Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Vom Babylonischen Exil bis zur Zeit Jesu ⋅1⋅

Bevor wir auf die neutestamentlichen Schriften selbst zu sprechen kommen, müssen wir also die geschichtliche Entwicklung bis zur Zeit Jesu in Erinnerung bringen. Nur auf diesem Hintergrund können wir die Ereignisse im Umfeld des Neuen Testamentes richtig einordnen.

Greifen wir dazu kurz bis in die Zeit des babylonischen Exils zurück und gehen wir die Geschehnisse von diesem Datum an damals blitzlichtartig durch.

1. Die Ablösung der babylonischen Herrschaft durch die Perser (539-332 v. Chr.)

Nachdem im Jahre 587 / 586 v. Chr. Jerusalem unter dem Ansturm der Babylonier gefallen war, hatten die Eroberer die Intelligenz und die Oberschicht des Südreiches bekanntermaßen ins Exil geführt. Dort konnten die Verschleppten aber als Gruppe ihre Eigenart bewahren.

Dies war ganz anders als 250 Jahre zuvor bei den Bewohnern des Nordreiches. Sie waren nach der Deportation infolge der Eroberung durch die Assyrer im Jahre 722 v. Chr. ja völlig zerstreut und dementsprechend auch ausgelöscht worden.

Die judäischen Bevölkerungsanteile, die nun von den Babyloniern deportiert wurden, überdauerten jedoch im Gegensatz zu den nordisraelitischen Stämmen dieses babylonische Exil fast fünf Jahrzehnte lang.

Im Jahre 539 v. Chr. wurde die babylonische Herrschaft durch die der Perser abgelöst. Nach mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen konnte Kyrus, der König der Perser und Meder, in Babel einziehen.

2. Kyruserlass (538 v. Chr.) und Neugründung des Jerusalemer Tempels (515 v. Chr.)

Im Gegensatz zur Religionspolitik der Babylonier, gestattete die Perserherrschaft besiegten Völkern in der Regel ein großzügiges Eigenleben. So konnten auch die Judäer im Exil wieder verstärkt ihr eigenes religiöses Leben entfalten. Kyrus gab ihnen sogar das Tempelinventar zurück, das die Babylonier beim Fall Jerusalems mitgenommen hatten.

Im Jahre 538 v. Chr. erließ König Kyrus dann das berühmte Edikt, das den Judäern die Rückkehr nach Palästina ermöglichte. Auch den Wiederaufbau des Tempels gestattet der Perserkönig.

Nach der Rückkehr der Israeliten aus dem Exil begannen die Heimkehrer und der Teil der Bevölkerung, der ja immer im Land verblieben war, umgehend mit dem Neubau des Tempels. Doch die Arbeit ging nur schleppend voran. Mehrfach mussten Propheten zum Weiterbau mahnen. So wurde der Tempel erst im Jahre 515 v. Chr. wieder eingeweiht. Von diesem Zeitpunkt an ist er aber wieder Mittelpunkt des religiösen Lebens in Israel.

3. Etablierung Israels als Kultgemeinde

Ab der Zeit des Exils muss man sich nun vor Augen halten, dass der Begriff Israel nicht mehr in erster Linie die Bezeichnung eines Staates oder die Bezeichnung von Teilstaaten eines 12-Stämme-Bundes darstellt. Der Name Israel ist nun nicht mehr in erster Linie die Bezeichnung einer politischen, sondern einer kultischen Gemeinschaft. Israel ist nun zuallererst die um den Tempel gescharte Kultgemeinde.

So gehörten zu Israel selbstverständlich auch die Juden, die nicht in Palästina wohnten; beispielsweise die noch nicht zurückgekehrten Juden, die immer noch in Babylon lebten. Von diesen großen Diasporagemeinden gingen in der Folge immer wieder starke Impulse in Richtung der Jerusalemer Gemeinde aus.

Ein wichtiges Indiz dafür, dass Israel nun verstärkt kultische Gemeinschaft und nicht mehr in erster Linie politische Größe war, ist auch die Tatsache, dass an die Stelle des Königs als Protektor des Tempels nun der Hohepriester trat. Er wurde in der Folge die eigentlich bedeutende Persönlichkeit im öffentlichen Leben Israels. Dies findet seinen Ausdruck auch darin, dass der Hohepriester nun eine Priestersalbung erhielt. Es kam ihm demnach gleichsam eine königliche Würde zu. Der eigentliche Gesalbte war in der Frühzeit ja der König.

