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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt am 5. Fastensonntag, 17.03.2024, St. Peter und Hofkirche, Bruchsal

Bibeltext

Lesung aus dem Johannesevangelium, 12, 20–33
Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. 25 Wer sein Leben lieb hat, der verliert es; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s bewahren zum ewigen Leben. 26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. 27 Jetzt ist meine Seele voll Unruhe. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. 28 Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen. 29 Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es hat gedonnert. Andere sprachen: Ein Engel hat mit ihm geredet. 30 Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. 31 Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen werden. 32 Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. 33 Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde. A

Liebe Gemeinde,

Ich mag die Lieder des Liedermachers Reinhard Mey. Sie sind gesungene Lyrik. In seinem Song “Viertel vor sieben”, in dem er zurückdenkt an seine Kindheit, an das Nach-Hause-Kommen, an Essen und Trinken, das bereits auf ihn wartet, singt er: “Und es soll Sonnabend sein und es soll Topfkuchen geben und der soll schon auf dem Küchentisch stehen”

Das ist nach Hause kommen, das bedeutet Glück und Heimat.

Erinnerungen haben viel mit Essen zu tun, der Geschmack von Marmorkuchen ist ein Glück aus Kindertagen, meine ersten Ferien als Schülerin überhaupt, Herbstferien und meine Mutter hatte mir dafür extra einen Marmorkuchen gebacken. Und der muss auch heute noch so sein, gebacken in einer Guglhupfform, damit am Rand unten der dunkle Teig ein wenig ausfranst und man sich heimlich etwas von der Schokolade abbrechen kann.

Das bedeutet Heimat, über diesen Geschmack kommen Erinnerungen hoch, an Kindheit, an Familie, an liebe Menschen, an Gemeinschaft, aber auch an Halt und Orientierung. Nahrung ist zunächst einmal etwas ganz Banales, Nahrungsaufnahme ist lebensnotwendig, sie kann sehr funktional sein, wenn ich weiß, ich muss einfach etwas essen. Aber in unserem Leben kreisen unsere Gedanken viel mehr um dieses Thema, als diese Aussagen vermuten lassen könnten. Es ist für uns nicht reine Nahrungsaufnahme zur Sättigung, sondern etwas ganz wichtiges, Sinnstiftendes, etwas, über das wir reden, uns Gedanken machen und schreiben. Für mich ist das heutige Tagesevangelium ebenso ein Beweis für die Wichtigkeit des Bereichs der Nahrung wie viele andere biblische Texte auch. Jesus bedient sich beim hochkomplexen Thema von Leiden und Sterben bei dem Beispiel des kleinen Weizenkorns.

Damit greift Jesus bei seinen Erklärungen auf alltägliche Dinge zurück. Wenn er den Menschen etwas vermitteln will, geht dies über alle Sinne, geht dies über Erinnerungen an gemeinsames Essen und Trinken. Aber es geht um noch viel mehr. Jesus weiß, um seine Botschaft in die Herzen der Menschen zu legen, gehört auch das Essen dazu. Bei der Speisung der 5000 gebietet er den Jüngern, die Menschen zuerst mit Nahrung zu versorgen, bevor er zu ihnen spricht, sie mit geistiger Nahrung versorgt. Essen steht für Leben, Essen steht für Gemeinschaft, für Zuwendung.

Heute ist der 5. Fastensonntag, der Tag, an dem die Misereor-Fastenaktion im Mittelpunkt steht. Auch Misereor bedient sich eines Vergleichs aus dem Bereich der Nahrungsmittel. Die Redewendung „Interessiert mich nicht die Bohne“ ist sehr bekannt und alt und wird schon seit vielen Jahrhunderten benutzt. Wenn uns etwas „nicht die Bohne” interessiert, schenken wir ihm nicht unsere Aufmerksamkeit. Denn eine Bohne alleine kann nichts ausrichten, davon wird niemand satt, es gibt keinen Eintopf, keinen Kaffee, es ist für sich genommen unnütz. Misereor setzt dieses Sprichwort abgewandelt für die Fastenaktion 2024 ein, indem es heißt „Interessiert mich die Bohne“.

Egal ob Weizenkörner wie im heutigen Evangelium, Trauben oder Bohnen, allein für sich bringen sie nichts, wir brauchen viele davon, die Gemeinschaft ist letztendlich das, was zählt. Um ans heutige Evangelium anzuknüpfen: Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein; der eine lebt vom andern, für sich kann keiner sein, heißt es in Lothar Zenettis Lied. Diese Gemeinschaft gilt weltweit, der eine lebt vom andern, Solidarität unter Christen will uns der heutige Sonntag vor Augen führen, Solidarität mit denen, bei denen die Gedanken nicht darum kreisen, was koche ich meinen Lieben heute schönes sondern, wie bekommen wir überhaupt etwas zu essen.

Aber weltweit ist das gemeinsame Mahl immer auch ein Ausdruck von Gemeinschaft, von Miteinander, von Heimat. Sich an einen Tisch zu setzen ist Ausdruck von Verbundenheit. Vor uns liegt die Karwoche, in der wir am Gründonnerstag an das letzte Abendmahl erinnern. Dieses Mahl ist der Abschied Jesu von seinen Jüngern, er feiert mit ihnen, er isst mit ihnen, er feiert im Mahl auch die Gemeinschaft. Er stiftet zum Gedächtnis das Mahl, er sagt, wann immer ihr dies tut, Tut dies zu meinem Gedächtnis. Das Abendmahl, die Eucharistiefeier, sie dienen zur Erinnerung an Jesus, an seine Taten, aber für die Jüngern war es auch immer Erinnerung an die Gemeinschaft mit Jesus. Es war ein Stück Heimat, ein Stück Halt, so wie wir es in der Teilnahme an der Eucharistiefeier auch suchen. So will ich es in der Erstkommunionvorbereitung auch vermitteln. Wenn wir jetzt über 40 Kinder auf den Empfang der ersten heiligen Kommunion vorbereiten, wollen wir ihnen deutlich machen, im Mahl begegnet uns Jesus. Er bietet uns Gemeinschaft mit ihm an, die Halt und Heimat bieten kann.

Wenn ich mit den Kommunionkindern das Thema Gabenbereitung behandle, zeige ich ihnen auch, die Bereitung des Altars hat mit unserem Alltag zu tun. Wenn wir zu Hause ein Fest feiern, wird der Tisch schön gedeckt. Wir bereiten den Altar, wir bereiten den Tisch für ein Fest und wenn ich die Kinder frage, was wir dazu brauchen, werden neben Tischtuch, Geschirr und Kerzen auch immer Kuchen genannt.

Wie der Tisch für das Festmahl bereitet ist, so ist auch der Altar bereitet für das Mahl der Gemeinschaft mit Jesus, für die Erinnerung an sein Leben, sein Sterben, seine Auferstehung und das Angebot seiner Liebe an die Jünger und an uns.

In einem Kinderlied zur Erstkommunion wird es auf den Punkt gebracht: Ja, so soll das Festmahl sein, Christus lädt selbst uns ein. In Gottes Namen sind wir zusammen. Von Gott gefunden, mit ihm verbunden, keiner ist mehr allein. So soll das Festmahl sein. Wir leben von der Nahrung, wir leben von der Gemeinschaft untereinander und mit Christus, das trägt uns, verbindet uns und gibt uns Heimat und Halt.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)