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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt, Pfingstmontag, 25. Mai 2019, ökumenischer Gottesdienst, Stadtkirche Bruchsal

Lesung

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander. Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken. (Apg 2, 1-13, Einheitsübersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

herzlich begrüße ich Sie zur Feier der Geburtstunde unserer christlichen Kirche an Pfingsten. Wir feiern heute den ersten ökumenischen Gottesdienst der Kernstadtgemeinden am Pfingstmontag. Schön, dass es dazu gekommen ist. Hinter uns liegt ein intensiver Weg in den letzten Jahren. 2011 gab es kurz nach Pfingsten (am 31.5.) ein erstes Treffen aller Gemeinden im Antoniushaus, um abzuklären, wie und ob eine Erweiterung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Gemeinden in Bruchsal stattfinden kann.

Ich habe damals als geistlichen Impuls zu Beginn einige Gedanken mit dem Pfingstbild des dieses Jahr verstorbenen Malers und Pfarrers Sieger Köder verbunden. Dieses Bild bekam St. Peter von Paul-Gerhardt am 1.1.2008 zur Fusion der drei Gemeinden zur Pfarrei geschenkt. Seit da an hängt es im Pfarrzentrum St. Paul.

Ich weiß nicht, ob Sie dieses Bild kennen und vor Augen haben. Es zeigt ein Haus mit vielen geöffneten Fenstern aus denen Menschen herausschauen. Wir erkennen einen evangelischen Pfarrer,einen katholischen Würdenträger und einige junge Menschen. Aus Erklärungen zum Bild können wir entnehmen, dass es sich beim evangelischen Pfarrer um Dietrich Bonhoeffer und beim katholischen um Papst Johannes XXIII. handelt. Zudem sind ein orthodoxer Geistlicher, ein Ministrant und verschiedene andere Vertreter und Vertreterinnen kirchlicher Jugendarbeit zu sehen, die ihre Fahnen und ihr Weihrauchfass schwenken.

Das ist das, was das Pfingstereignis uns sagen will. Menschen verschiedener Nationen und Sprachen, sowie auch damals schon verschiedener Glaubensrichtungen waren versammelt und der Geist Gottes ermöglichte es, dass sie sich verstanden.

Auch wir sind deshalb heute hier zur Feier des Gottesdienstes zusammengekommen. Wir haben hier in Bruchsal seit Pfingsten 2011 einiges geschafft, das Haus der Bruchsaler Christen, das Haus der Ökumene ist, um im Bild zu bleiben, auch von neuen Bewohnerinnen und Bewohnern belebt und bezogen worden: die FeG und die neuapostolische Kirche sind damals der ACG beigetreten, evangelische, katholische und methodistische Christen waren vorher schon dabei, den jüngsten Beitritt hatten wir nun durch RUM-orthodoxen Christen aus Syrien.

Die Gabe des Geistes, die damals den Jüngern verliehen wurde, die wir am Pfingstfest hoffentlich auch in jedem Jahr verliehen bekommen, soll uns stark machen, unser Christsein zu verwirklichen und das nicht nur in unseren jeweiligen Gemeinden sondern auch zum Wohl aller Menschen, auch aller hier in unserer Stadt. Beim Propheten Jeremia im Kapitel 29, Vers 7 steht der bekannte Satz: "Suchet der Stadt Bestes" oder wie es in der Einheitsübersetzung heißt: "Bemüht Euch um das Wohl der Stadt", was uns natürlich vor die Frage stellt, welchen Auftrag wir da haben, das kann man sicher sehr verschieden auslegen. Ich denke jedoch, die Frage nach dem Wohl des Menschen ist sicherlich für Christen aller Konfessionen von unserem biblischen Menschenbild her zu beantworten, was bedeutet, alle Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt menschlich und mit Würde zu behandeln und sich dafür einzusetzen, dass das geschieht. Dabei werden wir uns auch dann einig, wenn es innerhalb der Ausübung unserer Religion, in der Feier unserer Gottesdienste, in der Theologie und Deutung verschiedener Texte, Differenzen und Verschiedenheiten gibt. Wenn es darum geht, hier in Bruchsal dazusein, ziehen wir an einem Strang und schaffen schnell eine gemeinsame Basis. Da sind die Bewohnerinnen und Bewohner des christlichen Hauses gemeinsam dabei, dieses Haus wohnlich für alle zu gestalten und es für alle bewohnbar zu machen.

