Kleine Kirchengeschichte


Weiter-Button Zurück-Button Vom Barock zur Aufklärung

Im Zusammenhang mit der Mission können wir bereits eine Tendenz feststellen, die nun in der Folge der Glaubensspaltung nach der tridentinischen Reform immer stärker das Leben der Kirche prägte. Wir können gerade in dieser Zeit entdecken, dass das Papsttum und die römische Kurie eine neue - und nicht immer glückliche - Rolle zu spielen begann.

1. Die neue Rolle der Kurie und daraus resultierende Spannungen

Petersdom

Blick auf den Petersdom
vom Dach des Palazzo di Propaganda Fide.

Foto: Jörg Sieger, April 1984

Die Reformation führte zwar zunächst zu einer gewaltige Krise des Papsttums und der Kurie, aus dem Trienter Konzil gingen beide aber deutlich gestärkt hervor. Dadurch, dass die Konzilsväter die Fortsetzung des Reformwerkes zum Schluss ausdrücklich in die Hände des Papstes legten, erkannten sie nicht nur seine leitende Stellung an, sondern gaben ihm auch die Handhabe zu intensiver Einflussnahme auf das Leben der Gesamtkirche.

Das Ergebnis war, dass die Kurie fortan reformierend, kontrollierend und visitierend in einem viel größeren Maße, als das bislang geschehen war, in die inneren Verhältnisse der Länder und Diözesen eingriff. Die Rolle, die Rom heute in diesen Punkten immer wieder spielt, rührt genau aus dieser neuen Bedeutung des Papstamtes nach Trient. Und daher rühren vielfältige Spannungen.

Solange der kirchliche Aufbau- und Erneuerungsprozess andauerte, solange war dieses Bemühen Roms durchaus nötig, heilsam und auch erfolgreich. Je stärker das Reformwerk aber zu greifen begann, desto mehr musste diese neue Rolle der Kurie auf Widerstand stoßen. Die Bischöfe und Fürsten erlebten die päpstliche Unterstützung nun nicht mehr als Hilfe, sondern in wachsendem Maße als Bevormundung.

Dieser Prozess wurde durch das erwachende Selbstbewusstsein der unterschiedlichen Nationen nur noch gefördert. Vor allem am Beispiel Frankreichs lässt sich dies sehr gut ablesen. Dort entstand schließlich schon früh ein ganz eigenes Bewusstsein, das sich letztlich in Nationalismus und Absolutismus äußerte. Man denke hier nur an den "Sonnenkönig" Ludwig XIV. und seine Zeit. Er ist schließlich die glorreiche Selbstverkörperung dieses ganz neuen französischen Bewusstseins.

Solch ein Nationalbewusstsein musste sich aber an jeder päpstlichen Bevormundung reiben. Alle Bewegungen, die der Kirche zwischen 1600 und 1800 am schwersten zugesetzt haben, sind daher auch folgerichtig von Frankreich ausgegangen. Es waren dies vor allem der Gallikanismus und der Jansenismus.

2. Der Gallikanismus

Unter Gallikanismus fasst man eine Reihe von kirchenpolitischen Strömungen Frankreichs zusammen, die für die "Ecclesia gallicana", die französische Kirche, Rechte in Anspruch nahmen, die den päpstlichen Primat empfindlich beschnitten. Pater Pithou schrieb beispielsweise, dass dem französischen König die Befugnis zukomme, Nationalkonzilien selbständig zu berufen, die Jurisdiktion der päpstlichen Nuntien in Frankreich zu beschneiden und an ein Allgemeines Konzil zu appellieren - selbst gegen den Papst. Auch sollte die Geltung päpstlicher Erlasse von der Zustimmung des Königs abhängig sein.

Der leitende französische Minister, Kardinal Richelieu (1624-1642) und nach ihm Kardinal Mazarin (1643-1661), griffen diese Ideen tatkräftig auf und versuchten sie weitgehend umzusetzen. Frankreich stand dadurch bald am Rande eines Schismas.

