Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Zurück-Button Bauernkrieg, Reformation und Revolution

Nachdem Guido Guersi verstorben war, genehmigte Papst Leo X. die Eingabe des Auvergnaten Antoine de Langeac um Verleihung der Präzeptorei Isenheim - bereits 10 Tage nach dem Tod des großen Antoniterpräzeptors. Nachdem Antoine de Langeac, der bereits im Besitz der Generalpräzeptorei Frugères sowie der dieser unterstellten Präzeptorei Saint-Amant war, seine bisherigen Pfründen zu behalten gedachte, war eigentlich schon klar, worauf es ihm letztlich ankam. Der Papst genehmigte es ihm - unter Außerkraftsetzung des geltenden Rechtes und zum Schaden des Ordens.

Antoine de Langeac ⋅1⋅

Federzeichnung

Die Antoniter-Präzeptorei Isenheim - Federzeichnung,
aquarelliert, 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Die Höhe des Pfrün­deneinkommens des Isenheimer Hauses belief sich laut Supplik Antoines de Langeac dabei auf 300 Goldgulden. Dies muss aufhorchen lassen, denn in der Resignations­urkunde Jean d'Orliers - lediglich ein Viertel­jahrhundert zuvor - waren von 600 Goldgulden die Rede. Sicher kann man davon ausgehen, dass Antoine de Langeac wegen der lästigen Annatenzahlung die Bilanz nach unten korrigierte, doch ist die Differenz zu hoch, um sie damit wirklich zu erklären. Man wird wohl annehmen müssen, dassGuido Guersi wegen seiner großen Ausgaben gezwungen war, Güter und Zinse in einem solchen Maße zu verkaufen, dass die jährlichen Einnahmen tatsächlich deutlich abgesunken waren.

Trotzdem wurde die Ausstattung des Isenheimer Hauses fortgesetzt. Unter Antoine de Langeac arbeitete von 1517 bis zu seinem Tod im Jahre 1524 Hans Holbein der Ältere an der Ausschmückung der Antoniuskirche. Holbein scheint in Isenheim sogar seinen Altersruhesitz genommen zu haben.

Théodore de Saint-Chamond ⋅2⋅

Fresko

Isenheimer Antoniterkirche und Wohngebäude nach 1720 -
Fresko in der Bibliothek des Konvents.

Foto: Jörg Sieger, Oktober 2017

Zwischen 1522 und 1526 übernahm Théodore de Saint-Chamond die Leitung des Isenheimer Hauses. Er entstammt einer der großen Familien des Forez. Er trat - von Kindheit an war er für den geistlichen Stand bestimmt - in den Antoniterorden ein, der Saint-Chamond eine Präzeptorei unterhielt.

Mit etwa 35 Jahren wurde er 1495 zum 18. Abt von Saint-Antoine gewählt. Nachdem er sich in den ersten Jahren eifrig um die Anliegen seines Klosters und des Ordens gekümmert hatte, wurde er in der Folge immer mehr zu einem typischen Renaissanceprälaten. Um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, nahm er die reichsten Präzeptoreien nacheinander, zum Teil auch nebeneinander zum reinen Pfründengenuss als Kommende. Sogar Klöster anderer Orden übernahm er. Er hatte letztlich Ranverso, Norges-Ie-Pont, Aumonières, Pont-à-Mousson und schließlich auch Isenheim in seinem Besitz.

Wegen seines engen Kontaktes zu den Herzögen von Lothringen - schon unter René II. (1473-1508), aber besonders unter dem Herzog Anton (1508-1544), der ein großer Antoniusverehrer war, hatte er intensive Beziehungen zu denselben - verlegte er 1518 seinen ständigen Wohnsitz in die Residenzstadt Nancy. Er war zu einem für die Herzöge unentbehrlicher Ratgeber geworden.

Zeichnung

Inneres der ausgebrannten Kirche,
Blick nach Westen.
Zeichnung von Jean-Baptiste Schacre.