Dies haben wir in der ACG immer wieder gespürt, wenn wir über das Wohl der Stadt nachgedacht haben. Wir haben unsere Stimme erhoben oder uns eingebracht, wenn es um verkaufsoffene Sonntage ging, um Gedenktage, um Aktionen der Stadt, aber auch ganz aktuell bei den Heimattagen oder bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Menschen aller Nationen und Religionen, Menschen, die oft unvorstellbares Leid, Kriegserlebnisse, Hunger, Flucht und Trauma hinter sich haben, kommen hier an und benötigen unsere Hilfe. Viele aus unseren Reihen haben sich anfragen lassen und engagieren sich zum Beispiel in der Gemeinschaftsunterkunft. Ich denke, unser Einsatz in diesem Bereich, wird noch stärker werden müssen, denn wir haben erfahren, dass noch mehr Menschen zu uns nach Bruchsal kommen werden und die, die jetzt seit zwei Jahren hier sind, benötigen Wohnraum für die Anschlussunterbringung. Da sind wir angefragt, wie wir mit unseren Kräften helfen und uns einbringen können.

Um unsere Kräfte gemeinsam einzubringen, benötigen wir eine Stärke, die nicht von uns alleine kommt. Das machen wir uns aber oft nicht bewusst. Manchmal denken wir, wir können alles. Dann wieder fühlen wir uns überfordert und fordern Gottes Beistand an. Wir Menschen brauchen Zeichenhandlungen, um uns bewusst zu werden, dass Gott in unserer Nähe ist, dass er uns beisteht. Sonst scheinen diese Zusagen manchmal fern zu sein. Zumal der Geist Gottes sehr schwer vorstellbar ist, wenn Theologen vom Geist reden, wird es meist sehr kompliziert. Das Reden vom Geist scheint oft wenig konkret. Wenn es aber komplexer wissenschaftlicher Erklärungen bedarf, können wir als Gläubige mit den Dingen wenig anfangen. Wir sehnen uns nach Zeichen und Rituale, die uns Glaubensfragen anschaulich machen, denn allein mit Worten werden wir nicht berührt, dazu braucht es auch Gesten, damit unser ganzes Sein erfasst wird.

In den letzten Tagen hörte ich im Radio oft von Ritualen, die Fans von Fußballclubs ausüben, in der Hoffnung, damit den Platz ihrer Lieblingsmannschaft vor Abschluss der Bundesligasaison noch beeinflussen zu können, oder um die Sängerinnen und Sänger des eigenen Landes beim European Song Contest zu unterstützen. Diese Form von Ritualen meine ich nicht, wenn ich davon rede, dass wir Handlungen benötigen, wenn Worte alleine nicht reichen. Was ich meine, macht ein neues geistliches Lied deutlich, in dem es heißt:

"Zeichen deiner Nähe sind Zeichen deiner Liebe, Zeichen deiner Größe sind Zeichen deiner Macht, Zeichen der Geschichte, sind Zeichen für die Zukunft, Zeichen sind ein Feuer für Zweifel in der Nacht.Jedes Zeichen hilft uns sehen, hilft uns schmecken, wie du bist. Und es gibt uns zu verstehen, dass du, Vater ewig bist."

Menschen waren sich der Wichtigkeit solcher Symbole schon immer bewusst. Auch die Bibel berichtet davon. Im Alten Testament finden wir viele solche Zeichenhandlungen, auch die Salbung ist so eines, gesalbt wurden angehende Könige, geheiligte Stätten und Propheten. Daher ist diese Salbung mit Öl auch durchaus ein biblisches Zeichen für alle Konfessionen. Sie sagt uns, Du bist ein König, ein Priester, eine Prophetin, sei Dir dieser Würde bewusst!

