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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigtgedanken zum Josefstag, Vorabendmesse St. Josef, Bruchsal 18.03.2023

Bibeltext

Lesung aus dem ersten Buch Sámuel, Sam 16, 1b.6–7.10–13
Samuel salbte David zum König über Israel
In jenen Tagen
1b sprach der Herr zu Sámuel:
Fülle dein Horn mit Öl
und mach dich auf den Weg!
Ich schicke dich zu dem Betlehemíter Ísai;
denn ich habe mir einen von seinen Söhnen
als König ausersehen.
6 Als Sámuel den Éliab sah,
dachte er: Gewiss steht nun vor dem Herrn sein Gesalbter.
7 Der Herr aber sagte zu Sámuel:
Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt,
denn ich habe ihn verworfen;
Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht.
Der Mensch sieht, was vor den Augen ist,
der Herr aber sieht das Herz.
10 So ließ Ísai sieben seiner Söhne vor Sámuel treten,
aber Sámuel sagte zu Ísai: Diese hat der Herr nicht erwählt.
11 Und er fragte Ísai: Sind das alle jungen Männer?
Er antwortete: Der jüngste fehlt noch,
aber der hütet gerade die Schafe.
Sámuel sagte zu Ísai:
Schick jemand hin und lass ihn holen;
wir wollen uns nicht zum Mahl hinsetzen,
bevor er hergekommen ist.
12 Ísai schickte also jemand hin und ließ ihn kommen.
David war rötlich,
hatte schöne Augen und eine schöne Gestalt.
Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn!
Denn er ist es.
13ab Sámuel nahm das Horn mit dem Öl
und salbte David mitten unter seinen Brüdern.
Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.

Liebe Gemeinde,

„Josef – der Mann, der auf Träume achtet“, so lautet ein Text des evangelischen Theologen Jörg Zink. Als ich diese Überschrift las, dachte ich zunächst, welchen Josef meint der denn? Denn wir haben im Alten Testament die Erzählung von Josef, der mit Hilfe Gottes Träume deuten kann. Aber es gibt da ja noch einen zweiten Josef in der Bibel, den, dessen Patrozinium wir heute in der Vorabendmesse feiern. Der deutet keine Träume, aber ihm muss mit einigen Träumen auf die Sprünge geholfen werden. Auch im Gotteslob finden wir ein Lied über den Heiligen Josef, in dem es heißt „Träumen gehorchen, die Stille verstehn, warten und schweigen und hören wie Du“. Ihm erscheint ein Engel im Traum. Josef soll zu Maria stehen, er soll sich offen zu ihr bekennen. Später fordert ein Engel ihn zur Flucht nach Ägypten auf. Sicher haben wir uns alle schon mal gewünscht, dass Gott uns im Traum begegnet und uns damit unsere Entscheidungen erleichtert.

Als Kind habe ich gerade diese biblischen Berichte geliebt, Berichte, in denen Gott so ganz real zu Menschen gesprochen hat, ja sie regelrecht gerufen und berufen hat. Von einem haben wir ja eben in der Lesung gehört. Mich begleitet dieser Samuel seit meiner Kommunionvorbereitung.

Dieser Samuel, der selbst von Gott berufen war, soll nun den nächsten König auserwählen, so haben wir es in der Lesung gehört. Und er sagt einen der für mich schönsten Sätze der Bibel: Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.

Gott erwählt Menschen, die sich von ihm in den Dienst nehmen lassen. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwierig es ist, Gott zu folgen, zu erkennen, wenn wir gerufen werden, zu spüren, was er von uns will. So erging es mir immer wieder. Als Frau einen Beruf in der Kirche zu wählen, war für mich keine leichte Entscheidung, die auch mit viel Ringen, vielen Fragen und schlaflosen Nächten, aber auch Exerzitien im Kloster getroffen wurde. Und danach ist es ja auch nicht so, dass es immer geradlinig weiter geht.

Es hat sich vieles verändert seit ich begann. Seit diesem Zeitpunkt dürfen wir als Gemeindereferentin den Beerdigungsdienst übernehmen, auch in anderen Bereichen sind mehr Aufgaben, Gottesdienste, Andachten, Segnungen dazu gekommen. Aber die Rolle, die Kirche in der Gesellschaft spielt, hat sich auch verändert. Seit 2010 das erste Missbrauchsgutachten erschien, ist die Glaubwürdigkeit stark hinterfragt. Kirche muss auf diese Anfeindungen reagieren. Sie muss auch die Berufe in der Kirche neu ausrichten. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder junge Frauen im Praxissemester begleitet, die trotz all des Gegenwindes, der Kirche entgegen bläst, in dieser Kirche arbeiten wollen. Sie sind ganz anders ausgebildet, sie haben von Anfang an ganz andere Berufsprofile als viele Kolleginnen Ende der 90ger/Anfang der 2000er Jahre, als ich in der Ausbildung war. Und sie sind mutig, denn es ist gar nicht einfach, sich im Freundeskreis dafür rechtfertigen zu müssen, in einer Institution zu arbeiten, in der es immer noch Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt, was viele überhaupt nicht mehr verstehen können.

