wen täuschst du nicht mit deiner Süßigkeit und bist doch bitter." Das Leben des Antonius hat Athanasius beschrieben.

1. Als Antonius zwanzig Jahre alt war, hörte er in der Kirche, wie gelesen wurde: "Wenn du vollkommen sein willst, geh und verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen." Da verkaufte er all sein Eigentum, verteilte es an die Armen und führte ein Einsiedlerleben. Er hielt unzähligen Versuchungen des Dämons stand. Einmal hat er die leibliche Lust durch die Kraft des Glaubens überwunden; da erschien der Dämon in Gestalt eines schwarzen Kindes, warf sich vor ihm nieder und erklärte sich von ihm besiegt. Antonius hatte nämlich durch Bitten erreicht, daß er den Dämon sehe, der den jungen Männern unkeusche Gelüste eingab. Als er ihn nun in dieser Gestalt sah, sprach er: "Du bist mir in so vollkommener Gestalt erschienen, künftig fürchte ich dich nicht mehr." Ein anderesmal verbarg Antonius sich in einem Grab; da beutelte ihn eine Schar böser Geister so sehr, daß ihn sein Diener für tot hielten und auf seinen Schultern forttrug. Während alle, die zusammengekommen waren, den Leblosen beweinten und heftigen Schmerz empfanden, erwachte Antonius plötzlich und veranlaßte den Diener, ihn wiederum zum Grab zurückzutragen. Dort lag er nun, niedergestreckt vom Schmerz der Wunden, und allein durch die Kraft des Geistes reizte er die Dämonen zum Streit. Da erschienen jene in den Gestalten verschiedener wilder Tiere, die ihn wiederum mit Zähnen, Hörnern und Krallen aufs grausamste zerfleischten. Auf einmal erschien ein wundersamer Schein und vertrieb alle Dämonen; Antonius aber war sofort geheilt. Er merkte, daß Christus anwesend war und sagte: "Wo warst du, guter Jesus, wo warst du? Warum bist du nicht beim ersten Mal hier erschienen, um mir zu helfen und meine Wunden zu heilen?" Der Herr sprach: "Antonius, ich war hier, aber ich wartete, um deinen Streit zu sehen; nun aber, weil du tapfer gekämpft hast, werde ich deinen Namen in der ganzen Welt berühmt machen."

Er hatte aber solchen Eifer, daß er selbst den Märtyrern folgte, als der Kaiser Maximinian die Christen tötete. Er wollte mit ihnen gemartert werden und war sehr betrübt, daß ihm das Martyrium nicht gegeben wurde.

2. Als der heilige Antonius in eine andere Wüste zog, fand er einen silbernen Teller. Er sprach bei sich: "Woher kommt dieser silberne Teller, ohne daß man Spuren von Menschen sieht; wenn ein Reisender ihn verloren hätte, hätte es wegen seiner Größe jedenfalls nicht verborgen bleiben können. Das, Teufel, ist dein Werk. Meinen Willen wirst du dennoch niemals ändern." Und während er dies sagte, verschwand der Teller wie Rauch. Danach fand er einen riesigen Klumpen echten Goldes. Aber er floh das Gold wie eine Feuersbrunst. Auf dieser Flucht gelangte er zu einem Berg und blieb dort zwanzig Jahre lang, wo er unzählige Wunder wirkte. Einmal wurde er im Geist entrückt, und er sah die ganze Welt mit Stricken umspannt, die untereinander verknüpft waren. Da rief er aus: "Wer kann diesen Schlingen entkommen?" Und er hörte eine Stimme: "Demut! " Ein andermal wurde er von Engeln in die Lüfte erhoben. Es waren da aber böse Geister, die das verhindern wollten, indem sie ihm seine Sünden von Geburt an vorhielten. Die Engel sprachen zu ihnen: "Ihr dürft nicht anführen, was durch die Hingabe Christi schon getilgt wurde. Wenn ihr aber Sünden wißt, seit er Mönch wurde, bringt sie vor." Und da es ihnen daran gebrach, wurde Antonius ungehindert in die Höhe gehoben und wieder abgesetzt.