4. Neue Selbstverwaltung seit Esra und Nehemia (445 v. Chr.) in Jerusalem

a. Nehemia

Die Zeit nach dem babylonischen Exil brachte für Israel aber auch sonstige weitreichende politische Veränderungen.

Zunächst einmal war Judäa nicht einmal eigene Provinz des persischen Reiches. Es gehörte zu Samaria. Die Folge davon waren einen Fülle von Spannungen zwischen dem ehemaligen Nordreich und dem Südreich, also zwischen Samaria und Jerusalem. Dies wurde durch den Umstand gefördert, dass die Samaritaner in der Zwischenzeit zu einem Mischvolk geworden waren. Sie hatten sich seit der Eroberung durch die Assyrer mit anderen Völkern vermischt und auch deren Religionen internalisiert.

Im Jahre 445 v. Chr. änderte sich diese Situation jedoch wieder. Die Perser setzten Nehemia als Statthalter in Jerusalem ein. Er sollte die Stadt wieder aufbauen und befestigen.

Nun wurde Judäa eine eigene Provinz des persischen Reiches. Damit verloren die Spannungen mit dem ehemaligen Nordreich an Intensität. Man grenzte sich gegenüber Samaria ab.

b. Esra

Mit dem Statthalter Nehemia überschneidet sich zeitlich der Priester Esra. Er war es, der in dieser Zeit der nachexilischen Gemeinde eine neue kultische Ordnung gab. Esra verpflichtete Israel von Neuem auf die alte Tradition, auf die Thora.

Die Thora wurde nun zum verbindlichen und auch von den Persern anerkannten Gesetz in Israel. Somit bildete Judäa fortan eine Sondergemeinschaft im persischen Reich mit eigenem Gesetz.

c. Ausblick

Nach dem Tod des Nehemia und seines Nachfolgers Bagoas wurde ein Ältestenrat von Priestern und Laien anstelle eines Statthalters eingesetzt. Der Hohepriester als Präsident dieses Rates erlangte nun verstärkt auch politische Funktion und wurde der eigentliche Chef der jüdischen Selbstverwaltung. Wir haben es demnach in der Folge mit einem von den Persern abhängigen theokratischen Staatsgebilde zu tun, das über eine gewisse innere Autonomie verfügte.

5. Innere Entwicklung der geistlichen und religiösen Lage

In dieser Zeit vollzog sich eine starke innere Entwicklung der religiösen und geistlichen Lage des neuen judäischen Staatsgebildes. Halten wir in unserer chronologischen Betrachtung demnach einen Moment inne und blicken wir auf diese innere Entwicklung des Judentums in dieser Epoche.

a. Samaria

Die Abspaltung von Samaria wird nun eine endgültige Tatsache. Die Samaritaner bauten ein eigenes Heiligtum, nämlich den Tempel auf dem Berg Garizim.

Und sie erkannten in der Folge - wie im übrigen auch die Sadduzäer - nur den Pentateuch als konstitutive Größe an.

Der Pentateuch selbst fand zu dieser Zeit seine Endgestalt. Die abschließende Redaktion ist in dieser Zeit anzusetzen.

b. Die Kultordnung im 4. und 3. Jh. v. Chr.

In Judäa setzte sich nun eine Kultordnung durch, die sich in Ex 34,10-31 niedergeschlagen hat:

  • Der Hohepriester wurde - wie bereits erwähnt - politisches und religiöses Oberhaupt.
  • Die eigentliche Priesterklasse bildeten fortan die Zadokiden. Sie sind aus den Leviten hervorgegangen und nannten sich nach dem Priester Zadok. Ihnen allein oblag nun der Opferdienst, der den Laien gänzlich entzogen wurde und nur noch den Priestern erlaubt war.
  • Die Leviten selbst nahmen nun lediglich eine dem niederen Klerus vergleichbare Rolle ein. Sie durften nur noch die Opfer vorbereiten oder waren Sänger und Türhüter am Tempel.
  • Darüber hinaus finden wir zu dieser Zeit auch Tempelsklaven, die u. a. für die Musik zuständig waren.

Im Festkalender der judäischen Kultgemeinde rückt an die Seite des Paschafestes nun der sogenannte Versöhnungstag. Er wird das wichtigste Fest neben dem Pascha.