Adalbert Mischlewski weist darauf hin, dass Théodore de Saint-Chamond am lothringischen Hof er mit Symphorien Champier zusammentraf, einem Landsmann aus dem Forez, der die Stelle des herzoglichen Leibarztes bekleidete. Champiers breite humanistische Bildung scheint den Antoniterabt stark angesprochen zu haben. Symphorien Champier gab 1516 sieben apokryphe Briefe des Ordenspatrons Antonius mit einem Kommentar heraus, die Saint-Chamond dem Gelehrten nach seiner Reise zum antipäpstlichen Konzil von Pisa-Mailand (1511-1512) übergeben hatte. Der Abt hatte sie aus der Bibliothek des Pico della Mirandola in Concordia erhalten. Die Widmung an Saint-Chamond, die Symphorien Champier seinem Werk voranstellte, datiert vom 23. August 1514.

Mischlewski geht davon aus, dass Saint-Chamond das relativ nahe gelegene Isenheim des öfteren besucht habe. Für ihn spricht dafür, dass die oberelsässische Präzeptorei schon seit den Tagen Bertonneaus am lothringischen Hof besonders gut bekannt gewesen sei und Lothringen auch mit hoher Wahrscheinlichkeit als Heimat Guido Guersis anzunehmen sei. Er vermutet darüber hinaus sogar, dass der weltmännische Abt bei den Partnern Grünewalds auf der Seite der Auftraggeber nicht übersehen werden dürfe.

Abt Théodore de Saint-Chamond musste noch in den letzten Lebensjahren, nun auch als Präzeptor Isenheims, erleben, wie der Bauernkrieg über seine Häuser einbrach. Auffallend ist, dass die plündernden Bauern Isenheim - und damit auch Grünewalds Meisterwerk - glimpflich behandelten. Dies spricht auch dafür, dass die Antoniter mit ihren sozialen Leistungen bei der Bevölkerung trotz allem in einigem Ansehen standen. Aber der Bauernkrieg bedeutete auch für die Isenheimer Niederlassung unwiderruflich den Anfang vom Ende.

Versiegen der Einnahmequellen und Ende ⋅3⋅

Die einstmals so reiche mittelalterliche Präzeptorei, die in der Lage war, Künstler vom Range eines Schongauer, Grünewald und Holbein zu bezahlen, verlor infolge der Reformation ihre wichtigste Einnahmequelle: Die jährliche Sammlung, die die Antoniter unter Mitführung der Heiligenreliquien bei den Gläubigen durchführten, der sogenannte Quest, wurde eingestellt. Und alle Außenstellen mitsamt ihrem Besitz gingen in den kommenden Jahren verloren.

Ein deutliches Zeichen für den Niedergang des Isenheimer Hauses ist, dass nach dem Tod Saint-Chamonds fast ein Jahrzehnt verging, bis der nunmehrige Abt Antoine de Langeac (1528-1537) 1535 in Pierre Amyot wieder einen Angehörigen des eigenen Ordens nach Isenheim berufen konnte. In der Zwischenzeit hatte Diebold von Hagenbach, Dechant des Benediktinerklosters Murbach, die Präzeptorei verwaltet. Und nach ihm hatte Clemens VII. den Dominkaner Johannes Burckard als Präzeptor eingesetzt.

Im Jahre 1777 kam das endgültige Aus für den Antoniterorden. Er wurde in den Malteserorden inkorporiert. Von der einstigen Blüte des Isenheimer Hauses war zu dieser Zeit kaum noch etwas übrig. So war es nur noch ein Schlusspunkt, den die Französische Revolution im Jahre 1793 setzte.

Nachdem im Jahre 1831 die Klosterkirche in Isenheim einem Brand zum Opfer fiel, erinnert nicht viel mehr als das Torgebäude an die mittelalterliche Präzeptorei mit all ihrer Pracht auf der einen und ihrem karitativen Wirken auf der anderen Seite.

Zurück-Button Literaturhinweise

Die wichtigsten Informationen über das Ende des Isenheimer Haus bietet
Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 265-266.
Vergleiche das Bildmaterial bei

Emil Spath, Isenheim - Der Kern des Altarretabels - Die Antoniterkirche (Freiburg 1997) Band II, P 1 - P 3, A 22.
Grundsätzliches bei
Adalbert Mischlewski, Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts (Unter besonderer Berücksichtigung von Leben und Wirken des Petrus Mitte de Capraris). (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 8) (Köln, Wien 1976).

Anmerkungen

1 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 265. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 265-266. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 266. Zur Anmerkung Button