Navigation zeigen
Navigation verbergen

Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt im ökumenischen Hospizgottesdiens, 16.01.2024, St. Anton, Bruchsal

Bibeltext

Lesung aus dem Lukasevangelium, 2, 22-33
Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: 29 Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.

Liebe Gemeinde,

ich war schon öfter im Kloster zu Besinnungstagen oder Exerzitien und habe auch am Stundengebet teilgenommen. Dort wird in der Komplet, dem Nachtgebet der eben gehörten Text, das sogenannte Nunc dimitis, der Lobpreis des Simeon gebetet, bevor sich die Mönche oder Ordensschwestern zum Schlafen legen. Die Komplet endet mit den Worten „Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende gewähre uns der allmächtige Herr.“ Oft habe ich selbst die Stirn gerunzelt oder die Reaktion anderer erlebt, was ist das für ein Satz, was für eine Formulierung, ein gutes Ende? Na, so weit ist es noch nicht, ich will noch nicht sterben. Wieso wird uns jetzt ein gutes Ende gewünscht, bevor wir uns hinlegen?

Für uns klingt dieser Wunsch seltsam. Wir sind so diesseitig orientiert, dass es uns befremdlich anmutet, für ein gutes Sterben zu beten. In früheren Zeiten war es für die Menschen selbstverständlich, um eine gute Sterbestunde zu bitten. Das Sterben gehörte zum Leben. Wir jedoch vergessen, dass unser Leben endlich ist. Diese Bibelstelle ist das Nachtgebet der Kirche, sie thematisiert jedoch das Sterben. Auch in anderen lyrischen Texten finden wir oft eine Verbindung zwischen Schlaf, Nacht, Dunkelheit und Sterben, so wie wir oft die Redewendung verwenden, dass jemand friedlich eingeschlafen ist. Und- wir sprechen vom Schlaf des Gerechten. Kinder haben oft Angst vor der Dunkelheit und auch davor, sich schlafen zu legen, weil sie denken, sie wachen nicht mehr auf, da ist eine Ungewissheit, was passiert, wenn ich die Kontrolle abgebe?

Dietrich Bonhoeffer thematisiert auch diese Frage der Dunkelheit in seinem Gedicht von guten Mächten:

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Auch hier ist es die Frage, werden wir uns wiedersehen? Wird die Dunkelheit noch hell werden? In der Komplet geht es darum, runter zu kommen, alles abzulegen, ruhig zu werden und langsam in den Schlaf hinüberzugleiten, getröstet und gesegnet durch Gott. Wir sollen im Schlaf Frieden finden, die Gedanken, die Hektik des Tages ablegen, sie nicht mehr kreisen lassen sondern alles, was war zurücklegen in Gottes Hand. Simeon, der greise Mann war alt und lebenssatt. Er wartet sein Leben lang auf den verheißenen Messias. Er hat die Prophezeiung durch den Heiligen Geist bekommen, dass er nicht sterben wird, bevor seine Augen den Messias gesehen haben.

Vor 1 ½ Wochen haben wir die Weihnachtszeit beendet. Das Lukasevangelium ist eng mit den Berichten der Weihnachtszeit verbunden, dort werden uns die Erzählungen überliefert, die uns durch den Advent und die Weihnachtszeit begleiten. 3 besondere lyrische Texte in Form alttestamentlicher Gebete sind dabei ein Sondergut dieses Evangeliums, nämlich das sogenannte Benedictus, der Lobpreis des Zacharias, als er erfährt, dass er und seine Frau noch ein Kind, nämlich Johannes den Täufer bekommen, das Magnificat, den Lobpreis der Maria, als sie vom Engel die Geburt ihres Sohnes verheißen bekommt und eben das Nunc dimitis, der Lobpreis des Simeon, der weiß, dass mit Jesus das Heil, der Heiland, in sein Leben tritt.

Katholischerseits steht der Bibeltext am Festtag Maria Lichtmeß oder korrekt: „Darstellung des Herrn“, genau 40 Tage nach Weihnachten, am 2.2. im Mittelpunkt der Liturgie. Damit endete bis zum 2. Vatikanischen Konzil die Weihnachtszeit.