Zum Ritus an diesem Tag gehört, dass ein Sündenbock stellvertretend für die Gesetzesübertretungen der Juden in die Wüste gejagt wird. Diese Sühneopfervorstellung wird später auch neutestamentlich wichtig. Sie hat sich letztlich auf Jesus übertragen, von dem es dann heißt, dass er die Sünde des Volkes hinwegnimmt.

Neben dem Opfergottesdienst, der ja nur noch am Tempel in Jerusalem stattfinden konnte, bildete sich nun verstärkt ein Lehr- und Gebetsgottesdienst in den Synagogen aus. Er war von Gesetzesbelehrung, Gesetzesauslegung und Gebet geprägt.

c. Gesetz und Schrift

Dies weist schon auf die besondere Bedeutung hin, die das Gesetz nun einnimmt. Das Gesetz wird zur absoluten Größe. Es gilt als höchste Gabe Gottes und erfordert besondere Unterweisung und Kenntnis.

Auslegung, Verkündigung und Fragen der Anwendung des Gesetzes spielen nun eine große Rolle. Diese Aufgabe übernehmen die Schriftgelehrten, die von daher auf Zukunft hin auch immer größere Bedeutung gewinnen.

Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung enthält die Thora auch kanonischen Charakter. Sie wird unter Hinzufügung der Propheten und anderer Schriften immer mehr zur Heiligen Schrift. Dies wird dadurch gefördert, dass die Thora eben im Synagogengottesdienst verlesen wird. Und sie wird immer mehr verlesen, je stärker sie im Bewusstsein der Gläubigen als Heilige Schrift verehrt wird. Der Prozess der Kanonisierung bedingte sich also wechselseitig.

Je stärker das Gesetz aber ins Bewusstsein des Gottesvolkes trat, desto mehr wurde es auch zum eigentlichen Zugehörigkeitskritierium zu Israel. Die Zugehörigkeit zum nachexilischen Israel ist demnach nicht mehr allein völkisch begründet. Jeder, der sich unter das Gesetz beugt, kann in die Kultgemeinde aufgenommen werden. Diese Neuaufgenommenen werden Proselyten (auch "Gottesfürchtige") genannt. Sie sind Fremde, die durch Beschneidung und unter der Bedingung der Gesetzeserfüllung in die Kultgemeinde aufgenommen wurden.

6. Das Zeitalter des Hellenismus und die Makkabäerzeit

Soweit dieser Blick auf die innere Entwicklung des Judentums. Folgen wir nun wieder der Chronik der Ereignisse.

Eine ganz neue Situation trat nämlich im 4. Jahrhundert v. Chr. ein. Im Jahre 333 v. Chr. hatte Alexander der Große schließlich - nach dem Sieg über den Perserkönig Dareios III. bei Issos - Ägypten seiner Herrschaft unterworfen. Sein Feldherr Parmenio besetzte unterdessen Palästina und Syrien.

a. Juda unter dem Einfluss der Ptolemäer

Alexander, der 331 v. Chr. ins Zweistromland gezogen war, trat nun die Nachfolge des Persischen Großkönigs an. Nach seinem Tod im Jahre 323 v. Chr. zerfiel sein Reich jedoch bekanntermaßen in Teilstaaten, die von Diadochen regiert wurden. Antigonos trat die Herrschaft über Kleinasien an, Seleukos über das Zweistromland und Nordsyrien, Ptolemäus über Ägypten.

Im Verlauf der nun entbrennenden Diadochenkämpfe wurden Palästina und Phönizien zum Streitobjekt zwischen den sogenannten Seleukiden - also den Nachfolgern des Selukos - und den Ptolemäern - den Herrschern über Ägypten.

Was Israel betrifft, so erlangten die Ptolemäer hier die Oberhand. Während des ganzen dritten Jahrhunderts stand das Land der Juden unter ptolemäischer Oberherrschaft.

Das Eigenleben der Juden in Palästina und in der Diaspora wurde dabei allerdings nicht gewaltsam angetastet. Die Ptolemäer gewährten den Juden die freie Ausübung des Jahwekultes.

b. Das Eindringen hellenistischen Gedanken- und Kulturgutes und die Reaktion darauf

Auf die Dauer blieben aber auch im Judentum hellenistische Einflüsse nicht aus. Der Hellenismus strebte schließlich so etwas wie eine Kulturverbindung von Orient und Okzident an. So erhielt die jüdische Welt auf kulturellem und geistigem Gebiet eine Fülle neuer Impulse. Vor allem Teile der Oberschicht und der Priesterschaft des Judentums öffneten sich für die hellenistische Kultur (1 Makk 1,11ff).

