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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Beiträge zum Amosprozess

Vortrag, gehalten bei verschiedenen Gruppierungen 2008/09, Bruchsal

Der Löwe brüllt - wer fürchtet sich nicht? Gott, der Herr, spricht - wer wird da nicht zum Propheten? (Amos 3,8)

Vortrag über den Propheten Amos, dient als Grundlage für die Ein- und Hinführungen zum Weckruf - Wegruf in verschiedenen Gruppen der Pfarrei St. Peter, z.B. beim Familienkreis 4 am 20.09.08 auf dem Wochenende in Moosbronn, in der Fachschule Sancta Maria 15.-17.12.08, beim ersten Treffen des Kinderbibeltagteams am 05.02.09 in St. Anton, beim Kindergarten St. Anton am 16.02.09 und beim Familienkreis 1 am 23.04.09 in St. Paul

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage Weckruf Wegruf

Einleitung

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes: Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden.

So beginnt das Markusevangelium, das älteste Evangelium überhaupt. Es beginnt mit einem Verweis auf einen der ältesten Schriftpropheten, auf Jesaja. Es ist nicht von ungefähr, dass das Alte Testament im christlichen Kanon mit den Propheten endet und bei Markus auch mit dem Verweis auf die Propheten das Neue Testament beginnt.

Dazu muss man wissen, dass die Hebräische Bibel anders aufgebaut ist, als wir es kennen, nach dem Pentateuch, den 5 Büchern Mose, kommen dort gleich die Propheten. Gesetz und Propheten sind die beiden Säulen auf denen die jüdische Religion fußen.

Auch die Bergpredigt, die zwar radikale Forderungen stellt und für viele daher etwas Neues gegenüber dem AT aufzeigt, will eigentlich nur dessen Gesetze erfüllt wissen und verweist dabei bei Mt 5 auch auf die Propheten:

Vom Gesetz und von den Propheten: 5,17-20

Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich. Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Die christliche Überlieferung beginnt mit dem Bruch des Gottesverhältnisses, ein Vorwurf der das ganze erste Testament durchzieht.

Die Propheten sind eng mit der wechselvollen Geschichte Israels verzahnt. Dieses kleine Land musste sich immer wieder gegen größere Nachbarn behaupten und war ständig zwischen Ägypten, den Assyrern und Babylon in der Gefahr, von einem dieser Völker überrannt zu werden. In Zeiten, in denen genau dies geschah, traten Propheten auf, um davor zu warnen.