Es ist bezeichnend, dass gerade ein Buch erschienen ist, in dem bekannte Frauen erklären “Wir bleiben“. Gerade Frauen wenden sich nämlich vermehrt von dieser Kirche ab. Da ist es toll, wenn junge Frauen diesen Beruf ergreifen. Dies macht auch mir Mut, weiter in dieser Kirche zu arbeiten, diese Kirche gemeinsam mit der nächsten Generation zu gestalten. Dafür, dass diese Kirche im 21. Jahrhundert noch Strahlkraft hat, müssen wir viel verändern.

„Frauen können die Welt verändern. Sie brauchen nur das Vertrauen in sich selbst, dass sie es können, ihren Entschluss und andere Frauen als Verbündete, um es zu tun.“ So lautet eines der Statements von Frauen, die Misereor bei seiner diesjährigen Fastenaktion vorstellt. Frau.Macht.Veränderung, so heißt das diesjährige Fastenmotto.

Wenn Frauen sich tatsächlich verbünden und gemeinsam etwas tun, können sie die Welt verändern. Und sie haben tatsächlich zumeist eine andere Art, Dinge anzugehen, Gottesdienste zu gestalten, Menschen zu begleiten. So habe ich es erfahren, als ich angefragt wurde, meinen Beitrag zum Buch „Weil Gott es so will“ zu leisten, das 2021 erschien. Als wir, 150 Frauen, so viele, wie es Psalmen gibt, uns kennenlernten und unsere Geschichten als berufene Frauen in dieser Kirche, die meisten auch hauptberuflich in ihr tätig, da habe ich diese Kraft gespürt, die entsteht, wenn Menschen sich verbünden. Spirituelle Kraft, geistige Kraft, aber auch Intellekt, Empathie.

Frau.Macht.Veränderung, das ist in den Treffen der Autorinnen deutlich zu spüren. Was jedoch bedeutet dieses Wortspiel, macht Frau Veränderung? Oder bedeutet es Frau = Macht = Veränderung? Dagegen habe ich mich immer gewehrt. Wenn der Vorwurf aufkam, Frauen wollen, wenn sie von ihrer Berufung sprechen, nur die Macht, dann habe ich mich immer klar und deutlich davon abgegrenzt. Berufung hat für mich nichts mit Macht zu tun. Es geht vor allem um die Beziehung zu Gott und den Menschen. Es geht darum, als Frau Menschen seelsorgerlich zu begleiten, als Frau und Mutter mit meinen ganz spezifischen Erfahrungen bei den Menschen zu sein. Und es geht darum, als Seelsorgerin ernst genommen zu werden. Es geht auch um Verkündigung, es geht darum, von meinem Glauben an diesen Gott zu sprechen. Nicht nur die Frauen auf Madagaskar, das Beispielland der diesjährigen Fastenaktion ist, wollen etwas verändern sondern Frauen weltweit. Es ist wichtig, den Blick in diesem März auf die Frauen zu lenken, nicht nur am Weltfrauentag oder am Weltgebetstag. Es geht aber nicht nur auf den Blick in die Ferne, sondern auch ganz konkret um uns hier in Deutschland, hier in Bruchsal. Es geht um Frauen in dieser Kirche. Ich fühle mich berufen, hier an meinem Platz zu wirken. Ich bin davon überzeugt, dass ich dazu eine Berufung habe. Und ich bin mit der Überzeugung, dass Gott auch uns Frauen beruft, nicht allein. Zum Auftakt der Fastenaktion sagte Bischof Meier in Augsburg, die Zukunft der Kirche ist weiblich.

Vielleicht ist es so, dass der Satz, den Samuel in der Lesung sagt, Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht., der Herr aber sieht das Herz - auch ein Satz ist, der für viele Frauen gilt, sie sehen oft stärker das Herz. Frau.Macht.Veränderung bedeutet, die Welt zukunftsfähig zu machen, sie mitzugestalten. Es geht darum, der eigenen Berufung nachzuspüren, den Platz im Leben, den Platz in der Kirche zu finden, auf das eigene Herz zu hören und der eigenen Berufung nachzugehen. Egal wie diese aussieht, ob in der Familie, der Gesellschaft oder der Kirche.

Dazu braucht es auch Männer, die der Berufung von Frauen Raum geben, die Möglichkeit geben, Veränderung zu wagen.

Gott hat schon immer Menschen gerufen, Männer und Frauen und sie in seinen Dienst genommen: Samuel, David, den heiligen Josef, aber auch Frauen wie Hulda und Hannah, Bekannte und Unbekannte; Prophetinnen, Jünger.

Ich könnte diesen Dienst nicht ausüben, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass Gott auch mich gerufen hat und ich meinen Dienst ausübe, „weil Gott es so will“.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)