Diesem Denken ließ sich auch auf Zukunft hin kaum wehren. Es flackerte im Episkopalismus später von Neuem auf, einer Strömung, die die weitgehende Unabhängigkeit der jeweiligen Bischöfe proklamierte. Außerhalb Frankreichs begegnet es dann in Form des Staatskirchentums, das sich dann - mit den Ideen der Aufklärung gepaart - in den habsburgischen Landen vor allem in Form des Josephinismus äußerte.

3. Der Jansenismus

Neben diesen eher kirchenpolitischen Strömungen, sind auch eine Reihe von theologischen Auseinandersetzungen dieser Zeit zu nennen. Vor allem der Jansenismus erschütterte Frankreich in der Barockzeit. Er war eine gefährliche Verirrung, die unter dem Schein besonderer Frömmigkeit und Strenge eine einseitig überspitzte augustinische Erbsünden- und Gnadenlehre predigte, und das nicht ohne Beeinflussung durch den Calvinismus.

Ihr Gründer war der belgische Bischof Cornelius Jansen (* 1638). Zentrum des von ihm ausgehenden Jansenismus wurde das Zisterzienserinnenkloster Port-Royal bei Versailles.

Um dieses Kloster bildete sich eine Gruppe von Gelehrten, Theologen und Laien, die sich von den jansenistischen Ideen besonders angezogen fühlten. Darunter Männer wie Anton Arnauld (* 1694) und Blaise Pascal (* 1662).

Um den Jansenismus ein wenig zu charakterisieren, genügt es schon auf die Sakramentenpraxis der Jansenisten zu schauen. Diese war so rigoros, die Vorbedingungen zum Kommunionempfang waren so hochgeschraubt, dass dem Durchschnittsgläubigen derselbe beinahe völlig verwehrt war.

Im Laufe der Jahrzehnte kam es zu immer schärferen Auseinandersetzungen mit den Ideen des Jansenismus. Ihren Höhepunkt fanden sie um 1700 im Streit mit Pater Quesnel (* 1719). Das Ergebnis war, dass derselbe durch Ludwig XIV. im Jahre 1710 aus Frankreich verbannt wurde. Auf Erlass des Königs wurde das Kloster Port-Royal niedergerissen.

Damit war dem Jansenismus ein wichtiges Standbein entzogen. Die Jansenisten selbst konnten sich aber in Holland halten, wo sie sogar eine eigene schismatische Kirche bildeten.

4. Das Zeitalter der Aufklärung

Diese kleine Splittergruppe stand aber absolut nicht mehr im Blick der Weltöffentlichkeit, denn in der Zwischenzeit hatte bereits eine andere Welle Europa erfasst. Die Länder Europas wurden vom Geist der "Aufklärung" erobert.

Von England aus verbreitete sich dieses Denken über Frankreich nach Deutschland. Einsamer Gipfel des aufgeklärten Geistes wurde der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804).

Die Aufklärung, die das europäische Denken gleichsam revolutionierte, zog natürlich auch das Christentum in Mitleidenschaft. Für die katholische Kirche und das offenbarungsgebundene Christentum überhaupt, das seine Wahrheiten eben nicht zuerst aus dem menschlichen Geist, sondern von Gott zu empfangen glaubte, beschwor der Rationalismus der Aufklärer eine der größten und gefährlichsten Krisen in der Geschichte herauf. Sie ist bis heute nicht überwunden.

Nach Auffassung vieler Aufklärer gehörten nämlich zum eigentlich Wesenskern von Religion vernünftigermaßen allein das Wissen um das Dasein eines "höchsten Wesens", die Hoffnung auf ein ewiges Leben und der Glaube an die Vergeltung. Auf diesen Kern müsse auch das Christentum reduziert werden, wenn es nicht zum unvernünftigen Aberglauben gezählt werden wollte.

Vor allen in weite Schichten der Gebildeten drang damals auf diesem Hintergrund ein rationaler Deismus ein, der zwar mit einem Gott als Uranfang rechnete, ansonsten die Welt aber völlig den Gesetzen der Vernunft überließ. In den Freimaurerlogen, sowie der Lebensanschauung von Dichtern, Künstlern und Gelehrten wirkte und wirkt dieses Denken noch im 19. und 20. Jahrhundert mächtig fort.

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