zeitlicher Ablauf

Israel hatte um 1000 v.Chr. die Zeit der Reichseinigung unter den Königen Saul, David und Salomo. Zu der Zeit waren die direkten Nachbarvölker schwach, so dass sie nicht nach Israel griffen und es sich in Ruhe einen und ausbreiten konnte. Unter Jerobeam I wurde Nordreich eigenständig. Im 9. und 8. Jh stehen Israel und Juda ständig zwischen Assur und Ägypten. 734-32 syrisch-ephraimitischer Krieg, Israel wird assyrischer Vasallenstaat, aber auch Juda unterwirft sich Tiglatpileser III. Darüber berichten die Propheten Jesaja, Hosea und Amos. Zwei Jahre nach Amos Auftreten gibt es ein schweres Erdbeben in diesem Gebiet. 747-22 Auch Israel wird von Assur erobert, 722-705 wird auch Samaria assyrische Provinz, dies ist das Ende des Reiches Israel. In der Zeit fängt die Überlieferung der Propheten Jesaja, Hosea und Amos (möglicherweise auch Micha) an. 701 wird Jerusalem belagert, auch Juda wird assyrischer Vasallenstaat. Das assyrische Weltreich endet 612 mit dem Fall Ninives. 609 Schlacht bei Megiddo. 597 erobert Nebukadnezar II Jerusalem, 10 Jahre später zum zweiten Mal, dabei werden Stadt und Tempel zerstört und die Bevölkerung deportiert. Dies ist der Anfang der Überlieferung des Jeremia. 539 erobert Kyros II von Persien Babylon, 520-15 wird der Tempel in Jerusalem unter Dareios I wiederaufgebaut. Durch Alexanders Schlacht bei Issos 333 wird die persische Weltherrschaft gebrochen, das hellenistische Zeitalter beginnt. Unter Diadochen, Ptolemäern und Seleukiden entbrennt nach Alexanders Tod ein Streit über die Vorherrschaft im Mittelmeerraum. Ab 160 beginnt das hasmonäische Königtum, das nach dem Makkabäeraufstand 165 einen selbständigen jüdischen Staat errichtet. 63 v.Chr. erobert Pompeius Jerusalem und Israel wird römische Provinz. Die Hasmonäer bleiben nur noch Hohepriester. 37 v.Chr. verlieren sie endgültig ihre Macht und Herodes d.Gr. wird König. 6.n.Chr unter Augustus wird Israel zur römischen Provinz Judäa. Unter den Flaviern gibt es den jüdischen Krieg, der 71 n. Chr. mit der Zerstörung Jerusalems endet. Davon berichtet Flavius Josephus. Kaiser Hadrian zerschlägt 136 n.Chr. den Bar-Kochba-Aufstand. Mit dem Fall Masadas fliehen die Juden aus diesem Gebiet und werden sich in ganz Europa niederlassen. Erst im Zeitalter des Zionismus Ende des 19. Jh. beginnen sie wieder, sich in Palästina niederzulassen.

Vor allem über die Zeit der Fremdherrschaft durch Assyrien und Babel haben wir prophetisches Wirken. Im orientalischen Kulturraum gab es überall Propheten, so hat man am Palast von Mari Texte aus dem 18. Jh. v. Chr gefunden, die von prophetischem Wirken handeln. 1967 hat man an einem Palast im jordanischen der'Alla ein Zeugnis des Sehers Bileam gefunden, der ja auch in der Bibel auftaucht. auch aus der königlichen Bibliothek von Ninive gibt es Zeugnisse von prophetischer Tätigkeit, ebenso aus den Ostraka aus Lachisch einen Brief eines Propheten, in dem es heißt "Sei vorsichtig". Mahnerinnen und Mahner waren üblich.

An ihre Stelle trat der Prophet nach dem Vorbild des Mose, der als erster der Propheten gilt, die im Namen Jahwes auftreten. Ihm hat sich Jahwe nämlich am brennenden Dornbusch geoffenbart. Von den früheren Propheten haben wir keine eigenen Bücher überliefert. Auch Samuel, Nathan, Hulda, Mirjam, Jona, Debora und Elija waren Prophetinnen und Propheten. Aber erst im Zwölfprophetenbuch hat jeder der Schriftpropheten ein eigenes Buch. Nun entsteht diese eigene Gattung. In ihnen sind die Schriftgelehrten zu Propheten und die Propheten zu Schriftgelehrten geworden. Die Prophetenbücher entstanden in einem Zeitraum von ca 500 Jahren, vom ausgehenden 8. bis frühen 2. Jh. v.Chr.

Hinführung zu Amos

Stellen Sie sich nun das Auftreten des Propheten Amos vor. Seine erste große Rede ist die Gerichtsrede. Beim Gericht über die Nachbarvölker tauchen Damaskus, Gaza, Aschdod, Askelon, Edom; Ammoniter, Rabba, und Moab auf. Das kleine Israel lebte wie ich schon ausführte in ständiger Bedrohung vor seinen Nachbarvölkern, die z.T. Israel besetzten und mit ihm Krieg führten. Bis zum zweiten Weltkrieg lebten auch die Deutschen immer wieder in Konflikten mit ihren Nachbarvölkern und führten Krieg gegen Frankreich. Die Nachbarn Österreich und Italien hatten kriegerische Auseinandersetzungen um bestimmte Gebiete. Mit diesen Begebenheiten ist die Erzählung zu vergleichen.

