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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Ansprache in der Andacht mit Gräberbesuch an Allerheiligen, 01.11.2025, 15 Uhr St. Peter, Bruchsal

1 Als Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien der HERR dem Abram und sprach zu ihm: Ich bin El-Schaddai. Geh vor mir und sei untadelig![1] 2 Ich will meinen Bund stiften zwischen mir und dir und ich werde dich über alle Maßen mehren. 3 Abram fiel nieder auf sein Angesicht. Und Gott redete mit ihm und sprach: 4 Ich bin es. Siehe, das ist mein Bund mit dir: Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern. 5 Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham, Vater der Menge, wird dein Name sein; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt. 6 Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar und lasse dich zu Völkern werden; Könige werden von dir abstammen. 7 Ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und mit deinen Nachkommen nach dir, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein. 8 Dir und deinen Nachkommen nach dir gebe ich das Land, in dem du als Fremder weilst, das ganze Land Kanaan zum ewigen Besitz und ich werde für sie Gott sein. 9 Und Gott sprach zu Abraham: Du aber sollst meinen Bund bewahren, du und deine Nachkommen nach dir, Generation um Generation. (Gen 17, 1ff)

Liebe Schwestern und Brüder,

Abraham bekommt mehrfach von Gott die Verheißung, dass Gott ihn gesegnet hat und seine Nachkommen so zahlreich sein werden wie die Sterne am Himmel oder der Sand am Meer. Stammvater zahlreicher Nationen! Als ich im Freundeskreis darüber gesprochen habe, dass der ökumenische Hospizdienst seinen Gottesdienst zum 30 jährigen Jubiläum unter das Thema Erntedank stellt, haben einige zu mir gesagt, was ist eigentlich meine persönliche Ernte? Was bleibt von mir, wenn ich einmal sterbe? Welche Früchte habe ich eingefahren? Was habe ich erreicht? Die Menschen, die Kinder haben, werden sicher auf ihre Nachkommen blicken und überlegen, was damit von ihnen bleibt, welche Spuren sie gelegt haben. Habe ich nach Luther einen Baum gepflanzt, habe ich einen Sohn gezeugt, eine Tochter geboren, ein Buch geschrieben, eine Erfindung gemacht? Habe ich im Beruf oder Ehrenamt gewirkt und bin daher geehrt worden? Die meisten werden eher nicht auf solche Erfolge zurückblicken – Bäume und Kinder als Erbe hinterlassen vermutlich einige von uns, zumindest mehr, als die anderen Dinge. Meine Kinder sind die Apfelbäumchen die ich gepflanzt habe. Ist es das, was bleibt? Sind das nach meinem Tod die Spuren meines Lebens? Ich denke noch oft an ein Trauergespräch vor einiger Zeit zurück, bei dem ich ganz viel mitgeschrieben habe, als vom Leben der Verstorbenen erzählt wurde. Der Sohn sagte dann ganz erstaunt: „So viel über das Leben einer ganz einfachen Frau! Nie ist sie gewürdigt worden, sie war ja in keinem Verein, hat nicht gearbeitet! Das täte ihr sicher gut, zu wissen, dass ihr Leben jetzt auch mal in den Mittelpunkt gestellt wird!“ Das hat mich sehr berührt. Es sind ja nicht nur die vermeintlich wichtigen Menschen, die bekannten, berühmten, von denen wir Notiz nehmen sollten, sondern jeder Mensch ist gleich wertvoll. Wir alle als Gottes Töchter und Söhne sind von ihm geliebt und beim Namen gerufen. Bin ich unvergessen? Sehnen wir uns danach, nicht vergessen zu werden? Lothar Zenetti drückt es wie folgt aus:

Hoffnung
Nein
ich bin meiner Sache nicht sicher
was das Ende betrifft
das Sterben das Grab das Vergehn
und den unaufhaltsamen Tod
der mich aufzehren wird
und austilgt für immer
daran ist kein Zweifel
Und doch bin ich manchmal nicht sicher
und zweifle am Augenschein
und denke nach
ob nicht doch etwas bleibt
von dem was ich war ob nicht doch
im grauen Geröll in dem Staub
in dem Tod eine Spur sich
unvergessen erhält
ob nicht doch einer ist
der mich ruft mit Namen vielleicht
der mir sagt dass ich bin
dass ich sein soll für immer
und leben werde mit ihm
Nein
ich bin meiner Sache nicht sicher
was das Ende betrifft und den Tod
gegen den Augenschein
hoff ich auf Ihn

Gott, der uns geschaffen hat, hat unsere Spur hier auf der Erde gelegt, er hat uns beim Namen gerufen, ins Leben gerufen. Für ihn sind wir wichtig, egal, welche tollen Leistungen wir vollbracht haben. Im Buch Genesis verspricht er, dass der Bund mit Abraham und seinen Nachkommen auf ewig gilt, er hat einen Bund mit uns allen geschlossen, der verspricht, uns nicht fallen zu lassen. Gott lässt also niemanden aus dem Bund fallen, auch die nicht, an die hier auf Erden niemand denkt, weil sie keine Nachkommen haben und einsam oder alleine sind. Wir sind heute hier, weil wir uns an Menschen erinnern, die uns wichtig sind, die vor uns gelebt haben, die unsere Angehörigen, Freunde, Verwandte oder einfach Nachbarn oder Kollegen waren. Wir halten das Gedenken wach und das nicht, weil diese Menschen berühmt waren oder Großartiges geleistet haben. Nein, weil sie wichtig für uns sind, weil sie in unseren Herzen Spuren hinterlassen haben, weil sie uns etwas bedeuten. Sie sind wichtig, weil sie anderen Gutes getan haben. Albert Schweitzer hat festgestellt: Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen. Und diese Leistung kann der einfachste bescheidenste Mensch ebenso geben wie der mit dem tollen Beruf. In unserem Herzen werden Menschen für immer bleiben, die Liebe gegeben haben. Dabei geht es nicht um Leistung, sondern die Frage, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe. Gebe ich ihnen etwas von mir weiter? Die Zeit, die ich für meine Mitmenschen aufwende, die Zuneigung, die ich ihnen gebe, das sind Spuren die ich lege. Damit bin ich nicht nur von Gott, der mich beim Namen gerufen hat, gehalten und nicht vergessen, sondern auch von Menschen, die sich an mich erinnern. So will ich mit noch einem Zitat von Albert Schweitzer schließen: Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir ungefragt weggehen und Abschied nehmen müssen.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)