Die Hellenisierungstendenzen vor allem in der Diaspora, aber auch im Mutterland, stießen nun in der Folge auf heftigen Widerstand der gesetzestreuen Kreise unter Priestern und Laien. Diese schlossen sich unter der Bezeichnung "Chassidim" - die Frommen - zusammen. Aus diesem Zusammenschluss der Chassidim sollten die späteren religiösen Gruppen in Israel, also z. B. Pharisäer und Essener, hervorgehen.

c. Antiochus III. und die Seleukidenherrschaft

Marmorbüste

Antiochus III. (223-187 v. Chr.),
antike Marmorreplik nach einem
Bronzeoriginal um 205 v. Chr. - Louvre, Paris.

Foto-ButtonLizenz: Carole Raddato from FRANKFURT, Germany,
Male head wearing a head-band resembling king
of Syria Antiochus III (223–187 BC), late 1st century BC–
early 1st century AD, Louvre Museum (7462828632)
,
CC BY-SA 2.0

Eine Wende der politischen Situation trat unter dem Seleukidenherrscher Antiochus III. (223-187 v. Chr.) ein. Unter ihm erreichten die Seleukiden den Gipfel ihrer Macht. In der Schlacht bei Panäas fügte Antiochus III. dem ägyptischen Herrscher Ptolemäus V. Epiphanes eine entscheidende Niederlage zu. Dadurch kam Palästina in den Einflussbereich der Seleukiden.

Die Jerusalemer Kultgemeinde war während der Kämpfe gegen Ptolemäus V. Epiphanes auf Seiten der Seleukiden gestanden. Das kam ihr nun zu Gute. Antiochus III. gestand den Juden als Folge ihrer Unterstützung in einem Erlass weitreichende Privilegien zu. Diese betrafen

  • den Nachlass von Steuern,
  • eine Gesetzesfreiheit
  • sowie weitgehende staatliche Unterstützung.

Nach dem Tod Antiochus' III. setzte aber bereits der Niedergang des Seleukidenreiches ein. Angriffe der Römer, der neuen westlichen Großmacht, beständige Auseinandersetzungen mit den Ptolemäern sowie Aufstände der Parther förderten den Machtzerfall. Hinzu kamen die internen Thronwirren.

d. Antiochus IV. Epiphanes (175-164 v. Chr.)

Dies hinderte Antiochus IV. Epiphanes, der von 175-164 v. Chr. herrschte, jedoch nicht daran, nach außen Stärke zu demonstrieren. Unter seiner Herrschaft kam es zu einem folgenschweren Konflikt zwischen den Seleukiden und der Jerusalemer Kultgemeinde.

  • Der König griff nämlich in internste Angelegenheiten des Judentums ein. Er setzte den Hohenpriester ein und ab.
  • Um seine Macht über die Juden darüber hinaus noch zu demonstrieren, konfiszierte er den Tempelschatz.

Diese Maßnahmen verschärften die Spannungen aufs Äußerste. Um der Gefahr eines Aufstandes vorzubeugen, eroberte und besetzte Antiochus IV. Jerusalem und verbot den Jahwekult in der tradierten Weise (2 Makk 5ff). Der Jerusalemer Kultgemeinde sollten damit die Grundlagen ihrer Existenz entzogen werden.

e. Die Makkabäeraufstände

Dass man diese Maßnahmen in Israel nicht widerspruchslos hinnahm, versteht sich beinahe von selbst. Diese Politik der Seleukiden war der Anlass für die Aufstände unter den sogenannten Makkabäern.

(1) Der Stammbaum der Makkabäer und der Herodianer

Um die zum Teil verwirrenden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Personen, die in dieser Zeit eine Rolle spielten, leichter verfolgen zu können, sei hier zunächst der Stammbaum der Makkabäer und Herodianer vorangestellt. So kann man die Entwicklung und Verwandtschaftsverhältnisse leichter verfolgen.

Stammbaum
Unterstrichen
=
Hoherpriester
KAPITÄLCHEN
=
König
Kursiv
=
Tochter bzw. Ehefrau
( - )
=
Regierungszeit
(+)
=
durch Herodes hingerichtet

Grafik: Jörg Sieger

(2) Mattatias und der Beginn des Aufstandes

In dieser äußerst angespannten Lage brauchte es eigentlich nur noch einen Funken, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen. Dieser Auslöser fand sich in der Person des Mattatias. Als Mattatias in Modeïn einen Juden sah, der dem Zeus opferte, brachte er denselben um. Dies war der Startschuss für den nun folgenden Aufstand.