Wir befinden uns auf dem Marktplatz in Samaria. Viele Menschen drängen sich an den Ständen vorbei. Die meisten kennen sich. Plötzlich taucht ein unbekannter Mann auf. Er nimmt eine Holzkiste, stellt sich drauf und fängt an, eine Rede zu halten. Zunächst nimmt ihn kaum einer war, dann fangen einige an zu lachen, stoßen sich an, werden still und hören zu. Ruhig und deutlich klingt seine Stimme über den Platz.

Amos: (1, 3-5, gekürzt)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Damaskus haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben Gilead grauenvoll verwüstet. Darum verschone ich sie nicht. Ich lege Feuer an die befestigten Paläste. Ich zerbreche die Riegel an den Toren von Damaskus und gebe die Stadt ihren Feinden preis. Die Bevölkerung von ganz Syrien wird nach Kir verschleppt. Das sage ich, der HERR."

Das Volk traut seinen Ohren nicht. Eine-r ruft: "Hört mal, der drischt auf unsere Feinde ein." Man hört einzelne Rufe: " Recht so, bravo, gib's ihnen!"

Amos: (1, 6-8)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Gaza haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben ganze Dörfer entvölkert und ihre Bewohner an die Edomiter verkauft. Darum verschone ich sie nicht. Ich lege Feuer an die Mauern von Gaza, damit es seine Prachtbauten verzehrt. Auch die Herrscher von Aschdod und Aschkelon bringe ich um, die Stadt Ekron bekommt meine Hand zu spüren. Und der ganze Rest der Philister wird auch umkommen. Das sage ich, der HERR."

Das Volk schreit leidenschaftlich: " Gib's den Philistern, diesen Sklavenhändlern. Lass sie von Gott zusammenhauen. Super, recht so, denen geschieht es ganz recht!"

Amos: (Amos 1, 9-10)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Tyrus haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben den Freundschaftsbund mit Israel gebrochen und die Bewohner ganzer Dörfer an die Edomiter verkauft. Darum verschone ich sie nicht. Ich lege Feuer an die Mauern von Tyrus, damit es seine Prachtbauten verzehrt."

Volk: "Klasse, echt toll, Du bist unser Mann! Du sprichst uns aus dem Herzen!"

Amos: (Amos 1, 11-14 gekürzt)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Edom haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Den Israeliten, die doch ihr Brudervolk sind, haben sie erbarmungslos mit dem Schwert nachgestellt und den Haß immer aufs neue geschürt. Darum verschone ich sie nicht. Ich schicke Feuer in ihr Land. Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Ammon haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Als sie ihr Gebiet zu erweitern suchten, haben sie in der Landschaft Gilead sogar schwangeren Frauen den Leib aufgeschlitzt. Darum verschone ich sie nicht. Ich lege Feuer an die Mauern ihrer Hauptstadt Rabba, damit es die Prachtbauten verzehrt. Das Kriegsgeschrei dröhnt, wie ein brausender Sturm tobt die Schlacht, wenn das geschieht."

Volk: "Mach sie fertig! Diese Unmenschen! Wie kann man nur so was tun. Das sind Monster, buh."

Amos: (Amos 2,1)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Moab haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben die Gebeine des Edomiterkönigs zu Asche verbrannt. Darum verschone ich sie nicht."

Volk: "Nieder mit den Feinden Israels. Gott soll es richten, er ist unser Richter. Er zerstört unsere Feinde. Nieder mit ihnen!" Das Volk tobt, buht, schreit und klatscht, der Tumult wird immer heftiger.

Amos: (Amos 2,4)

"Hört, was der HERR sagt: "Die Leute von Juda haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben mein Gesetz mißachtet, meine Gebote übertreten und sich von falschen Göttern verführen lassen, genau wie ihre Vorfahren. Darum verschone ich sie nicht. Ich schicke Feuer in das Land, damit es die Prachtbauten Jerusalems verzehrt."