Das dafür Zeichenhandlungen mehr sagen können und anschaulicher machen als Worte, wird auch im ökumenischen Bezug immer wieder deutlich. Im neuen Gotteslob, dem katholischen Gebet- und Gesangbuch gibt es im Sonderteil für die Bistümer Rottenburg und Freiburg einen Ablauf für ökumenische Gottesdienste. Dabei ist ein Punkt, der benannt wird, auch die Zeichenhandlung. Es ist mittlerweile ein schöner Brauch, wenn in ökumenischen Gottesdienste die Worte durch Symbole und Rituale verstärkt werden, um die Menschen zu berühren. Die Berührung Gottes geschieht durch starke Bilder und Zeichen, sie ist wie Feuer bei Zweifeln in der Nacht. Sie geschieht durch Gesten, durch durch ausdrucksstarke Handlungen.

Das Pfingstereignis selbst wird in der Bibel auch durch solch starke Zeichen beschrieben, wenn es dort heißt "und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten". Damit wird das Wirken Gottes mit ausdrucksvollen, plastischen Bildern beschrieben. Damit wird deutlich, Gott wirkt! Die Jünger, die noch vorher verängstigt in ihren Häusern waren und sich nach den Ereignissen von Tod und Auferstehung Jesu nicht mehr in die Öffentlichkeit trauten, wurden dadurch mutig und bestärkt darin, ihren Glauben zu bezeugen. Das kann uns Mut machen und Kraft geben, wenn auch wir das Gefühl haben, alleine zu sein und kaum Gehör zu finden.

Es hilft uns dabei sicher auch, wenn wir wissen, wir sind in Bruchsal eine größere Gruppe von Menschen, die sich aus diesem Glauben heraus bemüht, ihr Leben zu gestalten und ihr Christsein nach außen zu tragen, als wir es oft in den Sonntagsgottesdiensten der eigenen Gemeinde sehen. Wir sind viele Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses, die es mit Leben füllen, mit unterschiedlichen Akzenten, aber eben gemeinsam. Dafür steht die Ökumene. Sie kann uns helfen, wenn uns der Mut und die Stärke fehlen, unseren Glauben zu leben, wenn wir dann spüren, dass wir vereint mehr bewirken, als alleine.

Diese Kraft muss uns immer wieder neu verliehen werden. Beim Sakrament der Firmung in der katholischen Kirche geht es um diese Stärkung, um den Beistand, den der Geist Gottes uns geben kann. Das lateinische Verb firmare bedeutet festmachen, stärken, stark machen. Diese Stärkung wird durch ein Zeichen bekräftigt, wenn der Bischof die jungen Menschen mit Chrisam salbt, ihnen ein Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnet und dazu die Worte spricht: "Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist."

Im Pfingstbild von Sieger Köder sind viele junge Menschen abgebildet, die erfüllt sind von diesem Geist, die dadurch ihren Glauben leben. Wir hoffen, dass die Botschaft der Bibel, die frohmachende Botschaft des Glaubens und des Evangeliums auch morgen noch weitergegeben wird, dass es immer wieder Menschen gibt, die von diesem Geist belebt sind und dadurch bewegt werden.

Wir wollen uns heute diese Stärkung auch holen, indem wir uns salben und uns Gottes Geist, der seit Pfingsten die Menschen stärkt und ihnen Kraft gibt für ihre Aufgaben, anschaulich machen. Wir werden gesalbt mit dem Öl, dass an Christus, den Gesalbten erinnert, wir bekommen dadurch Kraft und Stärkung durch den Geist Gottes für unsere Aufgaben zum Wohle dieser Stadt und für uns selbst zugesprochen. Wir laden Sie zu diesem Ritual herzlich ein.

Ich möchte schließen mit einem Text, der sich in der Erklärung und Ausdeutung zum Pfingstbild von Sieger Köder findet:

Komm, Heiliger Geist,
du Geist des Evangeliums
und des Gewissens,
du Geist des Gebetes
und der Diakonie.
Komm, Heiliger Geist,
du Geist des Erbarmens
und der Versöhnung,
du Geist der Geschwisterlichkeit
und der Toleranz.
Komm, Heiliger Geist,
du Geist der Freiheit
und des Freimutes,
du Geist der Gerechtigkeit
und des Friedens. (Theo Schmidkonz SJ)

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)