(3) Judas Makkabäus

Die Juden waren in der nun beginnenden offenen Auseinandersetzung mit den herrschenden Seleukiden überaus erfolgreich. Unter dem Sohn des Mattatias, unter Judas Makkabäus - was soviel bedeutet wie "der Hammer" - kam es sogar zu einer entscheidenden Niederlage der Seleukiden. Judas Makkabäus eroberte Jerusalem zurück und stellte das Heiligtum in der Davidsstadt wieder her.

Die Position des Judas Makkabäus war allerdings nicht unangefochten. Hellenistisch gesinnte Juden riefen sogar den Sohn und Nachfolger des Seleukidenkönigs, Antiochus V., zur Hilfe. Die Aufständischen aber, nach ihrem Führer Judas "Makkabäer" genannt, setzten sich in der Folge immer stärker durch. Der Seleukidenherrscher Antiochus V. war letztlich gezwungen, das Religionsedikt seines Vorgängers aufzuheben.

Die Makkabäer gaben sich mit diesem Erfolg allerdings noch nicht zufrieden. Sie strebten nun die politische Unabhängigkeit Judäas an. Das aber war eine Zielsetzung, die im streng religiösen Flügel der "Chassidim" nicht durchsetzbar war. Eine Wiederherstellung Israels allein auf machtpolitischer Basis erschien jenen orthodoxen Kreisen als widergöttliches Unterfangen. Die Bemühungen der Makkabäer führten demnach zu einer Trennung der "Chassidim" von der makkabäischen Bewegung und dadurch letztlich natürlich auch zu einer Schwächung der Makkabäer.

Die Akra, eine befestigte Anlage, konnte in der Folge denn auch nicht eingenommen werden; die Makkabäer mußten einen Frieden mit den Seleukiden schließen.

(4) Jonatan

Nach Judas übernahm dessen Bruder Jonatan die Führung der Makkabäer. Jonatan führte in der Folge eine Reihe von Partisanenkämpfen gegen die Seleukiden. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass unter den Seleukiden erneut Thronstreitigkeiten ausbrachen. In diesem neuen Spannungsgefüge verhielt sich Jonatan äußerst geschickt und erlangte die Gunst Alexander Ballas', eines Sohnes des Antiochus IV. Dadurch erhielt er die Erlaubnis, sich den Titel "Richter" zuzulegen.

Im Jahre 152 v. Chr. ließ sich Jonatan von Alexander Ballas das Amt des Hohenpriesters übertragen. Dies wiederum vertiefte die Kluft zwischen den "Chassidim" und den Makkabäern. Jonatan war kein Zadokide, stammte also nicht aus priesterlichem Geschlecht. Er hätte damit von Rechts wegen nie Hoherpriester werden können.

(5) Simon

Nachdem Jonatan seinen Machtbereich ausgeweitet hatte, kam sein Bruder Simon (143-135 v. Chr.) an die Macht und nannte sich nun mit Zustimmung des Volkes "Hoherpriester, Feldherr und Anführer der Juden".

Simon führte in Israel in der Folge - ohne sich den Titel selbst zuzulegen - ein Königtum ein, das sich erneut der Umwelt anpasste, verstärkte also den hellenistischen Einfluss auf das Judentum. Damit erreichte er zwar, dass Judäa ein selbständiger Staat werden konnte, verlor aber die Unterstützung der streng gläubigen Juden gänzlich.

(6) Hyrkan und der Rest der Hasmonäerdynastie

Sein Nachfolger Hyrkan (134-104 v. Chr.) dehnte den Machtbereich Judäas noch einmal aus. Er nutzte den politischen Verfall Ägyptens und Syriens gegenüber dem aufsteigenden Rom aus und eroberte Gebiete im Norden, Süden und Südosten. Dort ließ er eine sogenannte Zwangsjudaisierung durchführen. Das heißt: er ließ die Bevölkerung der eroberten Gebiete zwangsbeschneiden und verordnete die Beobachtung des jüdischen Gesetzes.