Ein einzelner Schrei aus dem Volk, das noch immer tobt: "Greueltaten Israels, ich glaub, ich spinne, das gibt es doch nicht!" Plötzlich herrscht Totenstille.

Amos: (Amos 2, 4-6 gekürzt)

Hört, was der HERR sagt: "Auch ihr Leute von Israel habt Verbrechen auf Verbrechen gehäuft! Darum verschone ich euch nicht. Ihr verkauft ehrliche Leute als Sklaven, nur weil sie ihre Schulden nicht bezahlen können, ja ihr verkauft einen Armen schon, wenn er euch eine Kleinigkeit wie ein Paar Sandalen schuldet."

Das Volk schaut sich an, viele warten erst mal ab, wie die anderen reagieren, schauen sich gegenseitig an, manche schauen verschämt nach unten, weil sie sich irgendwie angesprochen fühlen.

Amos: (Amos 2, 7-9 gekürzt)

"Vater und Sohn mißbrauchen dasselbe Mädchen. Mit all dem befleckt ihr meinen heiligen Namen. Neben jedem Altar streckt ihr euch auf Kleidern aus, die ihr den Armen als Pfand abgenommen habt; in euren Heiligtümern trinkt ihr Wein, den ihr als Ersatz für nicht bezahlte Schulden eingefordert habt."

Volk: Einzelne leise Rufe: "Endlich wieder ein Prophet, der sagt, was nicht richtig ist" dagegen andere, " Sei doch still, als ob das nicht alle machen" - " Woher willst Du wissen, was Gott von uns will?"

Amos: (Amos 2, 10-16 gekürzt)

Dabei habe ich doch euretwegen die Amoriter vernichtet. Ich habe euch aus Ägypten befreit und euch vierzig Jahre lang durch die Wüste geführt, bis ihr das Land der Amoriter in Besitz nehmen konntet. Hört her, ihr Leute von Israel! Ihr seid das Volk, das der HERR aus Ägypten herausgeführt hat. Er läßt euch sagen: "Von allen Völkern der Erde habe ich euch allein ausgewählt. Deshalb wiegt eure Schuld so schwer, und ich muß euch dafür zur Rechenschaft ziehen. Ich lasse die Erde unter Euch schwanken."

Plötzlich bricht die Stille, alle schreien sich gegenseitig an: "Schickt ihn weg, was wagt der sich, schlagt ihn tot!" "Wer wagt es, das Volk Gottes zu beleidigen?" "Er hat ja recht, endlich einer, der mal die Wahrheit sagt" - "seid ihr doch still, stellt euch nicht noch auf dessen Seite!" "was will der sagen, kündigt der ein Erdbeben als Strafe an" "so'n Blödsinn".

Wer war Amos? - Hintergründe

Um diesen Amos, diesen Schafzüchter und Besitzer von Maulbeerfeigenplantagen zu verstehen, muss man folgendes als Hintergrund wissen:

Amos selbst kam aus Tekoa, möglicherweise einer kleinen befestigten Stadt, je nach Buch 8 oder 16 km südlich von Jerusalem in der judäischen Wüste, dort aber wachsen keine Maulbeerfeigenbäume. Vielleicht hat er dort nur gearbeitet, dort seine Tiere gezüchtet und hatte auch noch woanders seine Plantagen. Dann aber war er kein ungebildeter, bäuerlicher Visionär. Vielleicht gab es jedoch noch einen zweiten Ort namens Tekoa, der alle Bedingungen erfüllt. Er war kein Berufsprophet, das erfahren wir über seine Ausweisung, eine der wenigen biographischen Einschübe in der Schrift. Er hatte als Privatmann Visionen und war laut Blenkinsopp ein "intellektueller Dissident", ein Visionär im zu Tode verurteilten aber nichts ahnenden Volk Israel.

