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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt, Andacht zum Gräberbesuch, Allerheiligen 1. November 2022, Pfarrkirche St. Peter Bruchsal

Bibeltext

DIE NEUE WELT GOTTES Das Wohnen Gottes unter den Menschen 1 Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. 2 Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. 3 Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.[1] 4 Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. 5 Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. (Offenbarung 21)

Ich freue mich sehr, Sie heute, am Vorabend von Allerseelen, wieder hier in der Peterskirche zur Andacht begrüßen zu dürfen. Vor 2 Jahren waren wir pandemiebedingt im Freien auf dem Friedhof, im letzten Jahr war die Kirche noch wegen der Renovierungsarbeiten geschlossen und wir haben die Andacht in der Aussegnungshalle stattfinden lassen. Und nun sind wir wieder hier und dürfen uns am barocken Glanz der Kirche erfreuen.

Wenn ich mir überlege, welche Schicksalsschläge die Menschen in Bruchsal in den Zeiten vor der Erbauung erlebten, erst den Dreißigjährigen Krieg, der viel Not und Elend über den Deutschen Südwesten brachte, dann 1689 im pfälzischen Erbfolgekrieg die Brandschatzung der Pfalz, nach der auch in Bruchsal kaum noch ein Stein auf dem anderen stand und dann der Wiederaufbau bzw. Neubau dieser Kirche ab 1738. Es war das Zeitalter des langsam endenden Barock, eine Zeit, die geprägt war von Lebenslust und Lebensfreude nach den Schatten der Kriege des 17. Jh. Balthasar Neumann war einer der großen Baumeister dieser Zeit und er plante mit der Peterskirche eine Grabeskirche, die sich in heiterem barocken Glanz zeigt, aber auch ihre Funktion als Grablege für die Fürstbischöfe deutlich macht. Wir befinden uns hier auf dem Friedhof, wir können, wenn wir uns umschauen überall Epitaphe, Grabsteine, entdecken und Zeichen der Vergänglichkeit, Totenköpfe, Sanduhren, vieles deutet auf den Tod hin.

IIch war gerade in Eisenach, dem Geburtsort von Johann Sebastian Bach, auch er ein Vertreter der Barockzeit, der mit seinen Kirchenliedern und seiner Musik diese Spannung gut auszudrücken wusste. Er hat auch von Anfang an erfahren, dass Tod und Leben eng zusammengehören, sein Vater starb früh, er verlor Kinder gleich nach der Geburt. Die Schriftstellerin Carola Moosebach hat über ihn, seine Töchter und seine Kantaten einige Bücher geschrieben, in denen auch die Tiefe der Gedanken anlässlich des Todes zum Ausdruck kommen. Sie schreibt in Anlehnung an Bachs Kantate „Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott“

Letzter Wunsch
Dass Du ein Meer bist aus Liebe
ein Offenes in das ich falle
immer weiter versinke und löse mich
löse mich auf
alles Schwere zerfließt
das Harte zerbricht
was ich war
Du siehst es
kennst selbst alle Tiefen
der Kern wird geborgen
ist sicher
Du nimmst ihn auf.

Ihr letzter Wunsch, dass Gott ein Meer sei aus Liebe. Alles Schwere zerfließt, das, was das Leben schwer macht. Im Vertrauen auf diesen Gott haben die Menschen Kirchen gebaut, Gebäude, in denen sie ihren Glauben feiern wollten. Aber sie kamen und kommen auch zum stillen Gebet, um all ihre Sorgen und Nöte vor Gott zu bringen. So ist St. Peter Ausdruck des barocken Verständnisses von Tod. Die Menschen waren gottesfürchtig, sie suchten im Glauben Zuflucht und orientierten sich am leidenden Jesus. Der Grundriss dieser Kirche ist ein Kreuz, schon damit wird deutlich, woran sie sich orientiert. Hier in der Kirche entdecken wir viele Bilder von Leid, Heilige, die Martyrien erleiden, Marterwerkzeuge, viele Kreuze. Tod und Leid sind allgegenwärtig. Wenn ich mit den Kommunionkindern hier eine Führung mache, sind dieses oft ganz begeistert, weil es eine Art Horrorfilm ist. Die zartbesaiteten Kinder dagegen, schauen ganz ängstlich. Ich denke dann oft, eigentlich soll die Botschaft, die ich hier vermittle, eine tröstliche sein. Ich glaube, den Menschen im Barock erschien diese Kirche sicher auch nicht bedrohlich. Sie erstrahlte in einem heiteren Glanz. Sie strahlte auch etwas vom himmlischen Jerusalem aus, wie die Vision, die wir eben im Bibeltext gehört haben.

Dort hören wir Worte des Trostes. Dort wird nicht nur die endzeitliche Vision eines Lebens ohne Trauer, Tränen und Mühsal gezeichnet, dort wird nicht nur auf ein Jenseits in einer Welt ohne Klage vertröstet, nein, es heißt dort, Gott schlägt sein Zelt auf unter den Menschen, er will unter uns wohnen. Wir sind das Volk Gottes, er lässt uns in unserer Trauer nicht alleine, wendet sich im Leid nicht von uns ab. Er ist da, wenn wir nicht weiter wissen. Und nach vielen Jahren, in denen wir uns hier in Deutschland sicher fühlten, spüren wir in dieser Zeit, in der ein Krieg Europa bedroht, in der die Pandemie noch nicht vorbei ist und der Hitzesommer uns die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen führte, wir leben nicht in einer Welt ohne Leid, ohne Bedrohung. Menschliches Leben ist immer von diesen Polen geprägt, von denen auch der Barock wusste, Lebensfreude und Todesangst. Beides umgibt uns. Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Dennoch muss uns nicht nur Trauer erfüllen.

Diese Kirche, dieses Haus Gottes mit seiner Kuppel, die uns ein Stück vom Himmel zeigt, ist ein Symbol dafür, dass wir auch an Tagen wie heute, an denen wir an die geliebten Menschen denken, die wir verloren haben, um die wir trauern, von Gott nicht alleine gelassen werden.

„Dass Du ein Offenes bist, in das ich falle, ein Meer aus Liebe“, mit diesem Wunsch für unsere Angehörigen, an die wir heute ganz besonders denken, wenn wir hier versammelt sind, möchte ich schließen, im Vertrauen darauf, dass sie tatsächlich geborgen sind bei Gott. Amen.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)