Von 104-103 v. Chr. setzte Judas Aristobul die Judaisierung seines Vaters fort. Er tat dies vor allem in Galiläa, von dem er Teile erobern konnte. Als erster Makkabäer legte er sich ausdrücklich den Königstitel ⋅2⋅ zu.

Palästina in der Makkabäer-Zeit

Palästina in der Makkabäer-Zeit.

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Alexander Jannaius (103-76 v. Chr.) rundete das Herrschaftsgebiet weiter ab, hatte jedoch mit starkem, innenpolitschem Widerstand zu kämpfen.

Einschneidend war dann die Herrschaft seiner Frau Salome Alexandra (76-67 v. Chr.), die ihm auf den Königsthron folgte. Unter ihr musste nun das Königs- und Priesteramt getrennt werden, da eine Frau in der damaligen Zeit unmöglich das Amt des Hohenpriesters übernehmen konnte.

Ihr Sohn Hyrkan II. bekam demnach das Hohepriesteramt übertragen. Im Jahre 67 v. Chr. folgte er seiner Mutter zudem auf den Königsthron und vereinigte die beiden Ämter noch einmal.

Doch musste er seine Ämter noch im gleichen Jahr an seinen Bruder Aristobul II. abtreten. Arsistobul hatte sich mit den Sadduzäern verbündet und gewann im Jahre 67 v. Chr. die Herrschaft (67-63 v. Chr.) über Judäa.

In dieser Zeit entwickelte sich ein neuer Machtfaktor in Israel, der enormen politischen Einfluss erlangen sollte. Wir werden auf diese Gruppierung nachher noch eingehender zu sprechen kommen: Es handelt sich hier um die Pharisäer.

7. Der Beginn der Römerherrschaft

Im Jahre 66 v. Chr. gelangte es nun Pompeius, die römische Herrschaft in Kleinasien zu festigen. 65 v. Chr. marschierte er in Syrien ein. Palästina und Syrien wurden in der Folge zur Provinz Syria vereinigt.

a. Die Verwaltung Palästinas

Damit kam Judäa unter den Einfluss der römischen Herrschaft. Die Römer bestimmten fortan das politische Geschick.

So setzte Pompeius Hyrkan II. in Judäa als Hoherpiester ein und unterstellte ihm Judäa, Galiläa und Peräa im Ostjordanland. Samaria bildete einen eigenen Bezirk.

Der römische Statthalter Gabinius beließ dem Hohenpriester allerdings nur sein kultisches Amt. Das Gebiet wurde in fünf Verwaltungsbezirke eingeteilt, die dem Provinzstatthalter unmittelbar unterstellt waren. Die Verwaltungsbezirke waren im einzelnen:

  • Jerusalem,
  • Gazara,
  • Jericho,
  • Amathus (= Peräa),
  • und Sepphoris (= Galiläa).

Diese Gebietseinteilung, die von den neuen Machthabern willkürlich vorgenommen wurde, schürte eine antirömische Haltung der Juden. Verstärkt wurde sie dadurch, dass die Römer, um einen Kriegszug gegen die Parther im Jahre 54 v. Chr. zu finanzieren, die Tempelkasse plünderten.

b. Antipater

Nichtsdestoweniger unterstützten Hyrkan II. und ein gewisser Antipater - Vater des späteren Königs Herodes - Julius Caesar in Alexandria. Antipater erhielt daraufhin das römische Bürgerrecht und wurde Prokurator von Judäa. Hyrkan wurde erblicher Hoherpriester - Ethnarch genannt.

Antipater übertrug in der Folge seinem ältesten Sohn Phasael die Verwaltung von Judäa und Peräa, seinem jüngeren Sohn Herodes unterstellte er Galiläa.

Neuer Statthalter in der Provinz Syria wurde nun Cassius Longinus, einer der Mörder Caesars. Um die Gunst des neuen Statthalters zu gewinnen, trieben Antipater und seine Söhne die Steuern eifrig ein. Dadurch bildete sich eine starke Opposition, der Antipater schließlich zum Opfer fiel.

Sein Söhne Phasael und vor allem Herodes traten seine Nachfolge an.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Wo nicht anders angegeben folge ich meinem Lehrer Prof. Dr. Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament - I: "Von Jesus zu den Evangelien", Vorlesungsmitschrift Sommersemester 1980 Zur Anmerkung Button

2 In der außerbiblischen Literatur wird die Dynastie, die sich auf die Makkabäer gründet, Hasmonäer genannt. Zur Anmerkung Button