Seine Botschaft richtet sich wie bei Hosea, Micha und Jesaja an die Herrscher, aber auch an die reichen Städter und das Volk.

Das Südreich hat Jerusalem als Hauptstadt, dort ist auch der Tempel. Das Nordreich hat große politische Probleme, viele Könige werden ermordet, es gibt häufige Wechsel, auch in den Hauptstädten. Zuletzt wird es Samaria. Da der Tempel in Jerusalem liegt, reaktiviert König Jerobeam ein altes Heiligtum in Bet-El zum Reichsheiligtum. Dieses spielt bei Amos auch eine wichtige Rolle. Bet-El d.h. Haus Gottes. Nach Jerusalem befindet sich dort die in der Bibel am häufigsten erwähnte Ortschaft Palästinas. Bereits in der Richterzeit war hier ein nationales Heiligtum, zeitweilig Sitz der Bundeslade. Samuel sprach hier Recht. Ursprünglich handelte es sich um eine kanaanäische Kultstätte, in der dann der Jahwekult eingeführt wurde. Zu Beginn der Monarchie war Bet-El ein populärer Wallfahrtsort. Nach der Teilung in Süd- und Nordreich lag es somit nahe, den ebenso wie Jerusalem hoch gelegenen Ort 19 km nördlich von diesem als Pendant zu Jerusalem und damit als Staatsheiligtum mit Tempel des Nordreichs zu errichten. Die Propheten wetterten oft gegen diesen Kultort.

Das Amosbuch lebt von der Konkurrenz zwischen Nord- und Südreich.

Kriege, Dürrezeiten, Heuschreckenschwärme, Erdbeben bringen Hungersnot und Elend. Damit verbunden ist der Aufstieg einer sozialen Klasse, die immer reicher wird, und andererseits der Druck auf das kleine Volk durch Arbeitsdienste, Steuern, Verschuldung und manchmal Sklaverei. Seit den Anfängen der beiden Königreiche vertieft sich der Graben zwischen Armen und Reichen.

König Jerobeam II (783-743 v. Chr.) regierte dreißig Jahre in Israel. Innen- und Außenhandel blühen. Es war die Zeit der größten Expansion des Nordreichs. Es gab eine reiche Oberschicht. In der Hauptstadt Samaria breitete sich der Luxus immer mehr aus. Das Mobiliar wurde immer feiner: Teppiche, Kissen, Betten, Möbel mit eingelegtem Elfenbein. Die, die einen Sommerpalast haben, konnten sich auch einen Winterpalast leisten und ein angenehmes Leben auf weichen Kissen bei den Klängen von Musik.

Um 750 v. Chr. dringt eine schreckliche Gefahr in den Mittleren Orient und nach Israel ein. Assur will die Nachbarländer erobern. Seine Heere sind außerordentlich brutal, sie töten, schlachten, verschleppen ganze Völker. Seit 745 v. Chr. zahlt Israel Tribut. Aber in der Folgezeit wissen seine Könige nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Israel gleicht einer "aufgescheuchten Taube". König Hoschea weigert sich zu zahlen und wendet sich an Ägypten. Um 724 v. Chr. steht Salmanassar V., der König von Assur, vor den Pforten Samarias. Um 721 v. Chr., nach dreijähriger Belagerung, fallt die Stadt in die Hände der Feinde. Das ist das Ende des Nordreiches.

Wegen der drei Verbrechen, die Israel beging, / wegen der vier nehme ich es nicht zurück: Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen / und den Armen für ein Paar Sandalen, weil sie die Kleinen in den Staub treten / und das Recht der Schwachen beugen.... Am 2,8 Sie strecken sich auf gepfändeten Kleidern aus / neben jedem Altar, von Bußgeldern kaufen sie Wein / und trinken ihn im Haus ihres Gottes.