3. Antonius erzählte von sich selbst: "Ich sah einmal einen Teufel, der war groß von Gestalt. Er wagte es, sich die Kraft und die Vorsehung Gottes zu nennen. Er sagte: 'Was willst du, daß ich dir gebe, Antonius?' Ich aber spuckte ihm ins Gesicht, stürzte mich mit dem Namen Christi bewaffnet auf ihn, und sofort verschwand er." Einmal erschien ihm der Teufel in solcher Größe, daß er mit dem Haupt den Himmel zu berühren schien. Auf die Frage des heiligen Antonius, wer er sei, antwortete er: "Ich bin Satan." Und er fügte hinzu: "Warum bekämpfen mich die Mönche so, und warum verfluchen mich die Christen?" Antonius erwiderte ihm: "Sie haben recht, denn sie werden oft von deinen Hinterhalten belästigt." Und jener: "Ich selbst belästige sie keineswegs, sondern sie stören sich gegenseitig. Denn ich bin zunichte gemacht worden, weil Christus schon überall herrscht."

Ein Bogenschütze sah einmal den heiligen Antonius, wie er sich mit seinen Brüdern freute. Das mißfiel ihm. Da sagte Antonius zu ihm: "Nimm einen Pfeil und spanne den Bogen." Er machte es, und als Antonius es ihm ein zweites und ein drittes Mal tun ließ, sagte der Bogenschütze: "Wenn ich so sehr ziehe, werde ich den Bogen brechen, was mir leid täte." Antonius sagte nun: "So ist es auch mit dem Dienst an Gott; wenn wir uns über das Maß anspannen, werden wir zu schnell gebrochen. Es nützt also, zuweilen in der Strenge nachzulassen." Als der Bogenschütze dies hörte, ging er geläutert weg.

4. Einer fragte Antonius: "Woran muß ich mich halten, um Gott zu gefallen?" Er antwortete: "Wohin du auch immer gehst, du sollst immer Gott vor Augen haben. Bei dem, was du tust, lege den Maßstab der heiligen Schrift an. Wohin du dich gesetzt hast, da gehe nicht schnell wieder weg. Halte dich an diese drei Punkte, und du wirst gerettet werden."

Ein Abt fragte Antonius: "Was soll ich tun?" Antonius erwiderte ihm: "Vertraue nicht auf deine eigene Gerechtigkeit, halte Maß beim Essen und Reden und bereue nicht Vergangenes." Und wiederum sagte Antonius: "Wie die Fische sterben, die zu lange auf dem Trockenen bleiben, so verlieren auch die Mönche ihren Vorsatz eines abgeschiedenen Lebens, wenn sie sich zu lange außerhalb der Zelle aufhalten und mit weltlichen Menschen verweilen." Und abermals sprach Antonius: "Wer sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat und in Ruhe lebt, ist drei Kriegen entrissen: dem des Redens, des Hörens und des Sehens. Er hat nur noch einen Kampf zu bestehen: den gegen sein Herz.

5. Einige Brüder kamen mit einem alten Mann, um den Abt Antonius zu besuchen. Antonius sagte zu den Brüdern: "In dem alten Mann habt ihr einen guten Begleiter gehabt. " Dann sagte er zu dem alten Mann: "Hast du sie als gute Brüder befunden?" Jener antwortete: "Gut sind sie freilich, aber ihr Haus hat keine Tür: Denn wer will, tritt in den Stall und bindet den Esel los." Dies sagte er aber, da alles, was in ihren Herzen war, sofort auf ihre Lippen kam. Der Abt Antonius sagte: "Man muß wissen, daß es drei Arten der körperlichen Erregung gibt: Die eine kommt von Natur aus, die zweite aufgrund einer reichlichen Mahlzeit und die dritte wird von einem bösen Geist verursacht." Ein Bruder hatte der Welt abgesagt, aber nicht ganz, denn er hatte sich etwas Eigentum zurückbehalten. Antonius sagte zu ihm: "Geh und kaufe Fleisch." Als er auf dem Rückweg das Fleisch mit sich trug, bissen ihn Hunde. Da sagte Antonius: "Wer der Welt absagt und dennoch Geld haben will, der wird von den bösen Geistern angefeindet und zerrissen."

