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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt im ökumenischen Pfingstgottesdienst, Pfingstmontag, Bruchsal Stadtkirche 29.05.2023

Bibeltext

Lesung aus der Apostelgeschichte, 2, 1-18
Das Pfingstereignis 1 Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. 2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. 4 Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. 5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? 8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: 9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber - wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. 12 Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? 13 Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken. Die Pfingstpredigt des Petrus 14
Da trat Petrus auf, zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden: Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem! Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte! 15 Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Tag; 16 sondern jetzt geschieht, was durch den Propheten Joël gesagt worden ist: 17 In den letzten Tagen wird es geschehen, / so spricht Gott: / Ich werde von meinem Geist ausgießen / über alles Fleisch. / Eure Söhne und eure Töchter werden prophetisch reden, / eure jungen Männer werden Visionen haben / und eure Alten werden Träume haben.

Ver Sacrum Verlag

Liebe Gemeinde,

in den letzten Jahren haben wir bei diesem ökumenischen Pfingstgottesdienst schon mehrfach einen Blick auf Sieger Köders Pfingstbild geworfen. So dachte ich, dieses Mal nimmst Du aber kein Bild. Dann jedoch fiel mir das Andachtsbild, was Sie ausgeteilt bekommen haben, in die Hände und hat mich sehr angesprochen. Werfen wir einen Blick auf die Zeichnung, so spüren wir, es sind einige Elemente, die zu sehen sind, so dass es die Predigerin vor eine Herausforderung stellt, diesen großen Bogen zu entfalten. Aber gerne möchte ich es mit Ihnen gemeinsam wagen, diese Symbolik in den Blick zu nehmen.

Zunächst springt der Regenbogen ins Auge. Der Regenbogen ist im Alten Testament Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Gott hat den Menschen als Strafe für ihre Ausbeutung der Natur die große Flut geschickt. Noah darf die Arche bauen und so einen Teil der Lebewesen retten. Am Ende verspricht Gott den Menschen, die Erde zu schützen. Diese Problematik ist ganz aktuell bei der Diskussion um den Klimawandel. Wenn ich die letzten Zeilen der heutigen Lesung anschaue, in denen es heißt, Eure Söhne und Töchter werden prophetisch reden, eure jungen Männer – und sicher sind damit auch die jungen Frauen gemeint, werden Visionen haben, dann finde ich diese prophetischen Reden eher bei der Klimabewegung, als in der Kirche. Dort zeigt die junge Generation in prophetischen Reden, wie es weitergeht, wenn wir diese Schöpfung nicht bewahren. Damals hat Gott den Menschen versprochen, die Erde nicht zu zerstören, er hat nach der großen Flut das Leben wieder seine Bahnen finden lassen, aber der Bund galt wechselseitig, auch die Menschen sahen, dass ihr Werk nicht gut war. Das haben wir wohl völlig vergessen.

Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung, das Thema Klimawandel würde die Generationen spalten.

Also noch ein Konfliktpotential mehr in dieser konfliktgeladenen Zeit? Ein Nachfolgethema für Corona, das die Gemüter schon so erhitzt hat? Geht uns die Zerstörung von Natur und Umwelt nichts an? Selbst wenn wir darum ringen, was die geeigneten Mittel sind, um dieses Thema präsent zu machen, wir kommen nicht daran vorbei. Es ist wohl ein Bereich, in dem es uns schwer fällt, dieselbe Sprache zu sprechen, uns auf einer sachlichen Ebene auszutauschen. Ein Lernort für das, was uns Pfingsten lehrt, nämlich Dinge in Sprache zu fassen, in einer gemeinsamen Sprache zu sprechen. In der Gebetswoche für Bruchsal war am Abend im Rathaus die Gruppe Christians for future dabei und hat für ihre Anliegen geworben. Vor allem aber haben wir für diese Schöpfung, die Gott uns anvertraut hat, gemeinsam gebetet.

Ein weiteres Thema, das uns allen Sorgen macht, ist der Krieg, der in der Mitte von Europa angekommen ist. Dazu passt die Taube, die damals in der Sintflut von Noah ausgeschickt wurde, um zu sondieren, ob das Wasser abgeflossen ist. Als sie mit dem Ölzweig im Schnabel zurückkam, war klar, es ist wieder Leben auf der Erde möglich, die Bäume fangen an zu wachsen. Beide Symbole stehen auch noch für anderes, der Regenbogen ist inzwischen auch das Zeichen für Diversität, für Vielfalt, Buntheit der Gesellschaft. Die Taube ist das Friedenssymbol schlechthin. Frieden ist etwas, das wir momentan ersehnen, der Krieg in der Ukraine hat uns die Zerbrechlichkeit des Friedens eindrücklich vor Augen geführt. Aber auch im Sudan und in Syrien und an anderen Orten der Welt herrscht Krieg, sind Konflikte.

Auch zur Zeit Jesu war die Welt keineswegs friedlich, in Palästina lehnten sich die Menschen gegen die Fremdherrschaft der Römer auf. Es herrschte Gewalt in Jerusalem, die Stimmung war aufgeheizt, wie auch heute. Dieses Jahr gab es an Ostern gewalttätige Konflikte am Tempelberg, Ramadan, Pessach und Ostern der westlichen Christen fielen zusammen, nur die Orthodoxen feierten später. Es gab Anschläge und Aufruhr statt friedlicher Gottesdienste der einzelnen Religionsgemeinschaften.

Damals waren die Jünger zum Pfingstfest in Jerusalem versammelt. Sie verharrten in Schockstarre und Angst hinter verschlossenen Türen. Es gab Trauer über Jesu Tod, aber auch Furcht, als Anhänger des Gekreuzigten möglicherweise selbst verfolgt zu werden. Direkt nach Ostern überwogen Angst und Resignation. Im Johannesevangelium wird uns berichtet: „Am Abend des ersten Tages der Woche hatten die Jünger aus Furcht die Türen verschlossen“, also kein Jubel über die Auferstehung.