Da hört für die Menschen der Spaß auf. Ihre eigenen Vergehen wollen sie nicht hören. Es war üblich, dass jemand, der nichts mehr hatte, seinen Mantel als Pfand abgeben konnte, um Brot für den Tag für sich und seine Familie zu kaufen. Am Abend musste der Mantel aber wieder zurückgegeben werden, weil er als Decke für die Nacht diente. Dem Pfandrecht sind im alttestamentlichen Gesetz enge Grenzen gesetzt. Es gab z. B. ein Gesetz, das die Rückgabe des gepfändeten Mantels bis zum Abend verlangte (Exodus (= 2. Buch Mose) 22,25). Sich auf gepfändeten Kleidern hinzulegen und von Bußgeldern Wein zu kaufen, zeigt keinerlei Respekt mehr vor den ursprünglichen Eigentümern. Diesen Respekt fordert Gott aber ein. Auf dem Jameh-Jam Ostrakon Nr. 1 aus Mesad Hacharjahu südlich von Tel Aviv wird von einem ähnlichen Fall ein Jahrhundert später berichtet. Das bedeutet, dass dieses in Exodus verbürgte Recht nicht mehr eingehalten wird.

Amos prangert weiter an, dass Bußgelder, die für die Deckung eines angerichteten Schadens gedacht waren, für die Finanzierung von Saufgelagen verwendet werden. Amos der Mann vom Land hat nichts übrig für das Leben der arbeitsscheuen Reichen in der Stadt.

Das ist die Kehrseite der Medaille. Durch Naturkatastrophen wie Dürre, Heuschrecken und Erdbeben, durch Militär- und Frondienste, eine zu hohe Steuerlast sind viele Menschen völlig verarmt. Amos macht sich zum Anwalt der Enteigneten und Ausgeschlossenen, er klagt an: den Verkauf in die Sklaverei wegen nichtiger Ursachen, zu hohe Strafen, Verfälschung von Maßen und Gewichten, unehrliche Handelsgeschäfte und Korruption der Rechtsverfahren. Auch die Feldzüge der Assyrer im Westen zerstören das Land.

Das Amosbuch lässt sich zu einem großen Teil als Werk aus deuteronomistischer Zeit einordnen. Dort wird z.B. häufig der Kult von Bet-El verdammt, dort ist auch klar, dass das Haus Jakob nicht vollständig vernichtet werden kann. Dies war Hoffnung der Exilzeit und Frühzeit des zweiten Tempels, man träumte von einer Wiederherstellung der Davidsdynastie und einem zweiten goldenen Zeitalter. Daher werden alte Flüche in Segenszusagen verwandelt.

Die Aufzeichnung durch Schülergruppen, von denen aber nichts überliefert ist, begann wohl zur Zeit nach dem Erdbeben (Am 1,1;4,11;6,11;7,7f;8,8;9,1), wurde um 745 v Chr zur Zeit des Staatsstreich durch Sallum bearbeitet (Am 7,9;7,11) Das wird in den Ereignissen um die Ankündigung des Todes des Jerobeam deutlich. Dann kamen Ergänzungen in der zeit nach dem Fall des Nordreiches 722 vChr hinzu (Am 6,15). Eine aktualisierte Fassung des Prophetenbuchs gab es Mitte des 6. Jh v.Chr (Am 2,4;5,25-27; 9,11-15)

Das Buch zeigt einen Formenreichtum. Es gibt Fremdvölkersprüche, Anklage und Verurteilung, Hymnen und Doxologien, Spruchsammlung, Bilder, Klage...

Einer der erstaunlichsten Aspekte ist die Tatsache, dass der Gottesdienst als Ausdruck eines radikal verfehlten Lebens dargestellt wird. Der Gottesdienst wurde zur Durchsetzung eigener Ziele und Werte missbraucht. So findet man diese Kritik sonst nirgendwo. Den Opferkult dagegen greift die prophetische Kultur häufig an.