Als Antonius in der Wüste von Langeweile gequält wurde, sagte er: "Herr, ich will das Heil erlangen, aber meine Gedanken lassen mich nicht." Und er stand auf und ging hinaus. Da sah er einen sitzen und arbeiten, dann aufstehen und beten. Es war das aber ein Engel des Herrn, und er sagte zu Antonius: "Tu ebenso, und du wirst gerettet werden."

Eines Tages fragten die Brüder Antonius nach dem Zustand der Seelen. In der folgenden Nacht rief ihn eine Stimme und sagte: "Steh auf, gehe hinaus und schaue." Und er sah einen großen und schrecklichen Mann, dessen Haupt sich bis zu den Wolken erhob. Er hatte die Arme ausgebreitet und hinderte beflügelte Wesen, die zum Himmel fliegen wollten. Es gab aber welche, die er nicht zurückhalten konnte und die ungehindert vorbeiflogen. Und er hörte den Jubel großer Freude, der aber mit schmerzlicher Klage vermischt war. Er erkannte, daß dies der Aufstieg der Seelen sei und daß der Teufel sie hindere. Die Schuldigen konnte er zurückhalten, nicht aber die Heiligen, worüber er großen Schmerz empfand.

Als Antonius einmal mit den Brüdern arbeitete, blickte er auf zum Himmel, und er sah eine traurige Erscheinung. Er fiel vor Gott nieder und bat, daß er das zukünftige Verbrechen abwende. Die Brüder aber fragten ihn darüber aus. Unter Tränen und Schluchzen sagte er, ein unerhörtes Verbrechen stehe der Welt bevor. "Ich sah den Altar Gottes von vielen Pferden umgeben, die mit ihren Hufen alles zerstampften. Das bedeutet, der katholische Glaube wird durch eine große Verwirrung unterwühlt, und die Menschen werden wie Tiere das Heiligtum Christi plündern. Und es erscholl die Stimme des Herrn: 'Sie werden meinen Altar entehren.'" Zwei Jahre danach brachen die Arianer los und rissen die Einheit der Kirche auseinander. Sie besudelten die Taufbecken und Kirchen und schlachteten die Christen auf den Altären wie Schafe.

6. Ein führender Mann Ägyptens namens Ballachius suchte so die Kirche Gottes heim und ließ Nonnen und Mönche nackt ausziehen und öffentlich auspeitschen. Antonius schrieb ihm folgenden Brief: "Ich sehe den Zorn Gottes über dich kommen. Höre also auf, die Christen zu verfolgen, sonst wird dein Ende nahe sein." Der Unglückselige las den Brief, spottete darüber und warf ihn unter Flüchen auf den Boden. Er ließ die Boten auspeitschen und trug ihnen folgendes auf: "Da du dich so sehr um die Mönche sorgst, werden wir auch dich der Härte unserer Züchtigung unterwerfen." Fünf Tage später aber ritt dieser Ägypter sein Pferd, das sehr zahm war. Da biß es ihn und warf ihn zu Boden. Er brach sich sämtliche Glieder und starb innerhalb von drei Tagen. Als einige Brüder Worte des Heiles von Antonius verlangten, sagte er: "Ihr habt gehört, daß der Herr gebietet: 'Wenn einer dich auf die Wange schlägt, so halte ihm die andere hin.'" "Das können wir nicht erfüllen", sagten sie. Und jener: "Ertragt wenigstens den einen Streich geduldig." Sie aber erwiderten: "Auch das können wir nicht. " Antonius sagte dann : "So habt wenigstens den Willen, lieber geschlagen zu werden, als selbst zu schlagen." Jene: "Und auch das können wir nicht." Da sprach Antonius zu seinem Schüler: "Bereite diesen Brüdern da ein Getränk, denn sie sind allzu zart: Allein das Gebet ist euch nötig." Dies liest man in den Viten der Väter. Im Alter von hundertfünf Jahren umarmte und küßte er die Brüder und entschlief in Frieden unter Konstantin, dessen Herrschaft um das Jahr des Herrn 340 begann." ⋅1⋅

Zurück-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Jacobus de Voragine, Legenda aurea, zitiert nach: Erich Weidinger (Hrsg.), Legenda aurea - Das Leben der Heiligen (Aschaffenburg 1986) 78-81. Zur Anmerkung Button