Mich hat oft die Frage beschäftigt, wie kam es zu dem Sinneswandel, wie kam es zu dem Mut, der die Jünger auf einmal erfasste, als sie sich trauten, auf die Straße zu gehen, zu predigen? Wie schaffen es Menschen in scheinbarer Hoffnungslosigkeit Hoffnung zu schöpfen und Mut zu fassen?

Für ein solches Zeichen der Hoffnung steht das nächste, was wir auf dem Bild sehen, ein Blütenzweig, es ist ein Mandelzweig. Die Mandelblüte ist das erste Frühlingzeichen, auch in Israel, sie zeigt uns, dass die Natur erwacht.

In der ACG haben wir am Holocaustgedenken schon mehrfach das Lied „Freunde das der Mandelzweig“ von Ben Chorin gesungen, auch beim Lied der Woche, das in der Osterzeit 2020 im ersten Lockdown auf der ACG Homepage eingestellt wurde, war es dabei. Ich kenne es auch aus anderen Zusammenhängen, es ist ein Friedenslied.

Dieses erste Zeichen der Natur, das uns verdeutlicht, es gibt neues Leben, das Leben siegt, war für Schalom Ben Chorin, den aus München stammenden jüdischen Schriftsteller, Journalisten und Religionswissenschaftler 1942, als er es in Palästina schrieb, auch ein Ausdruck dafür, dass es Hoffnung gibt, selbst in einer scheinbar ausweglosen Situation, in einer Zeit, in der er selbst vor den Nationalsozialisten geflohen war, er sonst aufgrund seines Glaubens verfolgt und getötet worden wäre und noch dazu ein Weltkrieg wütete.

Vergegenwärtigen wir uns diese Zeilen:

1. Freunde, dass der Mandelzweig
wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?
2. Dass das Leben nicht verging,
soviel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering,
in der trübsten Zeit.
3. Tausende zerstampft der Krieg,
eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
leicht im Winde weht.
4. Freunde, dass der Mandelzweig
sich in Blüten wiegt,
bleibe uns ein Fingerzeig,
wie das Leben siegt.

Es ist ein Lied voll österlicher Hoffnung, das Leben siegt über den Tod, selbst in der schlimmsten Zeit hat Chorin diese Hoffnung nicht aufgegeben. Bei uns dagegen habe ich oft das Gefühl, wir neigen momentan dazu, die Hoffnung aufzugeben, nicht wie Petrus unsere Stimme zu erheben und auf die Straße zu gehen, um von unserem Glauben zu berichten. Die Taube ist Symbol für ruach, die Geisteskraft. Sie hat bewirkt, dass die Freunde Jesu ihre Furcht verloren. Manchmal wünschte ich mir, dass der Geist mich auch so erfüllt, dass das Feuer des Glaubens so in mir brennt, dass ich alle Bedenken ablege und frei von allem darüber spreche, was mich bewegt.

Die Jünger legten ihre Ängstlichkeit ab. Sie konnten gesendet vom Geist den Auftrag aus Mt 28 erfüllen: „geht zu allen Völkern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Wir dagegen sind müde durch die Zeit der Pandemie, auch durch den Wind, der uns als Christen entgegenbläst. In der katholischen Kirche haben uns die Berichte der Missbrauchsgutachten entmutigt, viele fragen sich entsetzt, wie man heute noch in der Kirche bleiben kann. Aber die Austrittswelle hat alle Konfessionen erfasst.

In der letzten ACG-Sitzung haben alle von ähnlichen Sorgen und Themen berichtet:

Strukturreformen, Verkleinerung und gar Aufgabe von Pfarrzentren und Kirchen, Zusammenlegung von Gemeinden, all das ist nicht attraktiv, entmutigt viele Christen, lässt Menschen heimatlos zurück. Und diese Dinge beschäftigen viele christliche Kirchen und Gemeinden in Deutschland. Es fehlt das Feuer des Glaubens, die Strahlkraft und Begeisterung, anderen vom Geist erfüllt zu berichten. Wir sind so mit uns selbst beschäftigt, verbarrikadieren uns bildlich auch hinter verschlossenen Türen und Fenstern, statt hinauszugehen auf die Straße. Wir kreisen um Inhalte, die sich nur im innerkirchlichen Raum bewegen, nicht mit dem, was die Menschen wirklich beschäftigt.

Im Text des Andachtsbildes ist ein Gebet aus dem 4. Jahrhundert widergegeben:

»Bitten wir Gott, dass er uns
die Flügel der Taube gebe,
die der Heilige Geist ist,
um davonzufliegen und
Ruhe zu finden - bei ihm.«
Amen.

Diese Flügel, die der Geist uns im Symbol der Taube verleiht, damit wir uns herausbewegen, aus unseren binnenkirchlichen Themen, aber auch aus unseren Ängsten, dieser Geist, der uns beflügelt, die Hoffnung wiederzufinden, ist bitter notwendig, damit wir wieder Strahlkraft entwickeln. Er möge uns helfen, damit wir wieder Weite bekommen.

Wir müssen uns selber wieder mit dem Feuer des Glaubens anstecken lassen und mit dem Mut, hinauszugehen und davon zu verkünden, was unsere Botschaft ist. Angst steht uns als Christinnen und Christen nicht gut zu Gesicht, das verdeutlicht uns die Pfingstbotschaft

Ich hoffe, der Geist gibt uns die Flügel der Stärkung, damit wir sie an andere weitergeben. Ich denke an den 1. Petrusbrief in dem es heißt: Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)