Wichtig ist auch die Begründung für sein Tun:

Gott und die Propheten: 3,3-8

"Gehen zwei den gleichen Weg, ohne daß sie sich verabredet haben? Brüllt der Löwe im Wald, und er hat keine Beute? Gibt der junge Löwe Laut in seinem Versteck, ohne daß er einen Fang getan hat? Fällt ein Vogel zur Erde, wenn niemand nach ihm geworfen hat? Springt die Klappfalle vom Boden auf, wenn sie nichts gefangen hat? Bläst in der Stadt jemand ins Horn, ohne daß das Volk erschrickt? Geschieht ein Unglück in einer Stadt, ohne daß der Herr es bewirkt hat? Nichts tut Gott, der Herr, ohne daß er seinen Knechten, den Propheten, zuvor seinen Ratschluß offenbart hat. Der Löwe brüllt - wer fürchtet sich nicht? Gott, der Herr, spricht - wer wird da nicht zum Propheten?"

Gott kann nicht für die Katastrophe verantwortlich gemacht werden, denn er hat sein Volk durch seine Knechte, die Propheten, warnen lassen.

Leider wissen wir nach seiner Ausweisung nichts mehr von ihm. Der letzte biographische Einlass ist:

Die Ausweisung des Propheten: 7,10-17

Amazja, der Priester von Bet-El, ließ Jerobeam, dem König von Israel, melden: Mitten im Haus Israel ruft Amos zum Aufruhr gegen dich auf; seine Worte sind unerträglich für das Land.
11 Denn so sagt Amos: Jerobeam stirbt durch das Schwert, und Israel muß sein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.
12 Zu Amos aber sagte Amazja: Geh, Seher, flüchte ins Land Juda! Iß dort dein Brot, und tritt dort als Prophet auf!
13 In Bet-El darfst du nicht mehr als Prophet reden; denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel.
14 Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter, und ich ziehe Maulbeerfeigen.
15 Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!
17 Darum - so spricht der Herr: Deine Frau wird in der Stadt als Dirne leben, deine Söhne und Töchter fallen unter dem Schwert, dein Ackerland wird mit der Meßschnur verteilt, du selbst aber stirbst in einem unreinen Land, und Israel muß sein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.

Danach wissen wir nichts mehr von Amos. Wir wissen auch nicht, ob er mit seiner Aussage, ich bin kein Prophet, sagen will, ich war es nicht, es ist nicht mein Beruf, oder ob er sich auch jetzt nicht so fühlt. Eines ist jedoch klar, da er nicht Berufsprophet ist, muss er niemandem nach dem Mund reden und ist finanziell unabhängig, er steht nach seiner Ausweisung nicht auf der Straße.

Interessant ist auch, dass dieser biographische Bericht der Ausweisungen sich zwischen den Visionen befindet. (Am 7, 1 - 9,6) Möglicherweise sind die fünf Visionen nämlich früher gewesen, sie haben den Propheten vielleicht erst zum navi gemacht, zum von Gott berufenen Rufer. Es spricht einiges dafür, dass der Hirt und Maulbeerfeigenzüchter diese Visionen schon in seiner Heimat hatte und sie ihn nach Samaria führten. Nun, im Rückgriff, berichtet er von dem, was er gesehen hat und was Israel bedroht.

Niemand hat Israel vorher solch katastrophales Unheil vorausgesagt wie Amos in seinen Visionen. Kein Wunder, dass so jemand ausgewiesen wird. Aus dem Heilspropheten, der an die unendliche Vergebungsbereitschaft JAHWES an seinem Volk glaubt, wird hier ein Unheilsprophet. Dies beginnt bei Amos, setzt sich in den anderen Prophetenbüchern aber fort.