Wie es Brauch war, brachten Maria und Josef Jesus in den Tempel. Als sie dort eintreten, weiß Simeon, dass er das Heil gesehen hat. Er weiß, in Jesus ist Gott Mensch geworden. Er sagt: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Er kann nun in Ruhe sterben, weil ihm diese Ehre zuteil wurde, den Heiland zu sehen. Wir alle hoffen, dass wir am Ende unseres Lebens das Heil Gottes sehen dürfen. Dieses Heil ist in Jesus Mensch geworden, das feiern wir an Weihnachten. Dieses Kind ist der Ersehnte, der Messias. Simeon kann sich nun auf sein Sterben vorbereiten, er hat alles erlebt, was er erleben wollte. Er kann sich zurücklehnen, denn er weiß mit Jesus kommt das Heil in die Welt. Ich finde diese Verheißung eine sehr tröstliche Botschaft. Jesus ist das Licht für alle Völker, für Juden und Heiden, er macht die Welt hell. Gerade in der jetzigen Zeit des Krieges im Nahen Osten ist es eine tröstliche Verheißung, dass dieser Jesus von Nazareth ein Licht für alle Völker und Herrlichkeit für das Volk Israel bringen soll. Er soll als Friedensbote kommen. Im Text heißt es Simeon wartet auf den Trost Israels. Wir hoffen heute auch auf solchen Trost, wir haben den Eindruck, es gibt keinen Frieden für Palästina. Diese beiden Dimensionen, einmal die Verheißung dieses Retters in dunkler Zeit, aber auch die Gewissheit, in Ruhe sterben zu können, denn das Heil ist da, machen diesen Text so tröstlich. Jesus kommt als Licht der Welt, er kommt, um unsere Dunkelheit hell zu machen. Simeon spricht damit einen Segen aus, er segnet die Eltern und fühlt sich selbst von Gott gesegnet. Es ist ein Friedensgebet, ein Segensgebet, ein Abend- bwz. Nachtgebet aber auch ein Sterbegebet. Dieser kleine Text beinhaltet so viele Aussagen. Die Botschaft, die dahinter steht, kann Menschen im Sterben Trost spenden. Daher greife ich manchmal gerne bei Trauerfeiern auf diesen Bibeltext zurück.

Weissagung des Simeon

Foto: Roland Sand

Wenn Sie aus Bruchsal sind, lade ich Sie herzlich ein, wenn das Wetter mal wieder besser ist, mit diesem Text meditierend einen Spaziergang zu machen. Auf dem Weg zum Feldkirchle in Bruchsal hat der Künstler Theo Diel Ereignisse aus dem Leben Jesu dargestellt, unter anderem auch diese Bibelstelle. Dort sehen wir Maria, Josef, Simeon und Hannah, die im Verlauf des Textes auch vorkommt. Dort können Sie vor diesen Figuren stehen, den Bibeltext nachlesen und sich ihre Gedanken dazu machen.

Viele Menschen haben Angst vor dem Sterben, sie wissen nicht, was sie erwartet, sie haben noch das Gefühl, nicht alles erledigt zu haben, es ist schwer, loszulassen. Es kann ein Kampf sein, wenn es noch ungelöste Aufgaben, fehlende Aussprache oder das Warten auf einen geliebten Menschen gibt. Wie beruhigend ist dagegen ein solcher Text, die biblische Aussage, loslassen zu können, in Frieden sterben zu dürfen, es ist alles erledigt. Simeon hat sogar Gottes Heil gesehen, er darf nun beruhigt den Weg zu ihm antreten. Liebe Begleiterinnen und –begleiter, solche Worte den Sterbenden mitgeben zu dürfen, zu wissen, es ist alles gut, ist wirklich ein Segen. Und für Sie als Angehörige ist es auch tröstlich, zu wissen, er oder sie ist erlöst, ihre Lieben können den Weg im Vertrauen auf Gott gehen. Und Sie können sie gehen lassen.

Hören wir den Text zum Abschluss noch einmal aufmerksam und lassen uns davon trösten:

Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)