Was Amos in den Visionen seinem eigenen Volk prophezeit, nämlich der Untergang, begann schon in den Völkerorakeln am Beginn. Auch dort sagte er den Untergang der Nachbarvölker voraus. Für Israel sieht er, dass nur noch ein kläglicher Rest im Land bleiben wird, diejenigen, die die Leichenklage anstimmen und die Klage im Tempel, der Rest ist tot oder deportiert. Für einige der Exegeten ist klar, dass Amos damit andeutet, dass eine Großmacht Syrien-Palästina in einem verheerenden Krieg schlägt. Dabei denkt dann natürlich heute jeder an die Assyrer. Zur Zeit Jerobeams, also des Auftretens des Amos war diese Großmacht zwar bis Damaskus gelangt, aber im Land selbst herrschten wie schon berichtet, stabile Verhältnisse. Laut Koch zählt Amos auch nur die Staaten auf, die einst zum davidischen Reich zählten, daher lässt er Ägypten und Assyrien außen vor, er hofft also auf die großisraelitische Idee einer Reichseinigung.

Dies wird auch festgemacht daran, dass Amos Israel sechsmal Jakob, zweimal Isaak und dreimal Josef nennt.

Der Name Jakob wird mit Israel gleichgesetzt. Jakob, der Sohn Isaaks und Enkel Abrahams ist der Stammvater der 12 Stämme Israel. Die Gleichsetzung von Jakob mit Israel ist biblisch begründet, denn er muss am Fluss Jabbok mit Gott kämpfen. Dabei sagt Gott ihm zu: "Da sprach der Mann: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter); denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen." (Gen 32, 28). So ist das Haus Israel das Gleiche wie das Haus Jakob. So kann mit Jakob und 'Haus Jakob' eben auch das ganze Volk Israel gemeint sein. Aber auch die anderen Erzväter werden mit Israel gleichgesetzt.

Und – gerade das Heiligtum von Bet-El, von dem laut dem Propheten besonders viel Unheil ausgeht, ist die Feierstätte der Landnahme, also ein historisch bedeutsamer Tempel.

Wenn wir das alles miteinander verbinden, ist es durchaus möglich, dass es im Geschichtsbewusstsein des Propheten den Traum eines neuen Davidreichs gibt.

Noch eines ist beachtlich, wenn die Nachbarn nach Israel eindringen, um es zu vernichten, auch wegen seiner Frevel, dann bedient sich JAHWE somit auch der Fremdvölker, der Erbfeinde wie Philister und Aramäer ebenso wie der Kuschiten im fernen Sudan. Damit nimmt er der Gottesauffassung die regionale Beschränktheit.

Zu all diesen Überlegungen passt dann auch das Ende des Buches, wenn es dort heißt:

Die Verheißung des künftigen Heils: 9,11-15

An jenem Tag richte ich die zerfallene Hütte Davids wieder auf und bessere ihre Risse aus, ich richte ihre Trümmer auf und stelle alles wieder her wie in den Tagen der Vorzeit, damit sie den Rest von Edom unterwerfen und alle Völker, über denen mein Name ausgerufen ist - Spruch des Herrn, der das alles bewirkt. Seht, es kommen Tage - Spruch des Herrn -, da folgt der Pflüger dem Schnitter auf dem Fuß und der Keltertreter dem Sämann; da triefen die Berge von Wein, und alle Hügel fließen über. Dann wende ich das Geschick meines Volkes Israel. Sie bauen die verwüsteten Städte wieder auf und wohnen darin; sie pflanzen Weinberge und trinken den Wein, sie legen Gärten an und essen die Früchte. Und ich pflanze sie ein in ihrem Land, und nie mehr werden sie ausgerissen aus ihrem Land, das ich ihnen gegeben habe, spricht der Herr, dein Gott.

Für viele Exegeten ist dies nachträglich eingefügt, um dem Ganzen doch noch einen versöhnlichen Schluß zu geben, aber einige Aussagen passen auch zum Gesamtwerk des Propheten, der wünscht, dass Gottes Gesetze, wie wir sie z.B. im Buch Exodus finden, gehalten werden, dass Israel umkehrt, um dann wieder in einem geeinten Großreich zu leben, so wie es zur Zeit Davids war.

Literaturhinweise:

(Marieluise Gallinat-Schneider)